Brantlspitze (2626 m) - Überschreitung zur Hochkanzel


Publiziert von 83_Stefan , 4. Oktober 2012 um 20:33.

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Karwendel
Tour Datum: 3 Oktober 2012
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Mountainbike Schwierigkeit: WS - Gut fahrbar
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 12:00
Aufstieg: 2150 m
Abstieg: 2150 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Von deutscher Seite über die B 2 beziehungsweise von österreichischer Seite via B 177 in Richtung Staatsgrenze; parken entweder in Scharnitz (kostenpflichtig, bis 6 Euro) oder noch auf deutscher Seite (kostenfreier, kleiner Parkplatz).
Unterkunftmöglichkeiten:Hallerangerhaus (1768 m, DAV Sektion Schwaben); Hallerangeralm (1774 m, privat).
Kartennummer:AV-Karte 5/1 - Karwendelgebirge Westliches Blatt und AV-Karte 5/2 - Karwendelgebirge Mittleres Blatt.

Genau dort, wo sich Fuchs und Hase "Gute Nacht" sagen, erhebt sich die mächtige Brantlspitze - tief im Inneren des Karwendels und weit ab vom Schuss. Sie bildet den höchsten Punkt des Kamms, der das weltentfremdete Rossloch im Süden begrenzt und an der Hochkanzel nach Norden umbiegt, um an der Grubenkarspitze an den Hauptkamm anzuschließen. Brantlspitze und Hochkanzel gehören wohl zum Einsamsten, was das Karwendel zu bieten hat - alleine mit der Abgeschiedenheit ist das allerdings nicht zu erklären, denn das Hallerangerhaus ist ein günstiger Stützpunkt. Vielmehr stellt die Besteigung durchaus hohe Ansprüche an den Herausforderer... umso schöner, wenn man beide Zinnen im Rahmen einer Tour erreichen kann! Dass quasi im Vorübergehen auch noch die unbedeutende Gamskarspitze erreicht wird, ist da nur eine kleine Randnotiz.

Start in Scharnitz. Mit dem Radl geht's das Isartal aufwärts. Bis zur Kastenalm geht das auch bequem, denn die Forststraße ist gut und nie steil. Dann wird's allerdings happig: Gnadenlos steil zieht eine Rampe hinauf in Richtung Hallerangerhaus. Nach langer, steiler Steigung wird's etwas flacher, Bikegenuss kommt aber wegen des schlechten Untergrunds auch hier nicht auf. Nochmal etwas steiler hinauf in den Kohlerboden und nach links auf schlechtem Fahrweg hinauf zur Hallerangeralm. Dort ist endlich das Radldepot erreicht (wer mag, kann sein Radl auch vor der großen Steigung an der Kastenalm abstellen, wo sich der "Radlparkplatz" des Hallerangerhauses befindet; Rest dann zu Fuß, ohne das Radl bergauf schieben zu müssen).

Direkt von der Alm nach Nordosten den latschendurchsetzten Hang hinauf zu einem grünen Rücken; gute Latschengassen ermöglichen einen bequemen Durchschlupf durch die Latschenzone. Auf dem Rücken bergan in Richtung Grat; ab und zu findet man Steinmanndl und verblasste rote Punkte. Unter der Grathöhe wird einige Zeit nach rechts gequert und an einem Schartl erreicht man durch eine Rinne den Kamm. Am Grat und in Gratnähe auf der Südseite geht's zum Gipfel der Gamskarspitze (Gipfelbuch), die über eine Rinne erreicht wird.

Der weitere Grat zur Brantlspitze beeindruckt durch seine Ausgesetztheit: Scheinbar messerscharf zieht er sich - begrenzt von steilen Flanken - hinüber zum bereits gut sichtbaren Gipfelsteinmann. Zumindest die Routenwahl ist offensichtlich - am Grat entlang! Die Kletterei ist nirgends besonders schwierig (einige Stellen II), aber natürlich exponiert; oft hat's auch "Gehgelände". Eine Graterhebung (die vorletzte vor Erreichen der Brantlspitze) wird günsigerweise in der steilen Nordflanke umgangen. Der zweite Gratabschnitt ist relativ brüchig. Achtung: Entgegen der Beschreibung im AV-Führer hat man in der brüchigen Südflanke nichts verloren! Der Gipfel der Brantlspitze ist erstaunlich geräumig und nicht ausgesetzt - ein schöner Rastplatz mit phantastischem Rundblick auf die umliegenden bleichen Karwendelberge! Im großen Gipfelsteinmann lagert eine Metallbox mit Gipfelbuch, die Uwe und ADI im letzten September dort deponiert haben - seitdem drei Eintragungen.

Der Weiterweg zur Hochkanzel schaut genauso abschreckend aus, wie der bisherige Gratverlauf; das Ziel ist bereits zu erkennen. Auf geht's, weiter am Grat! Zunächst etwas weniger ausgesetzt als bisher hinunter auf eine Zwischenerhebung. Der Abstieg von dort in die tief eingeschnittene Scharte ist die Schlüsselstelle des Übergangs: Recht brüchig, steil und schottrig geht's ausgesetzt am Grat oder in Gratnähe abwärts (bis II). Die steile Erhebung im Grat unmittelbar vor Erreichen der Scharte wird südseitig durch Steilschrofen umgangen; danach sofort auf den Kamm zurück, wo die Scharte zwischen Brantlspitze und Hochkanzel erreicht wird.

Von der Scharte stets am plattigen Grat - kurzes Ausweichen in die steilen Flanken möglich - in wieder relativ gutem Fels hinauf zum recht gemütlichen Gipfel der Hochkanzel (bis II). Man könnte ewig hier verweilen, wenn der lange Rückweg zurück über den Grat nicht wäre. Auch die Hochkanzel hat nun ein Gipfelbuch (in einer Metallbox), das Uwe mitgebracht hat. Es wartet auf Eintragungen; allzu viele werden's wohl nicht werden. Wegen des langen, anspruchsvollen Rückwegs sollte man aber nicht zu viel Zeit auf diesem schönen Aussichtsgipfel vertrödeln, so schwer es auch fällt.

Über den langen Grat geht es via Brantlspitze zurück zur Gamskarspitze. Dort wird endlich einfacheres Gelände erreicht. Wieder auf dem Anstiegsweg hinunter zur Hallerangeralm, wobei man sich nicht von einem falschen Steinmann verleiten lassen sollte, zu früh den Grat zu verlassen: Erst bei einem großen Steinmann in einer kleinen Einschartung geht's nach Süden hinunter in eine Seitengratscharte, wo ein Steinmann von der Richtigkeit der Route zeugt.

Die Radlabfahrt bis zur Kastenalm ist in erster Linie harte Arbeit (vor allem für die Bremsen); danach kommt die genussvolle, lange Strecke durchs Isartal zurück nach Scharnitz. Die Gegensteigung an der Gleirschhöhe fordert nochmal den Einsatz der Muskeln.

Schwierigkeiten:
Radlauffahrt zur Kastenalm: L.
Weiter zur Hallerangeralm: WS (sehr steil, grober Belag; alternativ zu Fuß T1).
Anstieg zur Gamskarspitze: T4, I+ (nur eine kurze Stelle, die man auch südseitig umgehen kann).
Gratübergang zur Brantlspitze: T6, II (ausgesetzt, im zweiten Abschnitt brüchig).
Abstieg von der Brantlspitze zur Scharte P. 2489: T6, II (ausgesetzt, brüchig, schottrig).
Gipfelanstieg zur Hochkanzel: T6, II (ausgesetzt).

Fazit:
Eine tolle 5*-Tour für unerschrockene Karwendelnarrische, auf der man garantiert seine Ruhe hat. Die Radlauffahrt von der Kastenalm zur Hallerangeralm ist ein echter Schinder, die Abfahrt wenig genussreich. Zu beachten bei dieser anspruchsvollen Tour ist, dass man sich stundenlang in T6-Gelände mit vielen Gegenanstiegen bewegt, das keinen Fehler toleriert; die Konzentration muss unbedingt hochgehalten werden. Aus der Scharte P. 2489 besteht im Frühsommer eine günstige Abstiegsmöglichkeit über eine steile Rinne ins Rossloch; möchte man sie nutzen, sollte man sein Fahrrad allerdings an der Kastenalm parken.

Mit auf Tour: Uwe.

Kategorien: Karwendel, bike and hike, 5*-Tour, 2600er, T6.

Tourengänger: 83_Stefan


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Kommentare (13)


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kardirk hat gesagt:
Gesendet am 4. Oktober 2012 um 22:31
Klasse,
Gratulation zu dieser großartigen ganz schön langen Tour. Respekt vor eurer Kondition, zumal die Anfahrt zum Hallanger ab der Kastenalm ganz schön zapfig ist. Ich plane schon lange die Tour vom Rossloch aus als Übergang zum Hallanger, jetzt denke ich, das sie für mich möglich sein dürfte. Erstbegeher war übrigens natürlich H.v.Barth genau in dieser Richtung, habe grad vor ein paar Tagen seinen Bericht darüber gelesen.
Super das es jetzt auch zwei Gipfelbücher gibt. Echt Klasse.

Vg
Dirk

VG
Dirk

83_Stefan hat gesagt: RE:
Gesendet am 5. Oktober 2012 um 07:40
Hallo Dirk, die Radlauffahrt war wirklich das Schlimmste an der Tour (beziehungsweise das Schieben nach oben). Ich bin mir übrigens ziemlich sicher, dass die Tour für dich gut machbar ist - du warst ja schon auf Hochkanzel, Oberreintalschrofen & Co.
Die Sache mit der Erstbesteigung ist seltsam: In meinem AV-Führer ist zwar die Erstersteigung der Hochkanzel durch H. von Bart 1870 dokumentiert, für die Brantlspitze wird allerdings J. Pock (1879) angegeben, angeblich über den Grat von der Gamskarspitze; anscheinend ist er dann noch zur Hochkanzel weitergegangen... aber ich kann mir kaum vorstellen, dass Hermann von Barth auf der Hochkanzel stand und nicht hinüber zur Brantlspitze gestiegen ist. Seltsam!

kardirk hat gesagt: RE:
Gesendet am 5. Oktober 2012 um 09:15
Also Pock war der erste, der in eurer Richtung den Grat gemacht hat. Barth ist aber definitiv der Erstersteiger von Hochkanzel und Brantlspitze, am 18.8.1870, er erstieg dabei an einem Tag Roßlochspitze über den W-Grat, Hochkanezel über den Schluchtweg und machte dann abschließend den Gratübergang zur Brantl und Gamskarspitze mit Abstieg zum Hallanger.
Und das alles ohne Wegbeschreibung, Google Earth und Karten. Ein wuider Hund.

VG
Dirk

Koasakrax hat gesagt:
Gesendet am 5. Oktober 2012 um 14:01
Grias die Steff,
gratuliere, a saubere Tour hast da hingelegt.
Respekt

Andy

83_Stefan hat gesagt: RE:
Gesendet am 5. Oktober 2012 um 14:49
Seawas Andy, vielen Dank! Grüße vom Kochelsee!

ADI hat gesagt:
Gesendet am 5. Oktober 2012 um 21:07
***** TOUR, Grandioso!!!!!
Besser geht's nicht!!!!!!!!!!!!!

VLG vom ADI

Chris90 hat gesagt:
Gesendet am 12. Dezember 2012 um 19:17
Sevus Stefan,
eine unglaubliche Tour hast da gmacht!! Grandiose Bilder noch dazu. Bloß habe ich jetzt ne Frage: Ist die Gamskarlspitze 2513 m ?? Im AV Führer stehen 2513 m und 2601 m. Und wie heißt dann der Punkt 2601 m??

Bin schon auf deine Antwort gespannt!!

LG Christian


83_Stefan hat gesagt: RE:
Gesendet am 12. Dezember 2012 um 19:34
Hallo Christian! Danke! Ich denke, das ist eine Glaubensfrage, denn jede Karte bzw. der AV-Führer sieht das jeweils anders. Da gibt's dann je nach Quelle auch noch eine Überschallspitze.

Ich bin mir jedenfalls ziemlich sicher, dass es sich beim P. 2601 um den Gipfel handelt, an dem das Gipfelbuch "Gamskarspitze" deponiert ist - von dort sind es bestimmt nicht noch über 100 Höhenmeter zur Brantlspitze! Je nach Quelle müsste dann da halt stattdessen im Buch "Überschallspitze" stehen... wie man's macht ist's halt verkehrt ;-) ! Die AV-Karte sieht die Gamskarspitze übrigens als P. 2513.

Lange Rede, kurzer Sinn: Benenne es, wie du willst - die Literatur ist sich nicht einig. Aber auf P. 2601 liegt das Gipfelbuch "Gamskarspitze" aus.

Beste Grüße vom tief verschneiten Kochelsee!

Chris90 hat gesagt: RE:
Gesendet am 12. Dezember 2012 um 20:56
Da sage ich mal recht herzlich DANKE für deine schnelle und ausfühliche Antwort!!

Die Gamskarspitze steht auch schon länger auf meiner Wunschliste.

Bis zum Gipfelbuch "Gamskarspitze" komme ich allemal. Der Rest (Hammergrat zur Brantlspitze;-)) dürfte aber eher nix für mich sein... im nächsten Jahr oder so dann...

LG Christian

Luidger hat gesagt: Höhe der Gamskarlspitze
Gesendet am 10. Juli 2014 um 21:52
Stefan,

ich habe einen Aritkel Gamskarspitze auf Wikipedia angelegt:

https://de.wikipedia.org/wiki/Gamskarspitze

Die Höhenangabe von 2513 m hat jemand nach der amtlichen Karte auf 2601 m berichtigt. Im AV-Führer und hier steht 2513 m. Im Vergleich zur Höhe der Brantlspitze erscheint mit jetzt 2601 m plausibler, auch wenn ich mir meiner Bilder von der Speckkarspitze anschaue. Was meinst du, da du ja auf der höheren Brantlspitze warst?

Gruß Luidger

83_Stefan hat gesagt: RE:Höhe der Gamskarlspitze
Gesendet am 10. Juli 2014 um 21:59
Hallo Luidger,

ich stimme dir voll und ganz zu - der Gipfel, auf dem das Gipfelbuch "Gamskarspitze" zu finden war, war nicht viel niedriger als die Brantlspitze. Ich denke daher, dass die Angabe 2601 m besser passt.
Vielen Dank übrigens für deinen Wikipedia-Eintrag - ich erfreue mich immer wieder aufs Neue an gut gemachten Artikeln.

Viele Grüße
Stefan

83_Stefan hat gesagt: RE:Höhe der Gamskarlspitze
Gesendet am 10. Juli 2014 um 22:06
Nachtrag: In meiner alten Karwendelkarte des damaligen Bayerischen Landesvermessungsamts ist die Gamskarspitze mit 2601 m eingetragen.

Luidger hat gesagt: RE:Höhe der Gamskarlspitze
Gesendet am 13. Juli 2014 um 11:12
Anhand der Bilder ist mir auch aufgefallen, dass das nicht stimmen kann. Auf der AV-Karte müsste der Gipfel dort sein, wo der Punkt 2.601 m eingezeichnet ist. Die Höhe 2.513 m ist wahrscheinlich der Punkt, auf dem der von Süden ansteigende Rücken den Grat westlich des Gipfels berührt.

Wenn ein Gipfel noch keinen Wikipedia-Artikel hat, mache ich meist einen, wenn ich den Gipfel bestiegen habe. Aber im Karwendle ist die Abdeckung auf Wikipedia ja sowieso schon ziemlich gut, deutlich besser als in anderen Gebirgsgruppen.

Luidger


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