Expedition Breitgrieskarscharte


Publiziert von stefan87 , 8. Oktober 2011 um 10:26.

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Karwendel
Tour Datum: 1 Oktober 2011
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 2 Tage
Unterkunftmöglichkeiten:Biwakschachtel in der Breitgrieskarscharte (2388m) und Pleisenhütte (1757m)
Kartennummer:Kompasskarte 6 - Alpenwelt Karwendel, Mittenwald, Garmisch-Partenkirchen

Aufstieg auf unmarkierten bis wenig markierten Wegen aus dem Karwendeltal bis ins Marxenkar zur Wegkreuzung Karwendelhaus / Pleisenhütte auf ca. 2000m. Übernachtung in der Nähe der Biwakschachtel auf ca. 2300m und weiter über die Breitgrieskarspitze in Richtung Pleisenhütte.
Mein nächster großer Schritt in meiner Berglerkarriere bei dem ich mein Können unter Beweis stellen musste und auch wieder entscheidend dazu gelernt habe.


Etappen und zeitlicher Ablauf

Meine persönlichen Zeiten mit Pause eingerechnet. Eine Abschätzung meiner persönlichen reinen Gehzeit habe ich am Ende der jeweiligen Etappe vermerkt.

Tag 1 (01.10.11):
11:00 Uhr, Parkplatz 1 Scharnitz (Start)
14:10 Uhr, Angeralm
16:30 Uhr, Marxenkar (Wegkreuzung Karwendelhaus/Pleisenhütte)
18:30 Uhr, Lagerplatz kurz vor der Breitgrieskarscharte gefunden
(Effektive Gehzeit, rund 6 1/2 bis 7 Stunden.)

Tag 2 (02.10.11):
08:00 Uhr, Start
10:30 Uhr, Breitgrieskarspitze
15:00 Uhr, Pleisenhütte
mind. 1 Stunde Pause
19:00 Uhr, Parkplatz 1 Scharnitz
(Effektive Gehzeit, rund 9 bis 9 1/2 Stunden.)


Schwierigkeitsbeschreibung

Eines Vorweg:
Ich musste niemals über Schneefelder gehen.

[T1] - Von Scharnitz durchs Karwendeltal:
Bis zum eigentlichen Aufstieg ins Marxenkar geht man auf der Forststraße (die auch zum Karwendelhaus führt).

[T3+] - Der Aufstieg aus dem Karwendeltal ins Marxenkar:
Der Weg führt als erstes über einen steilen, kräftezerenden Geröllhang bis unter die Steilwand. Diese quert man auf gut sichtbarem Weg links, bis man ein Drahtseil erreicht und steigt auf anfangs steilen aber nicht ausgesetzten Wegen hoch bis man irgendwann, deutlich sichtbar die Steilwand hinter sich gelassen hat.
Von jetzt an geht es im Aufstieg, über relativ unkritische, nicht sehr steile aber nur wenig, überwiegend mit "Stoanmandln" markierte Grashänge bis auf ca. 2000m ins Marxenkar, auf den Weg, der links über den Brendelsteig zum Karwendelhaus und rechts über die Breitgrieskarscharte und -spitze zur Pleisenhütte führt.

[T4-] - Vom Marxenkar bis zur Breitgrieskarscharte:
Im Marxenkar folgt man dem Weg Richtung Pleisenhütte. Dieser geht anfangs noch gemütlich in der Nähe der Baumgrenze entlang und dann mit, später an einer Stelle etwas Hand anlegen, hoch ins Seekarl und über die Seekarlscharte zur Breitgrieskarscharte.

[T4 und I (UIAA-Skala)] - Aufstieg von der Breitgrieskarscharte zur Breitgrieskarspitze und Abstieg bis zum Drahtseil:
Lässt man das letzte Stück zum Gipfel aus und quert diesen sofort auf dem relativ breiten Weg in der Westwand bis zum Drahtseil, dann kommt man auf eine Bewertung von [T4-]

[T3+ und I (UIAA-Skala)] - Abstieg vom oberen Ende des Stahlseils an der Breitgrieskarspitze ins darunter liegende Kar:
Ohne das Drahtseil wäre dieser Abschnitt wohl mit T4 angemessen zu bewerten aber es ist dennoch Vorsicht geboten, da dieses nur oben, in der Mitte und unten am Felsen fixiert ist. Außerdem ist es an einigen Stellen schon leicht angerostet.
Danach kann man sehr gut im tiefen, feinen Geröll relativ bequem und sicher abfahren.

[T3] - Über die "Hochebene" vorbei an der Kluftspalte bis unter die letzte, steile Geröllscharte:
Anfangs mit wenig Neigung über eine Felsebene und dann etwas steiler über einen Grashang und das letzte Stück bis zur Scharte über Geröll.

[T4- und I (UIAA-Skala)] - Bei der Kuchl Scharte:
Der letzte, steile Geröllhang. Der Gipfel darüber heißt offensichtlich "Bei der Kuchl" darum habe ich diesen Ort einfach mal "Bei der Kuchl Scharte" getauft.

[T2] - Nach der "Kuchl Scharte" bis zur Pleisenhütte:
Ein normaler Wanderweg durch Latschenkiefern und über Wurzeln.

[T1/T2] Pleisenhütte bis Scharnitz:
Abstieg über Forststraßen und leichte Wanderwege.


Allgemeine Tipps und Hinweise

- Auch wenn sich viele Abschnitte, meiner Ansicht nach, noch als T3 bis T4- einstufen lassen, weise ich darauf hin, das die größte Schwierigkeit darin liegt, immer den optimalen Weg zu finden. Wenn man an einigen Stellen einen ungünstigen Wegverlauf wählt, dann kann es übertrieben gesagt ganz plötzlich in T5 ausarten.
- Steile Geröllhänge, an denen sich einfach so mal ein Stein löst sind auf der gesamten Tour allgegenwärtig. Auch die Geröllwege sind nicht unbedingt festgetreten.
- Ab ca. 2200m konnte ich an schattigen und versteckten Plätzen in unmittelbarer Nähe des Weges Schnee finden. Meine persönliche Meinung ist, das Vorhandensein von Schnee als Voraussetzung für die Durchführung dieser Tour zu machen, da es dort oben keine (mir bekannten) Quellen gibt.
- Ein Klettersteigset würde auf dieser Tour keinen Sinn machen da kaum Drahtseile vorhanden sind und wie schon erwähnt, das senkrecht verlaufende Drahtseil an der Westwand der Breitgrieskarspitze über eine länge von geschätzten 50m nur an 3 Stellen fixiert ist.
- Die offizielle, reine Gehzeit vom Karwendelhaus bis zur Pleisenhütte und umgekehrt liegt bei 7 bis 8 Stunden.


Ausrüstung

Neben einer angemessenen aber nicht zu schweren Biwakausrüstung hatte ich minimales Sicherungsequipment dabei, bestehend aus:
- Steinschlaghelm
- Hüftgurt
- 30cm Bandschlinge mit Schraubkarabiner, standardmäßig als Selbstsicherung
- 120cm Bandschlinge, um im Notfall, im ungesicherten Gelände, wenn möglich, einen Standplatz bauen zu können. (Ist nicht vorgekommen.)
- Ein Stück Seil mit Schraubkarabiner, als Rucksacksicherung, um beim Absetzen des Rucksackes im steilen Gelände diesen nicht zu verlieren.
- Prusikschlinge, für eine minimale Sicherung an jeder Art von senkrecht verlaufenden, mit wenig Sicherungen versehenen Fixseilen.
- HMS-Karabiner für alle erdenklichen Zwecke.

Im Nachhinein kann ich sagen, das ich diese Sicherungsausrüstung sehr passend gewählt und kein Gramm umsonst geschleppt habe.
 

Erlebnisse

Anreise nach Scharnitz:
Zur Anreise an einem perfekten, verlängerten Spätsommerwochenende durch Garmisch-Partenkirchen brauche ich wohl nicht viel zu erzählen. >:(

Karwendeltal:
3 Stunden unterwegs auf einer Forststraße, die aber auf keinen Fall langweilig ist.
Viel schöne Aussicht auf die umliegenden Berge und besonders die bevorstehende Tour rechts oberhalb. Außerdem hin und wieder mal schattige Abschnitte.

Vor dem Verlassen der Forststraße:
Du stehst auf der Forststraße und schaust nach rechts den kleinen, unscheinbaren Weg entlang, der zum Bergmassiv führt und kannst auch schon den Teil des Aufstiegs über den Geröllhang bis unter die Steilwand sehen. Du machst nochmal einen kontrollierenden Blick auf deine Karte und denkst: "Jup, das ist der Weg." Dann schaust du um dich, siehst die anderen Leute die braf der Straße zum und vom Karwendelhaus folgen, drehst dich wieder Richtung Berg und denkst nur noch: "Jetzt kann das Abenteuer beginnen." Yeah ;)
:D

An der kleinen Brücke kurz vorm Aufstieg zum Geröllhang:
Neben der Brücke im Bach sah ich 2 oder 3 Markierungssteine die wohl vom Weg genommen wurden.
Es ist ein unbeschreiblich tolles Gefühl, wenn man zum ersten Mal einen Weg geht der nur als grob gestrichelte Linie in der Karte verzeichnet ist und anscheinend garnicht oder nicht mehr so leicht gefunden werden soll. Irgendwie eine Mischung, einerseits aus Anspannung und andererseits ein Gefühl der Zuversicht da man genau so etwas erwartet hat. :) (Ist schwer zu beschreiben.)

Ankunft im Marxenkar:
Als ich auf den Weg Karwendelhaus / Pleisenhütte gestoßen bin war ich echt HAPPY, das bis hier hin alles so gut geklappt hatte. Nun lasse ich allmählich die Baumgrenze unter mir und tauche endlich in die Welt des Hochgebirges ein.

Kurz vor der Breitgrieskarscharte:
Eine halbe Stunde vor Sonnenuntergang war ich kurz vor der Breitgrieskarscharte, beschloss aber an Ort und Stelle zu bleiben da ich wohl dort nicht der Einzige wäre. Ich fand einen schönen Biwakplatz in einer Mulde auf einem kleinen Bergrücken. Daneben befanden sich ein paar kleine Schneeflecken und die Aussicht erstreckte sich u.a. über den ganzen oberen Teil meines Aufstiegs. Besser hätte der Tag nicht zu Ende gehen können. :)

Im Lager:
Nachdem ich mein Lager aufgeschlagen hatte, bediente ich mich erstmal an den einzelnen Schneeflecken die in meiner Nähe waren um mir Tee und eine Trekkingmalzeit zu kochen.

Hinweis zum Biwak:
Ich denke, das es mehr als selbstverständlich ist aber für alle Kritiker des Wildkampierens betone ich nochmal, das ich den Platz so verlassen habe wie ich ihn vorfand. Ich lasse grundsätzlich niemals etwas zurück, auch kein Papier, wie Taschentücher oder andere Dinge, auch wenn sie eigentlich verrotten.

Die Nacht:
Für einen Gelegenheitsbergsteiger, der noch nicht viele Biwaks hinter sich hat war es natürlich ungewohnt. Der harte Boden und eine leicht, frostige Brise ließen mich öfters wach werden aber trotz dieser Strapazen will ich auf ein Biwak unter freiem Himmel immer weniger verzichten. Es gibt doch einfach nichts schöneres.

Am nächsten Morgen in der Breitgrieskarscharte:
Ich hatte recht, denn die Schachtel war voll. :D

Aufstieg zur Breitgrieskarspitze:
Hier hatte ich an der steilen, ungesicherten Stelle hinauf auf den Blassengrat etwas zu kauen aber wie immer gehe ich an solche Stellen sehr überlegt heran.
Wie war das doch gleich ... ach ja: Der wichtigste Muskel beim Klettern ist schließlich das Gehirn. :)

In der Westwand:
Super Ausblick und ein abenteuerlicher Abstieg über ein ca. 50m langes Stahlseil das nur 3 Fixierungspunkte hat und ziemlich angerostet ist. >:)

Kleine Kluftspalte:
Eine nicht gerade kleine Höhle in Form eines Loches im Boden. Konnte das Ende ohne Licht nicht erkennen. Hineingestiegen bin ich logischer Weise nicht da ich kein Seil dabei hatte und außerdem alleine unterwegs war.

Bei der Kuchl Scharte - Der letzte steile Geröllhang:
Eine Stelle, an der nochmal aller höchste Konzentration und Trittsicherheit gefordert war. Ungefair auf der Hälfte rutschte mir in einem Moment das Herz in die Hose, als ich an einer steilen Stelle, auf allen Vieren auf dem sehr losen und groben Geröll kurz ins rutschen kam. Es war an der Stelle nicht direkt lebensbedrohlich aber ein weiterrutschen hätte warscheinlich ein paar Verletzungen gebracht. Darum habe ich auch übertrieben gesagt lieber eine ausgesetzte, griffige Felswand als so einen "Schutthaufen". Nun gut - weiter mit voller Konzentration hatte ich dann doch noch einen mehr oder weniger idealen Weg hinauf gefunden.

Pleisenhütte:
Erstmal lecker Hirschgulasch gegessen und "gechillt". :)

Abstieg nach Scharnitz:
Wieder typisch ICH. :D
Da kraxl ich erst ohne Probleme durchs "weglose" Hochgebirge und verlaufe mich dann auf beschilderten Forstwegen bis ich an einen Wasserfall vorbei wieder im Karwendeltal landete.
(Man sollte sein Gehirn eben nicht vorzeitig ausschalten.) xD


Nachwort

Bei meinen Bildern habe ich mir viel Zeit genommen sie zu beschriften und die Orte aus der hikr-Karte zuzuordnen (und auch neue Orte angelegt). Also schaut sie euch unbedingt an ;)

Inspiriert zu dieser Tour wurde ich von der
Fünf-Gipfel-Überschreitung und der höchste Karwendelgipfel
von alpensucht

Vielen Dank (an alpensucht) für seinen interessanten Bericht.

Tourengänger: stefan87


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Geodaten
 7853.gpx Zur Hilfe ein paar Waypoints vom Karwendeltal bis ins Marxenkar

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Kommentare (3)


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sven86 hat gesagt:
Gesendet am 8. Oktober 2011 um 11:00
Pioniergeist abseits des Massentourismus, weiter so!

stefan87 hat gesagt: RE:
Gesendet am 8. Oktober 2011 um 11:25
... worauf du wetten kannst. ;)

Danke!

alpensucht hat gesagt:
Gesendet am 8. Oktober 2011 um 23:43
Super Tour hast du gemacht! Freut mich, dass ich dich inspirieren konnten. Die Fünf-Gipfel-Überschreitung war für mich tatsächlich technisch ein wichtiges Sprungbrett für ganz andere Touren...Berichte folgen demnächst. Auf jedenfall hat man in diesem Teil des Karwendels seine Ruhe :)


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