Selbhorn und Wildalmrotenkopf -- "Seltsam, im Nebel zu wandern"


Publiziert von Wagemut , 7. August 2012 um 14:44.

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Berchtesgadener Alpen
Tour Datum:22 Juni 2012
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 2 Tage
Aufstieg: 3300 m
Abstieg: 2000 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Parkplatz Rohrmoos oberhalb Maria Alm
Kartennummer:AV-Karte 10/1 Steinernes Meer; AV-Karte 9 Loferer u. Leoganger Steinberge

1. Tag

Am Parkplatz Rohrmoos oberhalb von Maria Alm ging es um 9:30 Uhr los. Deshalb so spät, da ich mein Proviant in der Pension vergessen hatte. Zunächst ging es auf bezeichnetem Wege zur Lechneralm und weiter zum Braggstein (1825 m). An der Verzweigung nach dem Rötenegg (1947 m) schlug ich den linken Weg Richtung Lugscharte ein. Zu diesem Zeitpunkt war es noch verhältnismäßig unnebelig, etwa 300 m Sichtweite. Nach etwa 10 min führt der Weg ganz nah an den Fuß (ca. 2200 m) der Selbhornsüdwand heran.

Hier ist der Einstieg für den "Südwestwandklettersteig" (400 hm bis zum Selbhornsüdgipfel), wobei es sich eher um alpines Gelände mit wenigen versicherten Stellen handelt. Es gibt die sog. Keilpromenade und gleich danach den Herzogkamin, die beide drahtseilversichert bzw. mit künstlichen Tritten ausgestattet sind.
Die Route ist ausführlich in älteren AV-Führern (z.B. M. Zeller/ H. Schöner, Berchtesgadener Alpen, 15. Auflage, München 1982/ 1986) beschrieben, oder kann in Thomas Ottos Tourenbuch Münchner Bergtouren, 46 Felstouren im II. Grad zwischen Salzburg und Oberstdorf, München 2012, nachgelesen werden. Die Route war sehr schön zu gehen. Eigentlich kommen keine Zweifel über deren Verlauf auf, da sie in regelmäßigen Abständen immer wieder mit leicht verblassten, roten Farbpunkten markiert ist. So kam ich also am Südgipfel (2643 m) heraus.

Jetzt wurde der Nebel schon dichter, nur ab und zu riss er auf der Hochfläche des Steinernen Meeres etwas auf. Sichtweite etwa 50 m - diffuse Stimmung, wie in einer anderen Welt, völlige Stille.
Es ging weiter zum Nordgipfel (2655 m) des Selbhorns, welcher wohlgemerkt der höchste Punkt des Steinernen Meeres ist, nicht, wie das Seemannsgarn erzählt, die Schönfeldspitze. Auf dem Weg dorthin kommt eine kurze Kletterstelle, die aber durch ein fest installiertes Seil ausreichend entschärft ist. Auf dem Nordgipfel steht ein neues Gipfelkreuz.  Bei meinem letzten Besuch war dort nur eine Holzstange.

Jetzt ging es an den interssantesten Teil der Tour! Wie oft wird wohl jemand über den Selbhorngrat zur Hochbrunnsulzen abgestiegen sein? Derweil ist es eine Traumtour für trittsichere Bergsteiger ohne Angst vor leicht brüchigem Gestein. Im Wesentlichen kraxelte ich (I.-II.) auf Höhe des Grates entlang, teilweise etwas rechts östlich umgehend, bis zum Endpunkt des Grates (2537 m), der von einem aus Rohren zusammengeschweißten Gipfelkreuz geschmückt ist. Der erste Eintrag im Buch stammt aus dem Jahr 1979! An einem Tag mit etwas besserer Sicht wäre es natürlich noch viel schöner gewesen. Trotzdem war ich sehr euphorisch!

Nun kletterte ich noch ein Stück geradeaus (Norden), weiter und stieg dann auf ein Schuttband nach links ab, welches parallel zum Grat verläuft und dann leicht nach rechts abbiegt. Hier vom Band einen kurzen Kamin (ca. 3 m, II.) absteigen und dann auf den letzten Ausläufern des Grates zur Hochbrunnsulzen (2356 m) hinunter.

Von dort geht es direkt nördlich weiter, unschwierig und wunderschön über den Brunnsulzengrat zur Niederbrunnsulzen (2369 m). Auf diesem "Gratl" hat man normalerweise ein grandiose Sicht auf das östliche und westliche Steinerne Meer! Von dort stieg ich ein gutes Stück östlich, etwa 60 hm, auf dem Weg Richtung Wasseralm ab. Man erreicht einen grasigen Fleck, das Schönangerl (ca. 2300 m), auf dem ein paar Schafe weideten. Bevor ich sie sehen konnte, hörte ich sie.:-)

Hier über Schrofen und teilweise brüchiges Gestein nach Norden zum Sattel zwischen Wildalmrotenkopf (2515 m) und Grießkogl (2543 m) (I.), weiter in leichter Kletterei (I.) bis zum Gipfelaufbau und wenige Meter rechts bis zu einem kleinen Schartl. Dahinter befindet sich eine schottrige Rinne, die nach links (Norden) hinaufzieht. Dieser nicht folgen, sondern geradeaus weiter, an den linksseitigen Felsen entlang und eine gute Rinne mit einigermaßen festem Fels (II.) bis zu ihrem Ende hinauf, dann auf einer kulissenartigen Rippe (III.) nach links auf einen massigen Sockel und von diesem unschwierig zum Gipfel.
Die Beschreibung im AV-Führer ist nur bedingt hilfreich. Es ist von einer Rinne die Rede, die II. SG sein soll, konnte ich aber nicht finden. Außerdem ist noch von einer "erwähnten" kulissenartigen Rippe die Rede, es wird aber im vorausgehenden Text nichts von ihr "erwähnt".:-) Wahrscheinlich fehlt seit Jahrzenten ein Textteil im Führer.

Ich ging auf dem selben Weg zurück zum Schönangerl. Nun war der Plan, weglos über die Hochfläche zur Wasserfallgrube zu queren, ansich keine große Sache, aber bei dem Nebel, der sich auf der Hochfläche anstaute, ohne Kompass eine Herausforderung. Ziel war eigentlich die Biwakschachtel beim Wildalmkirchl. Daraus wurde nichts. Ich lief ohne es zu merken im Kreis und kam westlich des Grießkogls auf dem Grat an. Ein Weitergehen bei diesem Nebel, jetzt Sichtweite 10 m, hatte keinen Sinn. 9 Uhr abends, Schlafenszeit, ich packe mein Biwakgepäck aus und lege mich in eine Grasmulde. Zu allem Überfluss regnet es die ganze Nacht. Das Zentrum des Gewitters war Gott sei Dank etwa einen km entfernt. 

2. Tag

Nach einem kurzen Frühstück wechselte ich die Kleidung, der Rucksack war Dank Regenhülle trocken geblieben, und machte mich auf zum Grießkogl. Unterwegs aß ich ein bisschen Schnee. Von dem gab es noch reichlich. Vom Gipfel ging es zunächst über die Ostseite runter, hier kann man sehr schön auf Platten auf Reibung gehen (I.), zurück zum Schönangerl, auf gleichem Weg zurück zur Hochbrunnsulzen und auf markiertem hinauf zur Schönfeldspitze (2653 m). Die Gipfelpieta ist immer wieder beeindruckend.
Abwärts über den Wurmkopf (2451 m) zum Riemannhaus. Bei diesem Abstieg lag immer noch recht viel Schnee und der Nebel tat auch sein bestes.:-)Am Haus genoss ich noch schnell eine Radlermaß und dann gings ab ins Tal zum Auto, schnell nach Leogang und hinauf zur Passauer Hütte (2051 m). An diesem Tag war Feuerbrennen am Birnhorn und ich durfte zum grandiosen Abschluß des Tages um 22 Uhr ein Feuer am Melkerloch (2193 m) entfachen..


Fazit

Sehr erlebnissreiche Tour, mit allem was das alpine Bergsteigerherz begehrt, abgesehen vom Regen in der Nacht.:-)

Seltsam, im Nebel zu wandern
Einsam ist jeder Busch und Stein.
Kein Baum sieht den andern.
Jeder ist allein.
Voll von Freunden war mir die Welt
Als noch mein Leben licht war;
Nun, da der Nebel fällt,
Ist keiner mehr sichtbar.
Wahrlich, keiner ist weise,
Der nicht das Dunkel kennt,
Das unentrinnbar und leise
Von allen ihn trennt
Seltsam, im Nebel zu wandern
Leben ist Einsamsein.
Kein Mensch kennt den andern,
Jeder ist allein.

Tourengänger: Wagemut


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Kommentare (3)


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steindaube hat gesagt: Sauber sog I
Gesendet am 8. August 2012 um 15:57
Servus,

schoene Tour, gratuliere! Da gibt's im Steinernen Meer noch viel, das ich auch mal machen moechte... mal schauen, vielleicht klappt im Herbst was.

Matthias.

Wagemut hat gesagt: RE:Sauber sog I
Gesendet am 8. August 2012 um 16:12
Servus,

danke für die Glückwünsche! Im Steinernen Meer gibts wahrlich viel zum Ausprobieren. Zum Beispiel den Steig mit P am Obersee..:-)

Joseph

steindaube hat gesagt: RE:Sauber sog I
Gesendet am 8. August 2012 um 16:40
Stimmt. Der P...steig ist nett. Bin ich vor ungefaehr zwei Jahren mal gegangen. War gar nicht so schlecht zu finden ausser oben raus. Aber da kommt man schon gut durch. Man sollte uebrigens auf Steine aufpassen, wenn man was lostreten wuerde ginge das teilweise auf den Spazierweg am Obersee ab.

Warst Du mal am Kahlersberg? Die "Ueberschreitung" -- rauf uebers Mausloch und runter ueber den Eisenpfad -- gefaellt Dir sicher auch. Nicht schwierig aber echt lohnend.

Matthias.


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