Überschreitung Rudiger (2382m) - kleine, einsame Gruppe mit vielen Felstürmchen


Publiziert von Daniel87 , 10. August 2020 um 20:00.

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Lechtaler Alpen
Tour Datum:12 Juli 2020
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 10:00
Aufstieg: 1600 m
Abstieg: 1600 m
Strecke:P Namlos-Kesselwaldhütte-Hirtenhütte-SW-Gipfel-Hauptgipfel-NO-Gipfel-Rudigjoch-Rudigerkopf-Engelspitze-P
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Von Bichlbach nach Berwang und weiter nach Namlos. Dort noch vor dem Ort, vor der großen Kehre Parkmöglichkeit.

Obwohl die Lechtaler Alpen ein hohes Vorkommen an formschönen Felsbergen aufweisen, bei denen ein Besuch einfach unvermeidlich erscheint, herrscht in der aktuellen, kollektiven Berg-Begeisterung noch gespenstische Stille – fast wie im Karwendel. Das gilt ganz besonders für die gut erreichbare Rudiger-Gruppe. Langeweile will trotzdem nicht aufkommen, viel mehr vermag ein Wirrwarr aus Flanken, Scharten und sperrenden Türmchen, die (An-)Spannung zu intensivieren, die Einsamkeit verstärkt die Stimmung nur – bei einer allgegenwärtig dominierenden Ernsthaftigkeit.


Da es vor einigen Wochen wegen Wegfindungsproblemen nicht ganz mit der Rudiger-Überschreitung geklappt hat, so soll es beim heutigen Versuch unbedingt anders laufen. Nach genaueren Hikr-Nachforschungen komme ich zu dem Ergebnis, dass der Hauptgipfel nicht direkt von Süden, sondern von Nord-Ost angestiegen wird.

Vom P kurz vor Namlos die Straße bergab bis hinter die große Kehre, dann geht südöstlich der Forstweg ab Richtung Anhalter Hütte. Diesen weiter für ca. eine Stunde bis zur Kesselwaldhütte auf knapp 1500m. Dort noch etwa fünf Minuten weiter taleinwärts ins Faselfeiltal bis linkerhand ein unmarkierter, mal mehr mal weniger stark ausgeprägter Steig abzweigt. Jetzt hinauf bis zur Hirtenhütte und ins Imster Rudigkar auf 1870m, wo der Steig endet und sich der Blick auf die Rudigergruppe eröffnet. Auf der offenen Wiesenhochfläche des Kars in einem weiten Rechtsbogen zur tiefsten Stelle derselben, wo meistens das muntere Treiben der Murmeltiere dem Auge eine Freude bereitet. Dort setzt eine begrünte, schrofig-felsige Flanke an, die zum Rücken, welcher der SW-Gipfel auf seiner Westseite aussendet, hinauf zieht. Viel lockeres Gestein allerorten macht die zahlreichen Varianten ähnlich schwierig - man muss sich hier die beste suchen (T5/I-II). Weiter oben wird's flacher, bis später ein Grasschrofenhang zum Grat führt, dabei wird eine markante, sperrende Erhebung einfach rechts umgangen. Am Grat angekommen der kurze Abstecher zum Südwestgipfel des Rudiger. Man hält sich rechts, nach kurzer, einfacher Gratkletterei, größenteils Gehgelände, steht man auch schon am Gipfelaufbau. In direkter Linie, deutlich leichter, als es den Anschein hat, geht's hinauf (I).

Vom SW-Gipfel (mit -buch) geht's wieder zurück zum Abzweiger. Dort auf der anderen Talseite des Verbindungsgrats zunächst erst geringfügig absteigen, dann aber weiter dem Grat folgend hinüber zum Hauptgipfel. Der erste sperrende Turm wird südostseitig über zwei kaminartige Rinnen umgangen. Der Aufschwung, welcher vom Hauptgipfel durch eine tiefere Einschartung getrennt ist, wird ebenfalls südostseitig umgangen, aber man steigt etwas tiefer hinunter, nicht ohne eine gewisses Gefühl von Ausgesetztheit. Unterhalb der Scharte, die sich südwestlich des Hauptgipfels befindet, wird dieser wieder rechts (südostseitig) umgangen, dieses Mal auf Schuttflanken bis linkerhand ein gut gangbarer Aufstieg möglich erscheint (Wächten können sich hier bis spät in den Sommer halten). Geradeaus würde es später weiter zum Nordostgipfel gehen. Von unten erkennt man bereits eine weitere Scharte zwischen Haupt- und Vorgipfel des Hauptgipfels. Über eine Rinne (II) - nicht etwa glatte Platten - zum Vorgipfel. Hier erkennt nun den zutiefst abweisenden Hauptgipfel. Nach dem recht gutmütigen Abstieg in die Scharte folgt jenseits die Schlüsselstelle (II+). Gleich darauf schließt ein stark ausgesetztes Band an, welches in eine kaminartige Rinne übergeht (II). Hier ist äußerste Vorsicht angesagt zumal man der Festigkeit von Griffen und Tritten nicht trauen kann.

Am exklusiven Hauptgipfel des Rudiger (niedriger als der NO-Gipfel) gibt's kein GB. Man kann schon den weiteren Wegverlauf einstudieren, aber schwieriger wird's nicht mehr. Nach kurzer Pause mache ich mich wieder an Abstieg über den Vorgipfel zur Abzweigung bei den Schuttflanken - ein angenehmes Gefühl, dass es jetzt leichter wird, obwohl immer noch anspruchsvoll. Dort wieder zum Grat, bei Bedarf immer rechts ausweichend, an einem markanten, großen Turm vor dem NO-Gipfel das erste Mal links ausweichend weiter zu einer kleinen Scharte, wo es nachher hinunter ins Tal gehen wird. Weiter geht's nah an der Kante zum NO-Gipfel, die Flanke ist meist noch anspruchsvoller. Angekommen am höchsten Punkt, dem NO-Gipfel (mit -buch) stellt sich beim Anblick der gesamten Gruppe die Frage, wie man da wohl durchgekommen ist.

Im Abstieg wieder zurück bei der kleinen Scharte (wie oben erwähnt) unterhalb des NO-Gipfels geht's auf der Westseite hinab ins Kar. Erst eine sehr schuttige Rinne abwärts, in weiterer Abfolge, bei einem Steilabbruch, sind in nördlicher Richtung noch einige abschüssige Schuttterrassen zu queren. Dann bei der nächsten Möglichkeit, am oberen Ende des Schuttstromes, welcher direkt ins Kar führt, auf endlosen Geröllmassen ins Rudigkar (Schneeauflage erscheint hier vorteilhaft).

Es ergibt sich bei Bedarf noch die Möglichkeit an der nächst günstigsten Stelle zum Vorgipfel des NO-Gipfels mit Markierungsstange anzusteigen um von dort direkt an der Gratkante zum Rudigjoch abzusteigen (T5-/I-II). Spannender, als einfach nur ins Kar. Vom Rudigjoch weiter in logischer Linie am einfachen Grat zur Engelspitze und von dort aus auf markierten Steig zum Parkplatz bei Namlos, wo sich die Runde schließt.

Schwierigkeiten:

Anstieg zur Hirtenhütte: T2 (nicht markiert; 2 Stunden).
Weiter zum Südwestgipfel: T5/I-II (Gipfelanstieg I; 1 1/2 Stunde).
Verbindungsgrat zum Rudiger NO-Gipfel mit Hauptgipfel: T6/II+ (sehr instabiles, ernstes Felsgelände; Anstieg Hauptgipfel zudem sehr ausgesetzt; 2 1/2 Stunden).
Abstieg ins Rudigkar: T5+/II (1 Stunde).
Über Engelspitze nach Namlos: T2 (problemlos; 2 1/2 Stunden).

Fazit:

Sehr schöne Tour, das Felsgelände ist abweisend und eindrucksvoll zugleich, eine wahre Freude sich dort den Weg zu bahnen zumal alle Gipfel mit mehr oder weniger großem Aufwand erreichbar sind. Durch die Einsamkeit kommt fast Erstbegeherstimmung auf - in den Gipfelbüchern befinden sich pro Jahr nur wenige Einträge. Über viele Stunden ist in hohem Maße Konzentration gefragt in fast durchgehend ernstem Gelände. Obwohl ich gerne den Steinschlaghelm vergesse, so erscheint er hier tatsächlich sinnvoll
.

Anmerkungen:

Als gute Wegbeschreibung diente mir der *Bericht von 83_Stefan.

Die Berichtfotos sind, da ich die Tour mehrmals gemacht habe, nicht chronologisch sortiert, entsprechen aber dem Wegverlauf.

Tourengänger: Daniel87


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Kommentare (12)


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Andy84 hat gesagt:
Gesendet am 10. August 2020 um 20:44
Schöne Tour.
waren nach uns noch weitere Einträge dieses Jahr?
VG Andy

Daniel87 hat gesagt: RE:
Gesendet am 10. August 2020 um 21:44
Danke, in den beiden GB's war zwischen meinen zwei Einträgen nur ein weiterer, irgendwann Ende Juni oder so...warst du das etwa? ... das wär' ja lustig ;-)

VG Daniel

Andy84 hat gesagt: RE:
Gesendet am 10. August 2020 um 21:46
Hey,
Ja wir waren am 24.6 oben.
Eine sehr schöne Überschreitung mit teilweise richtig netter Kletterei.

Daniel87 hat gesagt: RE:
Gesendet am 10. August 2020 um 21:51
Sicher habt's ihr dann auch gleich noch den heftigen Nordgrat mitgenommen, is ja für dich kein Problem?! :-)

Andy84 hat gesagt: RE:
Gesendet am 10. August 2020 um 21:53
Ne sind au die Rinne runter.
Wir waren diesen Winter au dort oben unterwegs :-)

Daniel87 hat gesagt: RE:
Gesendet am 10. August 2020 um 21:58
Im Winter wär's mir glaub zu heftig ;-) ... schon so im Sommer war ich voll gefordert ;-)

Nic hat gesagt:
Gesendet am 10. August 2020 um 20:50
Top Tour. Schön mal wieder was von dir zu lesen. Übern kleinen Wanner würde ich auch gern was lesen ;)

VG Nico

Daniel87 hat gesagt: RE:
Gesendet am 10. August 2020 um 21:53
Danke dir! Der Kleine Wanner kommt sicher noch ;-) ... habe übrigens bula_f kürzlich getroffen, den kannte ich noch gar nicht ;-) ... lass mal die nächsten Wochen, wenn's nicht gar so heiß is mal wieder was machen ;-)

VG Daniel

sven86 hat gesagt:
Gesendet am 11. August 2020 um 10:46
Hallo Daniel,
Schön mal wieder von Dir zu lesen.
VG Sven

Daniel87 hat gesagt: RE:
Gesendet am 12. August 2020 um 17:33
Danke, nix berichtenswertes dabei gewesen die letzten Monate ;-) aber die Tour war dann doch so lohnend, dass ich der Meinung war, sie müsste gleich nochmal preisgegeben werden ;-)

VG Daniel

Nyn hat gesagt:
Gesendet am 11. August 2020 um 12:15
Gratulation
Auch die Rudiger-Ü steht noch auf meiner "Wanted"
VG, Nyn

Daniel87 hat gesagt: RE:
Gesendet am 12. August 2020 um 17:36
Besten Dank! Bisher wohl mit die interessanteste Lechtaler Tour ;-)

VG Daniel


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