Fleckistock (3417m)


Publiziert von أجنبي , 4. August 2013 um 14:00.

Region: Welt » Schweiz » Uri
Tour Datum: 3 August 2013
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: WS
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-UR 
Aufstieg: 2100 m
Abstieg: 2100 m
Strecke:Voralpkurve (P. 1402) – P. 1571 – Mittwald – Horefelli – P. 1905 – Voralphütte SAC – Hüblen – SW-Sporn – P. 3251 – S-Grat - Fleckistock – retour auf gleicher Route
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Auto bis Voralpkurve (P. 1402)
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Auto ab Voralpkurve (P. 1402)
Kartennummer:LK 1:25:000: 1211 Meiental, 1231 Urseren

Der Plan, den höchsten Urner zu erklimmen, entstand recht kurzfristig. Wir wollten den Samstag für eine möglichst heftige Tour auf einen möglichst hohen Gipfel in unserer Umgebung ohne Gletschersumpf-Einsinkereien nutzen. Statt erneut auf den Bristen zu kraxeln, entschieden wir uns für den Fleckistock, dies so ganz unter dem Motto: „Eigentlich sollten wir das schaffen, also versuchen wir's einfach mal.“

 

An unserer Kondition für einen 6-stündigen 2100Hm-Aufstieg zweifelten wir keine Sekunde, doch ob wir im Geröll dort oben auf Anhieb die richtige Route finden würden? Für unsere erste Besteigung wählten wir die einfachste Route zum Gipfel, die SW-Rippe. Für jene, die über die Fluelücke aufsteigen, ist dies meist die Abstiegsroute (Route 243 im SAC-Führer „Zentralschweizer Alpen“). Für die Kletterei am Gipfelaufbau und für allfällige Probleme oder Notfälle packten wir ein 20m-Seil, ein paar Exen, ATC, Reepschnüre und einen Friend ein. Da wir auch nach einem Anruf in der Voralphütte nicht genau wussten, ob in den Rinnen noch Schnee lag, schafften es auch Steigeisen und Pickel in den Rucksack. Letzteres stellte sich als unnötig heraus, aber wir schleppen ja gerne...

 

Morgens um vier wackelten wir nach einem Schluck kräftigen Kaffees in der Voralpkurve (P. 1402) ab. Es war dunkel wie in einer Kuh, die Stirnlampen blieben also lange an. Die Tropennacht war auch hier zu spüren: Unterhemden und kurze Hosen trugen wir nur, um nicht des Nacktwanderns bezichtigt werden zu können. Der Weg zur Voralphütte ist einfach und wenig steil, dafür lang. Nach 1h 45min erreichten wir sie.

 

Ein Seitenblick auf die Terrasse führte zu leichter Irritation. Der zweite Blick bestätigte: Da standen tatsächlich und zum Abmarsch bereit: Fraroe, MaeNi, 1/2 SchmiGno sowie Bombo, für dessen Freundin die Tour aus gesundheitlichen Gründen leider schon in der Hütte endete. Was für eine Überraschung!

 

Wir schlossen uns der Innerschweizer Kraxeltruppe vorerst mal an, wohl wissend dass wir im Gebiet Hüblen mal endlich eine Pause einzulegen hatten. Um ca. 6.20 Uhr, kurz nachdem wir vom Salbit-Höhenweg abgezweigt waren (gut markiert), war es dann soweit. Wer eine 2100Hm-Plackerei bestreitet, muss sich manchmal eine kurze Pause gönnen, sonst kommt's nicht gut.

 

Ein Stück oberhalb unseres Rastplatzes folgte dann die letzte Abzweigung (ebenfalls gut markiert), womit wir für eine lange Zeit die letzten blau-weissen Markierungen gesehen hatten. Nun hielten wir auf Wegspuren in nordöstlicher Richtung hoch in die Geländekammer zwischen P. 2837 und Chüeplanggenstock. Während die sechs Hikrs auf die Nördliche Fluelücke zusteuerten (nur im oberen Teil noch Schnee, Steigeisen ratsam), folgten wir ihnen bis auf einen kleinen Sattel auf ca. 2700m und zückten die Kopien von hikr-Berichten (*1, *2, *3, *4) und SAC-Führer.

 

In nördlicher Richtung ging eine Art Moräne weg, auf welcher wir nun gut an Höhe gewannen. Nach einer Weile trafen wir auf ein Schneefeld mit Spuren vom Vortag, auf dessen anderen Seite wiederum Pfadspuren im Schutt zu sehen waren (siehe Foto). Drüben angekommen und auch den einen oder anderen Steinmann erblickend war uns klar: Wir lagen völlig richtig und hatten sicherlich den wohl am wenigsten steilen und mühsamen Aufstieg zur SW-Rippe gefunden.

 

Wir folgten nun den Spuren und Steinmännchen und bauten noch ein paar hinzu. Bald landeten wir vor einer plattigen Kletterstelle, die zu einer Lücke in der SW-Rippe hoch führte. Nach links in Richtung P. 2837 sah's ebenfalls gut aus, jedoch wäre der Zugang zur Rippe mit etwas Abstieg verbunden gewesen. Wir entschlossen uns zu klettern (T5 II). Mit beiden Stöcken in einer Hand gelang das recht gut, auch wenn's in der Lücke oben dann etwas schwieriger wurde. Am Ausstieg aus der Lücke stiessen wir wiederum auf einen Steinmann, der uns versicherte, dass wir hier absolut richtig waren.

 

Nun folgte ein langer Aufstieg durch viel Geröll auf der SW-Rippe (T4+). Allerdings gab's immer deutliche Pfadspuren, kraxeln musste/durfte man nur selten, ausgesetzt war's nie und bis zum Vorgipfel (P. 3251) leisteten uns die Stöcke gute Hilfe, auch wenn sie an wenigen Stellen etwas störten. Wir erreichten den S-Grat des Fleckistocks etwas nördlich vom Vorgipfel. Im Aufstieg auf der Rippe hatten wir den Gipfel endlich zu Gesicht bekommen (Foto) und je näher wir kamen desto klarer wurde: Wir schaffen das!

 

Auf dem S-Grat angekommen, entschlossen wir uns zu einer zweiten Pause. Seit Abmarsch in der Voralpkurve waren 4h 45min vergangen und wir hatten bereits mehr als 1800Hm in den Beinen. Nun folgte der anspruchsvollere Schlussteil zum Gipfel und zwischendrin wollten wir nicht noch einmal rasten. Allerdings beunruhigte uns nun eine Regenfront im Westen und Süden, während's auch östlich des Reusstals nicht allzu freundlich aussah. Da meine Kollegin so ein modernes Telefon dabei hatte (auf dem Fleckistock hatten wir überall Empfang!), checkte sie mal den Niederschlagsradar: Prompt war da was in unsere Richtung unterwegs...

 

Nach Gewitter sah's nicht aus und trotz Regen im Berner Oberland (von wo ja das Wetter kam) sah man bis zum Finsteraarhorn. Zudem war die Regenfront nicht allzu gross, danach sollte gemäss dem Niederschlagsradar nix mehr kommen. Für uns hiess das: Bahn frei, auf zum Gipfel! So lange wir keine Stelle zu passieren hatten, welche wir bei Regen oder Nässe auf dem Rückweg nicht hätten machen wollen, sollte uns nichts am Gipfelsturm hindern.

 

Nach einer 20-minütigen Pause beim Vorgipfel deponierten wir unsere Stöcke und stiegen weiter. Als wir zu einer abzukletternden Rinne kamen, die uns aus Nobis' Bericht in Erinnerung war (siehe Foto), erreichte unsere Motivation kurzzeitig einen Tiefpunkt: Sch..., blankes, dickes Eis!. Ich stieg erst zum Eis ab, jedoch war mir der weitere Abstieg zu riskant. Ich dachte bereits ans Abseilen, doch wollten wir weitere Optionen eruieren. So kletterten wir kurz auf den Felsturm daneben, um einen Überblick zu kriegen.

 

Meine Kollegin war sicher, dass sich die Stelle umklettern liess (II). Und prompt: etwas luftig, doch gut griffig, konnte (aus Süden gesehen) auf der rechten Seite der Wand entlang (und oberhalb des Eises) traversiert werden (siehe Foto). Die Operation gelang und weiter ging's stets hart der Wand entlang. Die Routenfindung gelang uns bis zum Gipfel perfekt: Jedes Mal, wenn der Weiterweg nicht mehr ganz klar ist, findet man doch irgendwo Steinmännchen oder Wegspuren.

 

Etwas Geduld, ein gutes Auge und Erfahrung in solchem Gelände sind am Fleckistock von grossem Nutzen. Wirklich schwierig ist's nämlich nirgends, ausgesetzt ebenfalls nicht und trotz viel losem Schutt kann man sich an vielen Orten problemlos Ausrutscher erlauben, vorausgesetzt man befindet sich auf der optimalen Route. Wer davon abweicht, könnte jedoch schnell einmal in unwirtlichem Gelände landen. Bei Klettereinlagen lohnt es sich zudem jeweils zu prüfen, ob die Griffe halten.

 

Nachdem wir sämtliche Grataufschwünge also in der W-Flanke umgangen hatten (alternativ geht man *über den Grat), standen wir bald einmal an der Schlüsselstelle, der Kletterstelle direkt unterhalb des Gipfels. Ich packte mein 20m-Seil aus und liess meine Kollegin vorsteigen. Zuerst geht's ein paar Meter einfach hoch, bevor man das Fixseil erreicht. Nach dem Fixseil folgen dann wiederum ein paar ungesicherte Klettermeter (3a gemäss SAC-Führer). Am Ausstieg ist ein Stand eingerichtet, an dem man abseilen könnte (30m-Seil evtl. knapp, 40m reichen sicher).

 

Dank der Sicherung meiner Kollegin kletterte ich genüsslich zu ihr hoch und voilà, der Gipfel lag noch eine einzige Minute von uns weg! Kurzes, einfaches Hinüberlaufen und voilà, wir hatten es geschafft! Die Freude war gross, stand doch unser Unterfangen unter dem Motto „Probieren wir's einfach mal“. Kurz nach zehn Uhr, also genau sechs Stunden nach Abmarsch in der Voralpkurve (reine Marschzeit wohl etwa 5h 15min), erreichten wir nun also den Fleckistock. Unsere Euphorie trübte einzig der Gedanken an jene, welchen gleichzeitig drüben am Sustenhorn O-Grat ein Rega-Helikopter zur Hilfe eilen musste...

 

Die drohende Regenfront hatte sich mittlerweile verzogen, des Grau im Osten interessierte uns wenig. Ewig rasten wollten wir nicht, angesichts der Wetterlage konnten wir uns aber durchaus etwas Zeit lassen. Zudem wollte ich eigentlich auch noch auf die übrigen Hikrs warten, um mit ihnen gemeinsam den Gipfelerfolg zu feiern. Und siehe da: Zwanzig Minuten nach unserer Ankunft tauchte prompt Bombo's Helm aus der Tiefe auf. Wenig später konnten wir uns alle zum Gipfelerfolg gratulieren und vor allem: als letzter in der Reihe hatte MaeNi's Marcel auch noch die Sonne mitgebracht!

 

Da's aber etwas windig war und wir noch einen brutal langen Abstieg vor uns hatten, zogen meine Kollegin und ich bald von dannen. Um 11 Uhr standen wir wieder unterhalb der Gipfelkletterei. Wir hatten uns die Route zurück zum Vorgipfel gut gemerkt und so trafen wir dort bereits nach einer halben Stunde wieder ein. Unbekannte hatten unsere deponierten Stöcke in unserer Anwesenheit etwas mystisch angeordnet, nachdem sie diese zwecks Anti-Littering zunächst fachgerecht entsorgen wollten...

 

Für den weiteren Abstieg war ich froh, meine lädierten Fussgelenke gut bandagiert zu haben. Zwei Tage zuvor auf der *Gitschen-Tour hatte ich das nicht getan und lief wie ein Anfänger den Berg hinunter, mich auf den Füssen sehr unwohl und extrem wacklig fühlend. Im schottrigen Abstiegsgelände des Fleckistocks wäre eine derartige Wiederholung alles andere als lustig gewesen.

 

Kurz nach Mittag erreichten wir die Stelle oberhalb P. 2837, wo wir morgens kletternd zur SW-Rippe gefunden hatten. Da wir die Stelle nicht abklettern wollten, folgten wir weiter den Spuren auf der Rippe und bogen etwas weiter unten nach links (bzw. in östlicher Richtung) ab, stets Steinmännchen und Wegspuren folgend. Prompt landeten wir wieder bei der Platte, die wir einfach abkletterten. Mit etwas Höhenverlust liesse sich diese auch problemlos umgehen.

 

Danach stiegen wir wiederum hinunter in Richtung der Moräne, setzten dann aber angesichts des langen Schneefelds auf eine schnelle Abrutscherei. Etwas weiter unten folgte dann eine zweite solche Einlage. Marcel hatte uns auf dem Gipfel gebeten, den Schnee nicht übermässig zu verspuren. Wir hoffen, seinen Wunsch respektiert zu haben...

 

Im Abstieg von Hüblen zur Hütte brannte die Sonne erbarmungslos auf uns nieder. Wohl so gegen 13.30 Uhr waren wir zurück in der Voralphütte, wo erst mal die Beine hoch gelagert wurden. Kurze Zeit später traf auch die Innerschwyzer Hikr-Truppe ein. Im Gespräch wurde mir klar: Meine nächste Fleckistock-Besteigung würde *ebenfalls über die Nördliche Fluelücke gehen, so schwierig sollte das nicht sein. Auch hier mussten wir uns (leider) bald wieder verabschieden, hatten wir doch noch den eineinhalbstündigen Abstieg zur Voralpkurve vor uns. Unsere Füsse glühten in den Schuhen und der Abstieg bot trotz der schönen Landschaft wenig Grund zur Freude, doch konnten wir zurück beim Auto um 15.45 Uhr mit grossem Stolz auf schöne 12 Stunden am Fleckistock zurück blicken.


Tourengänger: أجنبي


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Kommentare (1)


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Bombo hat gesagt:
Gesendet am 4. August 2013 um 20:54
Gratuliere Euch nochmals zur erfolgreichen und tollen Tour - war schön Euch zu sehen! Ob dieses mysteriöse Stockzeichen evtl. einen alpinen "Kornkreis" darstellt? Oder doch das Zeichen einer überirdischen Spezies, welches Ihren Nachfolger die Landung erleichtern wollte? Fragen über Fragen, welche wohl in dieser Ära nie geklärt werden...

Weiterhin tolle Touren und gute Besserung Deinen Fussgelenken!

Cheers,
Bombo


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