Rophaien und das dreckige Dutzend


Publiziert von Tobi , 5. November 2013 um 22:18.

Region: Welt » Schweiz » Uri
Tour Datum: 1 November 2013
Wandern Schwierigkeit: T5+ - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-UR   Zürcher Hausberge   CH-SZ 
Zeitbedarf: 8:15
Aufstieg: 2550 m
Abstieg: 1350 m
Strecke:18.8km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Sisikon
Zufahrt zum Ankunftspunkt:cff logo Biel (Kinzig)

Mit dem dreckigen Dutzend sind nicht etwa die handvoll Wanderer gemeint, welche mir bei meiner heutigen Tour begegnet sind, sondern die anschauliche Anzahl Gipfel, die sich mir über dem Riemenstaldental wegen des erst kürzlich geschmolzenen Schnees ziemlich matschig präsentierten. Aufmerksame Leser werden feststellen, dass es total weit mehr als zwölf Gipfel auf der Wegpunktliste sind. Aber es waren eben nicht alle Aufstiege gleich dreckig…
 
Nach einer gemütlichen Zugfahrt erreiche ich um 8:45 Sisikon (444m). Nach wenigen Metern Wanderung schon der erste Dämpfer: der Weg von Äbnet nach Mänzigried ist aktuell wegen Holzschlag gesperrt. Allerdings habe ich Glück, denn wegen dem Feiertag ruhen die Arbeiten und die Zahl der zu überkletternden Bäume hält sich in Grenzen. Nach Twärrüti ist die Querung der ersten Rinne des Buggitals neu angelegt worden, die Markierung weist jedoch noch unten durch. Nach dieser kleinen Verwirrung gibt es jedoch keine Zweifel mehr: nun geht es steil hoch zur Alp Buggi (1376m). Ab hier weglos über die Weiden, vorbei an einigen blau-weissen Markierungspfosten zum Sattel südlich des ersten Gipfels: dem Butzenstock (1757m). Die letzten Meter zu dieser Hikr-Erstbesteigung sind etwas felsig (T4).
 
Nach dem Gipfelbesuch folge ich weiter dem Grat nach Süden. Auf ca. 1760m beginne ich weglos die mit Erlen überwachsene Westflanke zu queren. Eine mühsame Angelegenheit. Im Einschnitt östlich der höchsten Kuppe erreiche ich den Grat, einen kurzen Abstecher zum höchsten Punkt des Buggigrat (1757m) lasse ich mir natürlich nicht entgehen.
 
Auf Pfadspuren wandle ich auf dem Grat nach Osten. Diese Spuren zweigen jedoch schon bald in die Nordflanke ab. Ich lasse mich nicht beirren und halte mich an den Grat. Nach 50m Freistil durch Legföhren, treffe ich wieder auf Wegspuren. Aber auch auf diesen sind die restlichen Meter zum Blutt Stöckli (1884m) alles andere als widerstandslos.
 
Im gleichen Stil schwimme ich weiter durch die Botanik zum Sattel, wo ich auf den blau-weiss markierten Bergwanderweg treffe. Dieser führt steil und schmierig hoch zum Rophaien (2078.2m). Hier oben ist bedeutend mehr Betrieb als auf den bisher besuchten Gipfeln. Kein Wunder bei diesem überwältigenden Panorama!
 
Nach einer kurzen Pause geht meine Reise weiter ostwärts dem markierten alpinen Bergweg entlang, mit kleinen Abstechern auf den Roten Chöpf (1999m) und dem Äbneter Stöckli (2087m). Ja, ich gehöre zu dieser komischen Art von Hikr, die einen Gipfel nur dann als besucht auf ihre Wegpunktliste aufnehmen, wenn sie auch wirklich drauf gestanden und nicht einfach nur daran vorbeigelatscht sind. Aber das muss jeder für sich selber entscheiden, ich jedenfalls kann nachts ruhig schlafen…
 
Während bei Pt 2028 der markierte Weg in die Nordflanke abzweigt, steige ich weiter auf dem Grat hoch zum Diepen (2222m). Auf diesem bin ich der Meinung, dass ich nun problemlos nach Südosten absteigen könne. Doch vor einer senkrechten Felswand werde ich eines besseren belehrt. So quere ich heikel durch die steile Ostflanke (tendenziell gegen T6-) zum Firtiggrätli (1961m). Nicht etwa weil dies gerade zum heutigen „Fiirtig“ passt. Wenn ich schon nicht strikt dem Grat folgen kann, gönne ich mir als Trost den Dibistock (2024m). Auf- und Abstieg erfolgt über die Südkante, wo ein Grasband um den felsigen Aufschwung führt (T4).
 
Zurück beim Firtiggrätli zieht es mich weiter auf dem Bergweg Richtung Osten. Diesen verlasse ich kurz vor Erreichen der Schön Chulm und steuere querfeldein - südlich um den Hügel Pt 2107 - den Grat vor dem Aufstieg zum nächsten Gipfel an. Dieser Aufstieg - wie natürlich auch der anschliessende Abstieg - über den teilweise sehr ausgesetzten Grat (T5) auf den Hundstock (2213m) lässt wahrlich das Alpinwanderherzen höher schlagen. Der folgende Gegenaufstieg zum Siwfass (2180m) ist da etwas wenig spektakulär. Auch der Hagelstock (2181.5m) lässt sich ebenso leicht einsacken.
 
Nun bin ich also wieder zurück an der Gratkante und lasse mich von dieser weiter nach Osten führen. Als nächste Erhebung erwartet mich das Hagelstöckli (2183m). Es folgen nochmals über 100 Höhenmeter Aufstieg zum Gipfelkreuz auf den Spilauerstock/Gämsstock (2270m). So langsam machen sich die Oberschenkel bemerkbar.
 
Der folgende Gratabschnitt sieht ziemlich wild und herausfordernd aus. Doch nach einigen Meter Abstieg nach Nordwesten erspähe ich deutliche Wegspuren, welche durch die Nordflanke in meine gewünschte Richtung führen. Zwar sind diese Spuren im weiteren Verlauf nicht immer sehr deutlich, doch sie leiten mich elegant um die Hindernisse hinab in den Einschnitt und auch wieder in die Höhe zum Spilauer Grätli (2303m).
 
Mittlerweile ist kurz nach 16 Uhr. Wie weiter? Als ÖV-Wanderer hat man die Qual der Wahl. Alles unten durch wieder zurück nach Sisikon? Oder ein langer Marsch über die Seenalp und durchs Hürital nach Muotathal? Oder mein Glück als Autostopper in Riemenstalden versuchen? Ich entscheide mich spontan für die kürzeste Variante: Abstieg nach Biel in der Hoffnung, dass dort die Seilbahn nicht in Revision ist.
 
Ich halte mich weiter an die Gratkante und statte noch dem Gipfelsteinmann auf dem Höch Nossen (2205m) einen Besuch ab. Hier oben auf dem Plateau hebt sich dieser Hügel kaum von der Umgebung ab, vom Tal unten sieht er aber ziemlich imposant aus. Nach diesem fünfzehnten und letzten Gipfel für heute marschiere ich weglos weiter zur Fruttstägen. Durch diese Passage führt ein schön angelegter und blau-weiss markierter Pfad hinunter. Rasanten Schrittes fliege ich weiter über den Bergweg nach Biel (1626m), wo die Gondel direkt vor meiner Nase abfährt. Macht nichts, denn die Freude über dieses eindeutige Zeichen, dass die Bahn in Betrieb ist überwiegt. So schwebe auch ich zehn Minuten und einen halben Liter Rivella später fahrplanmässig um 17:10 ins Tal.
 
 
Fazit: Ein weiterer grandioser Herbsttag in wilder Bergwelt. Kaum zu glauben, dass es Leute gibt, die sich das Ende dieser Jahreszeit herbeiwünschen.
Zugegeben, eigentlich habe ich die Tour etwas anders geplant. Aber an solch goldigen Tagen liebe ich es, auch einfach mal ins Blaue hinauszulaufen…
 

Tourengänger: Tobi


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Kommentare (8)


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Henrik hat gesagt: Spannendes Drehbuch
Gesendet am 6. November 2013 um 16:51
.....bitte mehr solcher Filmtitel... auf dem Weg zu weitern Thrills.

Tobi hat gesagt: RE:Spannendes Drehbuch
Gesendet am 7. November 2013 um 18:59
Werde mir Mühe geben. Hoffentlich gibt es bald auch wieder was von dir zu lesen...

LG, Tobi

Bergamotte hat gesagt:
Gesendet am 7. November 2013 um 12:04
>Ja, ich gehöre zu dieser komischen Art von Hikr, die einen Gipfel nur dann als besucht auf ihre Wegpunktliste aufnehmen, wenn sie auch wirklich drauf gestanden und nicht einfach nur daran vorbeigelatscht sind. Aber das muss jeder für sich selber entscheiden, ich jedenfalls kann nachts ruhig schlafen…

Schön gesagt. Seriöses Gipfelsammeln duldet keine Liederlichkeit. Ehrlich gesagt beginnt mich der ausgelassene Butzenstock nun doch zu nerven, zumal er sich ideal zwischen Holzerstock und Rophaien hätte einbauen lassen... Danke, Tobi... :-)

Tobi hat gesagt: RE:
Gesendet am 7. November 2013 um 19:05
Bitte, gern geschehen :-)

Wenn du schon dran bist:
 P.2102m / Diepen Südsüdwestgratkuppe 2102m
 Höch Nasen 2024m
 Hundstock P.2168 2168m
...fehlen dir (wie auch mir) auch noch :-)

Gruss Tobi

Bergamotte hat gesagt: RE:
Gesendet am 8. November 2013 um 08:47
Ist notiert. Voraussichtlicher Zeitpunkt der Durchführung: 10. Oktober 2041...

Alpin_Rise hat gesagt: RE:
Gesendet am 10. November 2013 um 15:25
Schön und gut; nur was heisst
> "wirklich drauf gestanden"?
10m, 5m, 50cm? Gerade im Winter ist das nicht ganz einfach.
Sammeln ohne Liederlichkeit ist nicht viel mehr als Zwang. Oder lieg ich da falsch?

Tolle Tour(en) übrigens, trotz Gipfelsammeln ;-)

G, Rise

Tobi hat gesagt: RE:
Gesendet am 10. November 2013 um 17:10
Gemäss Eugen gilt ein Gipfel als bestiegen, wenn der Kopf darüber schaut :-)

Aber letztendlich muss jeder für sich selber entscheiden, wann für ihn der Berg als bestiegen gilt. Manche möchten auf dem höchsten Punkt stehen, anderen genügt der blosse Anblick.

In der Tat ist es ein schmaler Grat zwischen Sammeln und Zwang. Aber tief im Innern schlummert bei jedem Menschen noch der Jäger und Sammler...

Gruss Tobi

jaschwilli hat gesagt: wann ist wann wirklich oben?
Gesendet am 7. Oktober 2014 um 10:46
Für mich ist es ebenso wesentlich, einen Berg von ganz unten aus zu besteigen. Der Hoh Brisen von Wolfenschiessen aus ist was ganz anderes als wenn man mit dem Lift bis zum Haldigrat gefahren wird. Den Uri Rotstock vom See aus zu erkämpfen ist eine ganz besondere, tolle Erfahrung. Wenn ich allein wandere und die Zeit habe, geht es immer so weit unten wie möglich los.


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