Nationalpark Bike Marathon 2012


Publiziert von Bombo , 28. August 2012 um 22:04.

Region: Welt » Schweiz » Graubünden » Unterengadin
Tour Datum:25 August 2012
Mountainbike Schwierigkeit: WS - Gut fahrbar
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-GR   I 
Zeitbedarf: 6:30
Aufstieg: 2900 m
Abstieg: 3300 m
Strecke:siehe GPS-Datei
Zufahrt zum Ausgangspunkt:mit PW oder ÖV nach Scuol
Unterkunftmöglichkeiten:Camping Gurlaina in Scuol

Nationalpark Bike Marathon (NBM) 2012 - Jauer Strecke - 104km / 2900hm


Die Idee zur Teilnahme am NBM 2012 entstand sehr spontan - mein Kollege Reto und ich wollten ein Bike-Weekend im Engadin verbringen und als er mich irgendwann im Frühsommer fragte, ob wir nicht gleich am Rennen teilnehmen wollen, sagte ich einfach mal, "unwissend" was auf mich zukommt, zu.

Damals sah ich dem ganzen noch sorgenfrei entgegen, je näher aber das Renndatum rückte, desto mehr spürte ich eine innerliche Nervosität und den Drang, vielleicht im Vorfeld doch noch den einen oder anderen Höhenmeter abzuspuhlen. Oberste Priorität sollte jedoch immer die Freude bleiben, sei dies im Training oder dann natürlich auch am Rennen. Nicht das zu erreichende Resultat ist entscheidend, sondern die Freude am Mitmachen und das Erlebnis überhaupt. Etwas übrigens, was ich bei einigen Hikrs je länger desto mehr vermisse - nur noch Zahlen und Gipfelnamen zählen - das Drumherum, die Natur, Eindrücke, Kleinigkeiten, welche aber Grosses darstellen, kommen immer mehr in Vergessenheit.

Da am Freitag, dem Tag vor dem Rennen, Startnummer-Ausgabe sowie Fahrerbriefing war, reisten wir ohne Zeitdruck am Nachmittag nach Scuol, richteten unser Nachtlager auf dem Campingplatz ein und begaben uns zum Event-Gelände, wo es die besagte Startnummer, diverse Informationen und natürlich zahlreiche Aussteller und Attraktionen gab. Obwohl das ganze ziemlich entspannt daher kam, spürte wohl jeder eine gewisse Nervosität in sich - das gehört einfach dazu und motiviert auf jeden Fall zu neuen Höchstleistungen.

Da es unser erstes Bike-Rennen war und wir unseren genauen Fitness-Stand zu wenig kannten, entschieden wir uns bereits im Vorfeld für die Teilnahme an der "Jauer-Strecke". Es gibt insgesamt 4 verschiedene Strecken, wobei die "Vallader-Strecke" mit 138km und 4010hm die Königsdisziplin und unsere "Jauer-Strecke" mit 104km und 2870hm die zweitlängste Variante ist. Entsprechend wurden wir am frühen Samstag Morgen um 06.00 Uhr von Scuol mit dem vom Verantstalter organisierten Postauto-Shuttle ins Val Müstair zu unserem Startort nach Fuldera 1638m gefahren. 

Die Elite starteten wie wir um 7.15 Uhr - diese jedoch in Scuol, wo auch das Rennen wieder zu Ende ist, und wir in Fuldera, was bedeutet, dass diese uns irgendwann vermutlich im Schnellzugstempo einholen werden. Während in den ersten Kilometer das Feld mehr oder weniger noch zusammen war, zog sich dieses im Val Vau immer mehr auseinander und spätestens auf der ersten Passhöhe bei Döss Radond sah ich auch meinen Teamkollegen nicht mehr. 

Es folgte die fantastische Abfahrt durch das Val Mora und über den gleichnamigen Passo Val Mora 1934m und wieder hoch zum Passo di Fraéle am Ufer des Lago di San Giacomo di Fraéle. Wie die meisten musste auch ich irgendwann einmal austreten, was dann wiederum den Vorteil hatte, dass ich Blickkontakt zu meinem Teamkollegen aufnehmen konnte. Dieser hatte jedoch das selbe Bedürfnis, weshalb ich durch das Valle Alpisella sowie auch die weiteren Etappen alleine bestreiten musste. 

Hat man den Passo di Valle Alpisella erreicht, folgt eine erneut prächtige Abfahrt hinunter nach Livigno am Ufer des gleichnamigen Lago di Livigno. Nun hiess in die diversen Kameras zu lächeln und die zur Verfügung gestellten Getränke und Esswaren zu sich zu nehmen, denn ab jetzt geht der Murx erst richtig los: der Aufstieg durch das zahme Valle di Federia und den kräfteraubenden Pass Chaschauna (man lese das einmal auf Mundart laut vor: "Chasch au na!" Ha! Denkste, "chasch überaupt nüm" oder besser gesagt "Chaschnixmehr" müsste dieser Teufelsweg heissen!!!). 

Für mich - und sicherlich für die meisten anderen auch - ganz klar die nerventötenste Etappe und auch wenn man infolge Vorbereitung weiss, was auf einem da zukommt. Dieser Pass nimmt einem tatsächlich so alles, was man in diesem Augenblick gerade noch zur Verfügung hat. Ich behaupte aber, dass mein Höhentraining im Wallis ein paar Tage zuvor nicht unnütz war und ich so eher schnelleren Gangartes den Pass "erklimmen" konnte. Richtig gelesen, es wurde gegangen und nicht gefahren - der steile, rutschige Bergweg liess schlichtwegs keine Pedalenumdrehungen mehr zu. Fast keine. Denn von weitem rückte nun die Elite heran und als ich just um 11.00 den Pass Chaschauna 2210m erreichte, hörte ich von weit her, dass die Schnellzüge heranrauschten - wohlgemerkt, diese fahren nicht nur den gesamten Aufstieg, diese bringen dann auch noch ein Tempo mit, bei welchem man einfach nur noch staunen und den Hut zücken kann. Respekt!

Der Trail hinunter ins Val Chaschauna macht unglaublich viel Spass - hätte ich nicht im Talboden einen Plattfuss eingefangen. Meine Dichtungsmilch spritze an meinen Allerwertesten und ich hoffte einfach nur, dass das Loch im Reifen nicht all zu gross ist, sodass eben besagte Flüssigkeit dieses von alleine schliesst und ich keinen Pneuwechsel durchführen musste. Natürlich entwich immer mehr Luft, sodass ich zwar keinen Pneu einsetze, dafür aber kräftig die Pumpe drucken müsste. Dies war dann auch der Moment, wo Lukas Buchli - der diesjährige Gewinner des NBM - an mir vorbei zog und hätte es vom Temporausch Staub aufgewirbelt, ich hätte tonnenweise davon abgekriegt. Die Hoffnung, dass mein Teampartner wieder zu mir aufschloss, musste ich erneut aufgeben, weit und breit kein "Sackschüttler" (so unser Teamname...), weshalb   ich die Abfahrt (und die unzähligen kleinen Gegenanstiege) nach Zernez ebenfalls alleine bestreiten musste.

Die Weiterfahrt nach Susch und Lavin war dann eher wieder "gemütlich". Die Kraftreserven waren eigentlich schon längst aufgebraucht, aber das Wissen, was noch bevorstand, ermutigte zu neuen Lebensgeister und man staune, ab Lavin gab's dann endlich auch mal einen "Wingsman" - zwar nicht meinen eigenen, dafür aber einen guten, gesprächigen Bergfahrer, sodass wir uns gegenseitig unterstützen konnten. 

Zusammen passierten wir die zahlreich läutenden Kuhglocken-Zuschauer bei Guarda, winkten hinunter nach Ardez und mühten uns hoch nach Ftan. Nun lag Scuol, unser Ziel, in Blick- und Griffnähe, wäre da kurz vor der letzten Abfahrt nicht nochmals so ein fieser, kleiner Gegenanstieg in die Strecke eingebaut. Hier konnten wir beide aber nochmals die Reserven mobilisieren und trotz Warnsignalen auf Schildern und Sicherheitsleuten auf's Gaspedal drücken.

Wenn ich nun etwas wollte, dann ganz klar dieses Duell für mich entscheiden. Also schaltete ich in den höchsten Gang, drückte mit allem was ich hatte die Pedalen, stürzte infolge zu wenig gepumptem Reifen beinahe kurz vor der Ziellinie und konnte mit einem kleinen Sprung über die Holzrampe mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit (Chaschauna-Pass-Schieben inklusive) von 15,746km/h nach exakt 6h 36min 16sek die Ziellinie als 34. von 64 Altersklasse-Kategorie-Fahrer bzw. als 113. von 232 "Jauer"-Fahrer hinter mir lassen. Geschlagene 16 Sekunden konnte ich meinem "Verbündeten" abnehmen und als er mir nach gegenseitigen Gratulationen gestand, dass er nie gedacht hätte, dass ich noch derart in die Pedalen drücken konnte, mussten wir beide schmunzeln. Das mentale - oder waren es doch noch die letzten verfügbaren physischen Reserven? - hat gesiegt.

Gesiegt haben aber sowieso alle, welche die Ziellinie überfahren konnten - egal, ob als Erst- oder Letztplatzierte. Wer ein solches Rennen bestreitet fährt ganz klar näher am Limit, weckt einmal mehr als sonst die verborgenen Reserven und muss mit Momenten rechnen, wo man ausserhalb des Rennens vermutlich eine längere Pause einschalten würde, was in einem solchen Renn-Moment einfach nicht geht. Persönlich freute ich mich für jede und jeden, welche(r) ins Zielgelände fuhr - die Emotionen welche hochsteigen, wenn man den eigenen Namen durch die Speaker-Lautsprecher sowie die jubelnden Zuschauer hört, sind einmalig und lassen innert Kürze die Strapazen der vergangenen Stunden vergessen. Gefreut habe ich mich auch über meinen Teamkollegen, welcher als 47. bzw. 159. mit einer Zeit von 7h 02min 36sek das Ziel erreichte - bravo Reto!

Profi-MTB-Fahrer Lukas Buchli, welcher bekanntlich die Königsdisziplin mit 138km und 4010hm bestritt, erreichte übrigens das Ziel nach 5h 34min 28sek und dies mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 24,755km/h. Sternefoivi, der war fast 10km/h bzw. über 1h schneller als ich und dies trotz zusätzlichen 34km und 1140hm - Gratulation und ganz grossen Respekt!

Den Sonntag Morgen, dem Tag nach dem Rennen, genossen wir dann im Thermalbad Scuol, bevor es dann wieder nach Hause ging. "Dummerweise" zog bei schönstem Wetter eine satte Brise über den Zugersee, sodass ich meine strapazierten Beine direkt auf's Windsurfbrett hinaufquälte und so die Erholungsphase definitiv verschieben musste... Ein fantastisches Sportwochenende neigte sich dem Ende entgegen, bei dem wie eingangs erwähnt trotz Zeiten und Geschwindigkeiten ganz klar das Mitmachen und das Erlebte zählte. Ich glaube, NBM 2013, wir kommen wieder...


Fazit: 

Die gesamte Strecke kann auch ausserhalb des Rennwochenende gefahren werden. Am besten mit Start und Ziel in Scuol und dann immer der Bike-Beschilderung Nr. 444 nach. Informationen über Zwischenübernachtungen oder Streckendetails findet man im Internet. Die Strecke ist nicht nur aus sportlicher Sicht sehr spannend, sondern bietet einen fantastischen Einblick in die diversen Naturregionen rund um den Nationalpark. Es lohnt sich, garantiert!


Technische Daten: 

Auf- / Abstieg: 2870 / ???hm (eigener Tacho: 3153 / 3511hm)
Max. Höhe 1794m
Total Distanz:104km
Total reine Fahrzeit: 6h 36min 16sek
Durchschnittstempo: 15.746 km/h

Asphalt: 5.3km (5%)
Radweg: 2.6km (2.5%)
Schotter: 80.5km (77.5%)
Wanderweg: 5.4km (5.2%)
Singletrail: 8.8km (8.4%)
Schieben: 1.2km (1.2%)

Genaue Details siehe GPS-Track.


Teamfahrer: Reto M.

Tourengänger: Bombo


Minimap
0Km
Klicke um zu zeichnen. Klicke auf den letzten Punkt um das Zeichnen zu beenden

Galerie


In einem neuen Fenster öffnen · Im gleichen Fenster öffnen


Kommentare (7)


Kommentar hinzufügen

Runner hat gesagt: Bravo!
Gesendet am 28. August 2012 um 22:24
Tolle Leistung! Die Strecke kenne ich. Hab' sie allerdings in vier Etappen (Transport-Service Engadin Tourismus) gemacht. Eine sehr anspruchsvolle Strecke so am Stück! ICH hatte auch Schiebepassagen mangels fahrtechnischen Können...

Bombo hat gesagt: RE:Bravo!
Gesendet am 28. August 2012 um 22:28
Danke Dir, habe im Übrigen Dein Bericht im Vorfeld genaustens studiert und mir alle Fotos eingeprägt :-) Vorkenntnisse können nie schaden :-)

Gruess

Runner hat gesagt: RE:Bravo!
Gesendet am 28. August 2012 um 22:31
ach so - ja schön, wenn der noch halbwegs brauchbar war :-) Der Bike-Marathon muss ja knallhart sein. Wünsche Dir jedenfalls gute Erholung

Freeman hat gesagt: Gratulation
Gesendet am 29. August 2012 um 00:18
Hallo Bombo

Gratulation zu dieser super Leistung!

Gruss Päde

Linard03 hat gesagt:
Gesendet am 29. August 2012 um 05:27
Gratulation zu Deiner Leistung! Ich war in früheren Jahren bei den ersten beiden Austragungen dabei ... - allerdings nur auf der kürzesten Variante (S-Chanf - Scuol).
Bereits diese Strecke hat mir damals gereicht ... Und der berüchtigte Chaschauna-Pass galt eigentlich als "unfahrbar" ...

Landschaftlich ist dieses MB-Rennen wohl eines der Schönsten, welche es gibt!
Gruess

joe hat gesagt:
Gesendet am 29. August 2012 um 12:30
Gratuliere zur vollbrachten Leistung.

Jetzt verstehe ich Deine Vielzahl an MTB-Einträge.

Gruss. joe

Bombo hat gesagt:
Gesendet am 29. August 2012 um 21:33
Danke Euch für die Rückmeldungen. Wie gesagt, das war ja noch nicht die "Königsdisziplin" - diese folgt je nach Trainingsstand im nächsten Jahr :-)

Good hike'n bike!



Kommentar hinzufügen»