Hoher Fricken - Überschreitung und Abstieg ins Ungewisse
|
||||||||||||||||||||||||
![]() |
![]() |
Wie wir die Bergretter von Oberau kennen lernten.
Nach einem teuren Snowboardtag im Zillertal geht es heute endlich wieder um die Leidenschaft, aus eigener Kraft auf Berge zu steigen. Gestern Abend haben wir einen sehr genauen Plan erstellt, wann wir spätestens welche Punkte passieren wollen. Leider müssen wir noch schnell Schneeschuhe für meinen Tourenpartner in Garmisch ausleihen. Deshalb starten wir erst 10 Uhr am Bahnhof.
Verzögerter Aufstieg
Zunächst passieren wir die Wallfahrtskirche St. Anton, wo wir gleichzeitig das Wandergebiet Esthergebirge-Wank betreten. Noch liegt die Fahrstraße zur Esterbergalm frei. Wir brauchen noch längst keine Schneeschuhe. An der Daxkapelle geht es vorbei. Wir befinden uns zwischen zwei Wolkenschichten. Über die erste können wir oberhalb von 1100m blicken. Die zweite beginnt bei über 2000m. Schlechtes Wetter wurde erst für morgen vorhergesagt. Kurz vor der großen Serpentine kommt uns der Winterdienst entgegen. Die Schneedecke am Wegrand ist deutlich mächtiger geworden. Als es steiler wird, muss ich manchmal auf meinen ungeübten Tourenpartner warten.
12 Uhr. Mittagspause am südlichen Fuß des Hohen Fricken. Wir entscheiden uns auf diesen Gipfel zu gehen. Ein einzelner Schneeschuhgeher kommt gerade herab und meint, es werde Schlechtwetter geben. Frohen Mutes beginnen wir dennoch den Aufstieg mit Schneeschuhen, die wir aber bald weiter westlich nochmal abschnallen, weil zu wenig Schnee liegt. Wir kommen immer langsamer voran, mein Partner braucht häufiger kurze Verschnaufpausen. Ich verringere das Tempo deutlich. Auf halber Höhe setzen wir uns an einer Lichtung nochmal hin und schnallen an. Da spurtet ein Mann an uns vorbei, der meinte er wolle nicht den Fricken überschreiten, weil sein Radl unten stehe.
Schlechtwetter
Doch wir wollen. Und so geht es weiter immer langsam bergan. Nach ca. einer weiteren Stunde joggt besagter Schneeschuhwanderer uns wieder entgegen und meint, er sei am Gipfel gewesen. Noch habe ich keine Vorstellung vom normalen Tempo, weil ich mich ganz auf meinen Partner eingestellt habe.14:45 Uhr. Oben am Grat beginnt es leicht zu schneien und einzutrüben, doch bleibt uns eine gute Spur, der wir immer weiter hinauf folgen. Mir bereitet das nun recht viel Freude, während mein Tourenpartner manchmal schnauft und flucht. Aber am Grat kommt auch ein gewisser Ehrgeiz auf, der ihm seine ersten bisher unbekannten Reserven entlockt.
Um 16:00 Uhr stehen wir erst am Gipfelkreuz. Wir sehen nichts und mein Kumpel ist schon leicht erschöpft. Leider bemerke ich das noch nicht. Es schneit inzwischen stark. Wir gehen nach 10min weiter bis zum höchsten Punkt, wo auch die Spur aufhört.
Die Überschreitung
Hier hätten wir unbedingt umkehren müssen. Am nun folgenden Gratabschnitt wird es recht schmal und Wechten drohen südlich abzubrechen. Nach kurzer Absprache setze ich meinen Rucksack ab und setze vorsichtig die Tritte mit ausreichend Abstand zum Wechtenrand in den Schnee. Zwischen jeder versuche ich genau den Wechtenansatz zu erkennen. Der schwierigere, ausgesetzte Abschnitt ist etwa 30m weit. Im Sommer gibt es hier sicher kaum Probleme! Ich kehre zurück und fühle mich auch deutlich sicherer. So entscheiden wir zu überschreiten und im Sattel (Fricken-Bischof) über den weiteren Abstiegsverlauf zu entscheiden. Alles geht gut und der Abstieg erweist sich am Grat oder nördlich davon als sehr einfach. Doch scheint die Schneedecke immer dicker zu werden.
16:40 Uhr. Im Sattel erkennen wir nur mit Mühe den oberen Teil eines Wegweisers, den wir erst mit meiner Lawinenschaufel zur Orientierung ausgraben. Nach einem Blick auf die Karte, einigen Bissen zu essen und etwas warmen Tee gehen wir den Abstieg in Richtung Oberau an.
Die Wegsuche und die Rinne
Bis auf die freie Fläche am Frickenkar ist es noch einfach. Nun beginnt die schwierige Suche nach einem Pfad. Nach über einer halben Stunde Suche gehen wir einfach weglos im Kar hinab und halten auf die nördlich beginnende Waldgrenze zu. Kurz sehen wir einige schwache Spuren, der Neuschnee überdeckt jedoch das Meiste inzwischen. Weil es nun schon so spät ist, möchten wir nicht mehr so viel Zeit mit der Wegsuche verlieren und steigen einfach ohne nachzudenken in eine parallel zum imaginären Weg verlaufende Rinne ein, die mit viel Lawinenschnee verschüttet ist. Hier fließt das Schmelzwasser aus dem Frickenkar hinab und mündet in die Fahrmannslaine.
Hier gelangen wir rasch hinab. Kaum merklich verengen sich die Seitenwände und steilen auch bedeutend auf. Es schneit heftigst, wir sind trotz guter Bekleidung völlig durchnässt, müssen nun in Bewegung bleiben. Es beginnt auch langsam zu dämmern. Das Gelände wird immer schwieriger (Stellen I). Mir ist bewusst, dass mein Tourenpartner kaum Übung hat, doch bewegt er sich recht geschickt an den schwierigen Stellen. Er will einfach nur 'runter...
Abbruch und das bange Warten
An einigen Stellen gebrauchen wir sogar die Hände um nicht abzurutschen. Ein mulmiges Gefühl befällt mich. Aus Erfahrung weiß ich, dass solche Rinnen häufig in eine Klamm münden. So ist es auch hier. Auf etwa 1200m fließt nun Wasser über sehr steile Platten einen Absschnitt von 4-5m ab und oben drüber liegt auch noch nasser Schnee. Ich versuche nahe heran zukommen, rutsche beinahe ab und gehe wieder zurück.
Wir sind in einer verzweifelten Lage. 19:45 Uhr. Mein Partner ist völlig am Ende. Es ist schon merklich dunkel geworden. Wir müssen uns schnell entscheiden: Bergrettung oder 300Hm wieder hinauf. Ich kläre ihn über die Konsequenzen eines Notrufs auf. Wir entscheiden ihn dennoch abzusetzen. 112 setzt uns mit der Bergrettung in Verbindung. Wir steigen nur bis zu einer erträglichen Stelle 10min auf, graben eine große Stufe ins Steilgelände und machen es uns „gemütlich“. Ein Stück Isomatte zum Sitzen ist in solch einer Lage viel wert. Auch ein Rest warmer Tee. Zuerst meldet sich die Bergrettung Oberau, denen wir so gut es geht unsere Lage beschreiben. Sie behaupten in einer Stunde bei uns zu sein, was ich für beinahe unmöglich halte. Doch warten wir lieber auf Retter in einer als in zwei Stunden in diesem Wetter, durchnässt und bei der Kälte.
Es ist dunkel geworden. Wir sitzen eng beisammen und analysieren unsere Fehler. Fazit: das einzig Richtige wäre gewesen am höchsten Punkt, wo die Spuren aufhörten, zurück nach Garmisch zu gehen. Ich habe keinen Handyempfang und mein Partner hat nur noch ganz wenig Akku. Von dem Rest ist unsere Rettung abhängig, weil wir immer wieder mit den Bergrettern in Kontakt treten müssen. Nach über einer Stunde beginnen wir das Alpine Notsignal durch Rufen einzusetzen, in der Hoffnung von den Rettern gehört zu werden. Das dichte Schneetreiben scheint alles zu verschlucken. Sie meinen zu wissen, wo wir seien. Das gibt uns Hoffnung. Wir beginnen beide zu zittern. Die trockene Kleidung anzuziehen ergibt keinen Sinn, weil die Jacken zu nass sind und wir in der Zeit beim Umziehen schon zu stark auskühlen würden. Ich ermahne uns ständig nicht müde zu werden und viel in Bewegung zu bleiben. Ich stehe sogar auf und bleibe 45min einfach stehen. Das ist wärmer. Wir reiben uns gegenseitig ab. Das hilft sehr.
Die Retter sind da!
Nach fast zwei Stunden erfahren wir, dass unsere Retter unterhalb des Frickenkars sind. Meine Stirnlampe scheint nicht weit durch das Schneegestöber. Nach einiger Zeit hören wir am Telefon und draußen in der Rinne gemeinsame Rufe an den Wänden widerhallen. Kurze Zeit danach tauchen vier sehr gut ausgerüstete Bergretter mit Stirnlampen auf. Sie nehmen uns unsere Schneeschuhe und meinem Kumpel den Rucksack ab.
„So frisch rasiert und geduscht bin ich noch nie zu einem Einsatz aufgebrochen!“ War das erste, was einer von ihnen zu uns sagte.
Wir steigen ca. 45min in gutem Tempo wieder auf. Queren steil durch den Wald ca. 50m hinüber auf --- den Weg. So knapp verfehlt, ärgere ich mich!! Dort warten drei weitere Bergretter. Auf deren Aufstiegsspuren fällt der Abstieg nun nicht mehr schwer, außer dass mir manchmal während des Laufens beinahe die Augen zu fallen. Irgendwann treffen wir den achten Bergretter mit vollen Thermoskannen und Schokoriegeln. 2 Uhr kommen wir im Tal von Oberau an, fahren zur Station der Bergrettung. Weil mein Tourenpartner nicht im Alpenverein ist, muss er wahrscheinlich sehr viel bezahlen.
Der Fricken ist wohl besser für den Hochwinter geeignet. Die Überschreitung sollte nur bei bestem Wetter unternommen werden. Um eine heftige Erfahrung reicher kehren wir wohlbehalten zurück. Vom Schneeschuhwandern habe ich trotz allem nicht genug. Vieles auf der Tour war wirklich schön. Das viel früher eingetretene schlechte Wetter hätte uns unbedingt am Gipfel zur Umkehr zwingen müssen. Die Bergrettung meinte, dass es richtig war, sie zu rufen. Selbst im Sommer haben sie aus den steilen Hängen oberhalb der Klamm schon Bergwanderer holen müssen. Für Schneeschuhwanderer wären im Frickenkar Markierungen an Krummholz o.ä. sehr hilfreich. Wichtig ist der Punkt, wo der Weg in den Wald eintritt! In unseren Entscheidungen lagen dennoch die Verantwortung und die Fehler.

Kommentare (11)