Rudiger (2382 m) - Überschreitung einer zerrissenen Burg


Publiziert von 83_Stefan , 12. Oktober 2012 um 14:44. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Lechtaler Alpen
Tour Datum: 6 Oktober 2012
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 9:30
Aufstieg: 1600 m
Abstieg: 1600 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Auf der L 21 in Richtung Namlos. Etwas östlich von Namlos kleine Bucht mit Parkmöglichkeiten.
Kartennummer:AV-Karte 3/4 - Lechtaler Alpen Heiterwand und Muttekopfgebiet.

Der Rudiger in den nordöstlichen Lechtaler Alpen ist wie eine verfallene Burg - eine Ruine gespickt mit brüchigen Türmen, zerrissenen Mauern und viel Schutt. Beim Betrachten dieses dreigipfeligen Bergs möchte man nicht glauben, dass man dort mit einigermaßen vertretbarem Aufwand hinauf kommt - viel zu wild der Anblick. Entsprechend wenig Betrieb herrscht an diesem gottverlassenen Zapfen; es dürfte sich wohl sogar um einen der einsamsten Gipfel der Lechtaler Alpen handeln. Wer also die entsprechende alpine Erfahrung mitbringt und gerne einsam unterwegs ist, für den ist der Rudiger sicherlich ein Highlight.

Start an der Bucht an der L 21 östlich von Namlos. Auf der Straße geht's bergab, bis nach links der Weg in Richtung Anhalter Hütte abzweigt. Auf ihm am Brentersbach flussaufwärts und an zahlreichen Geschiebesperren vorbei. Kurz nach dem Passieren der Hirtenhütte am Hinteren Sageboden zweigt scharf nach links ein gut ausgeprägter Steig ab, der hinauf zur Hirtenhütte unterhalb des Rudigkars leitet.

Nach rechts durch die Mulde auf die andere Seite des tief eingeschnittenen Grabens; dort quert man auf Gamsspuren nach rechts den steilen Hang zu einem Latschenrücken hin, der zum Gipfelaufbau des Rudigers hinauf führt. Zunächst werden die Latschen günstigerweise nahe an den Abbrüchen ins Rudigkar umgangen, später quert man die Krummholzzone durch schmale, teils zugewachsene Latschengassen und erreicht mühsam einen steilen Wiesenhang, dem man nach oben auf den Rudigergrat folgt. Am schrofigen Grat nach rechts auf den markanten Südwestgipfel des Rudigers zu; aus der auffälligen Scharte erfolgt der Gipfelanstieg durch eine Rinne (bis I+). Gipfelbuch vorhanden.

Vom Südwestgipfel wieder auf dem Kamm zurück und weiter in Richtung des Hauptgipfels. Bald zwingt der Grat zum Ausweichen auf die Südostseite. Durch steile Schrofen quert man unter den wilden Gratzacken hindurch, möglichst an der Schnittstelle zwischen Schrofen und Fels. Kurz bevor man über eine begrünte Rampe wieder zum Grat aufsteigt, leitet an einer steilen Felswand eine plattige Rinne zum Grat nach oben: Um dem Hauptgipfel einen Besuch abzustatten, steigt man hier auf den Grat und erreicht eine kleine Graterhebung nahe des Gipfelzackens (bis II, steile Schrofen). Der Abstieg in die trennende Scharte bereitet keine allzu großen Schwierigkeiten (I); jenseits geht's über eine kurze Felsstufe auf ein schmales Band, das den Gipfelkörper ansteigend quert und eine Rinne mündet, durch die bald der Hauptgipfel erreicht ist (bis II, steile Schrofen).

Über die Graterhebung wieder zurück in die Südostflanke. Auf einer begrünten Rampe wird bald wieder der Grat erreicht, dem man aber nur kurz folgt, um erneut einem Abbruch auf der Südostseite auszuweichen. An einer Scharte wird der Grat wieder erreicht. Dieser führt auf den weithin sichtbaren, markanten Gratzacken zu, der links auf der Nordwestseite durch Schrofen und Felsgelände umgangen wird; Ziel ist dabei die Scharte zwischen Nordostgipfel und dem Gratzacken. Von der Scharte über den Grat (I) oder auf der Südostseite (begrünte Schrofen) in wenigen Minuten auf den Nordostgipfel (Gipfelbuch). Der höchste Punkt des Rudiger-Massivs bietet einen phantastischen Ausblick von der Zugspitze zur Parseierspitze. Besonderer Blickfang ist aber natürlich die nahe Heiterwand, die ohne Zweifel die Szenerie beherrscht.
Der Abstieg verläuft auf dem Anstiegsweg zurück zur Scharte vor dem Nordostgipfel. Von dort auf der Nordwestseite durch Schrofen in einem Rechtsbogen in eine Rinne hinab, die zu einem Schuttstrom hinunter zieht (bis II, unübersichtlich, hohe Steinschlaggefahr). Dort angekommen, geht's die Schuttrinne hinab, bis man unter den Felsen des Rudigers nach rechts hinaus zum Rudigjoch queren kann.

Hier beginnt der Plaisirteil der Tour: am breiten Grasrücken geht's über Rudiger- und Schlirekopf zum Gipfelkreuz der Englspitze hinüber, von dem man dem begrünten, später bewaldeten Westkamm auf deutlichem, aber schmierigem Steig bergab folgt. Zuletzt auf schlechter Forststraße wird die L 21 an der Parkbucht erreicht.

Schwierigkeiten:
Südwestgipfel über Hirtenhütte: T5, I+ (etwas Latschenkampf nötig).
Überschreitung vom Südwest- zum Nordostgipfel ohne Abstecher zum sogenannten Hauptgipfel: T6-, II (steile, unangenehme Schrofen).
Abstecher zum sogenannten Hauptgipfel: T6, II (unangenehme Schrofen, ausgesetzte Querung auf schmalem Band, rutschige Rinne).
Abstieg vom Nordostgipfel: T5+, II (geröllreich, brüchig, sehr steinschlaggefährdet).
Vom Rudigjoch über Rudiger-, Schlirekopf und den Kreuzgipfel der Engelspitze zurück nach Namlos: T3 (teilweise relativ steiles Gras, schmierig).

Fazit:
Eine tolle 5*-Tour für absolute Einsamkeitsfanatiker, allerdings nur für den rustikalen, mit Schrofen vertrauten Bergsteiger geeignet. Nähert man sich dem Massiv auf beschriebener Route, wird man mit Erstaunen feststellen, dass sich mit jedem Meter das scheinbare Labyrinth aus Zacken und Türmchen aufzulösen beginnt und die logische Route meist als einzige Möglichkeit übrig bleibt. Auf der gesamten Rudiger-Überschreitung gibt es keinen einzigen Steinmann. Die Wanderung über Rudiger- und Schlirekopf bildet einen krassen Gegensatz zum wilden Rudiger und lässt die abwechslungsreiche Tour beschaulich ausklingen. Vorsicht bei Nässe in den steilen Grashängen! Ein Helm ist auf beschriebener Route obligatorisch! Anm. vom ADI: wir hatten logischerweise keinen......:-(

Mit auf Tour: ADI, Bene69, Hermann und Manuela.

Anmerkung:
Die Idee zu dieser Tour hatte der Gebietskenner Bene69, der die Rudiger-Überschreitung bereits von der anderen Seite aus gemacht hatte; auf dem Rudiger-Nordostgipfel war er sogar bereits zum dritten Mal.

Kategorien: Lechtaler Alpen, 5*-Tour, 2300er, T6.

Tourengänger: ADI, Bene69, 83_Stefan


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Kommentare (12)


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©bergundradlpeter hat gesagt:
Gesendet am 12. Oktober 2012 um 16:48
Ja vereck,
da habt's a scheene Tour g'macht - Gratualtion:-)

Grüße
Peter

83_Stefan hat gesagt: RE:
Gesendet am 13. Oktober 2012 um 20:32
Danke dir! War wieder mal ein echtes Highlight.

Creativist hat gesagt:
Gesendet am 12. Oktober 2012 um 22:54
Wilde Überschreitung eines Gipfels für Abenteuerlustige... Gratulation Euch allen zu der Tour. Auf den Fotos wirken die Schlüsselstellen an der Nordseite vom SW-Gipfel (Foto 59) und der Ostseite des Hauptgipfels (Foto 69) wirklich übel, glaube das würde ich ungesichert nicht machen...

83_Stefan hat gesagt: RE:
Gesendet am 13. Oktober 2012 um 20:33
Dankeschön! Der Südwestgipfel ist eigentlich gar nicht sooo schlimm; da ist der Hauptgipfel eine ganz andere Preisklasse!

Koasakrax hat gesagt:
Gesendet am 13. Oktober 2012 um 09:46
Auch aus dem Tiroler Unterland herzlichste Gratulation zur gelungenen Tour. Da schau ich schon etwas neidisch drein, da ichzur Zeit aus berufl. Gründen überhaupt nicht in die Berge komme.

Andy

83_Stefan hat gesagt: RE:
Gesendet am 13. Oktober 2012 um 20:34
Danke dir!
Mach dir nichts draus - so toll ist das Wetter ja zur Zeit eh nicht.

kardirk hat gesagt:
Gesendet am 13. Oktober 2012 um 13:26
Gratulation,
Klassetour auf einen gar nicht so hohen Gipfel.
Mist, dass ich derzeit soviel Arbeiten muß und immer wenn ich mal frei habe regnets.
Die Tour werd ich mir mal vormerken.

VG
Dirk

83_Stefan hat gesagt: RE:
Gesendet am 13. Oktober 2012 um 20:36
Hallo Dirk, Dankeschön! Es muss ja nicht immer hoch hinaus gehen - auch eine Etage tiefer gibt's interessante Ziele.

Wagemut hat gesagt: Schöne Sache
Gesendet am 3. März 2013 um 21:08
Tolle Tour, die ihr da gegangen seid. Das ist auch als Gemeinschaftserlebnis viel wert! Zu so vielen eine mehrgipfelige IIer Tour zu machen...Schade, dass ich oft alleine losziehen "muss".

Gratulation!

Viele Grüße,

W.

83_Stefan hat gesagt: RE:Schöne Sache
Gesendet am 3. März 2013 um 21:15
Seawas! Vielen Dank! Das war schon wirklich eine tolle Tour! So viele Besucher auf einmal hat der Berg jedenfalls noch nie vorher gehabt.

Grimpeur hat gesagt:
Gesendet am 26. Mai 2013 um 12:48
die Tour haben wir im August 2012 auch gemacht, allerdings sind wir zuerst rauf ins Kuhkarjöchl und haben dann die komplette Überschreitung gemacht. Als am schwierigsten fanden wir die Wegfindung kurz vorm Hauptgipfel, da wir zuerst in die 5-10m tiefe Einschartung abklettern wollten, dann aber die leichtere Umgehung über das abfallende Schotterband entdeckt haben. Ansonsten wirdklich eine genial einsame Tour.

VG
Grimpeur

Grimpeur hat gesagt: 2. Begehung
Gesendet am 5. November 2013 um 13:06
war vor 1,5 Wo wieder mal da oben und empfand die 2. Begehung als deutlich anspruchsvoller. Naja man wird eben nicht jünger :D


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