Mythos Piz Ela (SE-Grat, Mittelrippe)


Publiziert von Delta Pro , 28. Juli 2012 um 19:59.

Region: Welt » Schweiz » Graubünden » Albulatal
Tour Datum:26 Juli 2012
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: ZS+
Klettern Schwierigkeit: IV (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-GR 
Zeitbedarf: 10:00
Aufstieg: 1740 m
Abstieg: 2090 m

Grandiose Klettertour in den Bündner Dolomiten - der Piz Ela ist immer noch mein absoluter Favorit!

Die Besteigung des Piz Ela, des höchsten Dolomit-Gipfels der Schweiz, scheint noch immer mit einem Mythos behaftet. Seit meiner letzten Besteigung im Jahr 2006 zusammen mit Alpin_Rise gab es auf Hikr keinen weiteren Eintrag dazu, und der Tourenbericht wurde bisher weit über 10'000 Mal angeklickt. Der Piz Ela ist ein unvergleichlich eindrücklicher Berg, eine riesige Burg aus Felstürmen und Graten. Keine der verschiedenen Routen am Piz Ela ist einfach, alle Aufstiege sind lang und meist sehr schuttig. Hauptschwierigkeit ist nicht die Kletterei an sich, sondern das Finden der besten Aufstiegsroute - das Gelände ist extrem unübersichtlich, und es sind Dutzende Wege möglich, die aber auch ins Nirwana führen können. Der Piz Ela ist relativ selten begangen, auch wenn man eine Zunahme in den letzten Jahren erahnen kann. Im 2012 machten wir den 3. Eintrag ins Gipfelbuch. Deshalb haben sich auch auf den Normalrouten noch keine deutlichen Begehungsspuren ausgebildet.

Die lohnendste Route auf den Piz Ela ist ohne Zweifel der SE-Grat über das Ela-Loch. Gleichzeitig ist dies aber auch die schwierigste der heute noch regelmässig gemachten Routen. Nach der im Gipfelbuch sehr kontrovers (bzw. dreckig) diskutierten Erschliessung der Route mit Bohrhaken (2005) ist der klassische Touch der Tour etwas verloren gegangen und die Schlüsselstellen sind objektiv sicherer. Dennoch ist diese Bergfahrt bei weitem nichts für den reinen Sportkletterer. Der Fels am Grat ist über weite Strecken gut, auch wenn Griffe auf ihre Stabilität geprüft werden müssen.
Während wir vor 6 Jahren den langen NW-Grat über den Piz d'Uglix für den Abstieg gewählt hatten, nahmen wir heute die Mittelrippe, welche der direkteste Weg nach Bergün ist. Klettertechnisch wird die III nie überstiegen. Wir empfanden die Route aber dennoch als anspruchsvoll. Vom Gipfel bis zum Einstieg sind ca. 600 Höhenmeter zu überwinden, und das Gelände ist durchwegs absturzgefährdet und sehr schuttig, die Felsen sind oft brüchig und die Route muss gesucht werden.

Unter dem Strich ergibt sich mit der Kombination des Piz Ela SE-Grates mit der Mittelrippe eine unvergessliche, anspruchsvolle Eintagestour in wildem und einsamen Gelände, welches einige Anforderungen an Kondition, Trittsicherheit, Orientierungssinn und Klettertechnik stellt. Für mich ist der Piz Ela noch immer etwas vom besten was ich je in den Alpen erlebt habe!


Start um 6.15 in Naz. Zügig geht es auf dem Wanderweg in sanftem Morgenlicht in die Fuorcla da Tschitta, wo wir gegen 8 Uhr eintreffen. Der Moment, in welchem man das erste Mal die Felsbastionen des Ela sieht, ist absolut genial. Auf einen Schlag steigen himmelhohe Felswände aus den lieblichen Geröllhängen auf und gipfeln in zerrissenen Graten - da hinauf geht es! Nach einer Rast im kühlen Wind machen wir uns kletterfertig und steigen in die Route ein.
Unten um einen Fels-Ausläufer rum, durch loses Geröll einen Hang gegen links aufwärts und in eine weite Rinne, durch welche man einfach die erste Wandstufe erreicht. Durch einen breiten Riss ca. 10m aufwärts, über ein horizontales luftiges Band nach links und durch einen schmalen Riss 25m hinauf (III). Dann wird das Gelände einfacher, bleibt aber unübersichtlich. Im Zickzack überwindet man die Felsstufen der Wand welche zum Vorgipfel Pt 3180 hinaufführt. Meist bewegt man sich in der Nähe der schwach ausgeprägten Kante in freier Routenwah (II). Gegen oben wird die Wand wieder steiler, und mehrere senkrechte Stufen stellen sich in den Weg. Meine Erinnerung an die Linie von 2006 ist lückenhaft - damals schienen wir den Grat ohne nennenswerte Schwierigkeiten zu erreichen. Etwas salopp schrieb ich damals "In leichter Kletterei (max. II) zum Vorgipfel". Nun, es kann daran liegen, dass ich etwas älter und vorsichtiger geworden bin, oder dass heute die Spürnase des Alpin_Rise fehlte. Auf jeden Fall konnten einige Stufen nur im III. Grad überwunden werden und ca. 60m unterhalb des Grates fanden wir ziemlich weit rechts aussen die Bohrhaken-Route (letztes Mal stiegen wir weiter links auf - allenfalls mit einer Umgehung?). Die Bohrhaken führen in zwei Seillängen auf den Grat. Vor allem die erste (40m, IV, 6 BH) hat es in sich. Sie ist steil, teils feingriffig und ein guter IVer, für welchen man in den Bergschuhen die Hände aus dem Sack nehmen muss. Auf jeden Fall macht's Spass und wir fragen uns, wo Alpin_Rise und ich letztes Mal durchspaziert sind...

Dann ist Genuss auf dem Grat angesagt. Über unzählige Türme und Scharten geht es in stets einfacher, aber exponierter Kletterei. Der Fels ist überall gutgriffig und relativ solide. Manchmal sind Umgehungen rechts möglich. Mobiles Sicherungsgerät kann nützlich sein. Erst ein sehr schmales Gratstück und die tief eingeschnittene, ausgesetzte Scharte danach sind wieder mit Bohrhaken abgesichert (II-III). Schliesslich erreichen wir die Scharte vor dem Ela-Loch, welches man rechts rum einfach erreicht. Der Grat-Aufschwung über das Loch ist die Schlüsselstelle der Tour und ist gut abgesichert. Über zwei kurze Aufschwünge gelangt man auf ein kleines Podest (III+). Von dort führt eine schmale Rampe rechts rum zurück auf den Grat. Maveric im Vorstieg zog es aber vor den äusserst exponierten, senkrechten Aufschwung direkt zu erklettern (15m, IV) - doch noch etwas "klassisch"! Dann in leichterer, abwechslungsreicher Kraxelei zum Gipfel. Wir brauchten diesmal vom Einstieg fast 4 Stunden.

Zum Abstieg über die Mittelrippe verlässt man den Gipfel direkt über die markante Gipfelplatte, in welcher man Dinosaurier-Spuren erkennen kann. Ca. 20m dem Grat entlang trifft man auf eine Absteilstelle über die oberste Schichtstufe (2 BH). Wir klettern die Stelle ab (15m, II-III). Anschliessend schlägt man sich links und rechts über Bänder und Schichtstufen weiter nach unten durch. Vorsicht vor allem wegen dem feinen Geröll auf den Platten. Die Kletterstellen sind nur kurz (II), eine feuchte Rinne mit einem Fixseil. Bald ist der flachere Gratabschnitt am oberen Ende des Gletschers erreicht. Wegen des Gletscherrückgangs wird die Route heikler: Ein Gratturm muss in destabilisiertem Geröll unmittelbar über dem Eis umgangen werden. Die Mittelrippe ist nachher geröllig und gut zu begehen, und man könnte glauben, dass es dies schon war. Doch die eigentlichen Schlüsselstellen befinden sich weiter unten. Ohne Seil klettern wir die unzähligen Stufen durch geröllgefüllte Rinnen ab. Meist ist die beste Route direkt auf der Rippe, teils aber auch leicht rechts davon. Es ist erstaunlich, wie sich immer wieder ein Weg auf Bändern um die Abbrüche findet. Der Abstieg erfordert volle Konzentration und ist sehr eindrücklich. Vor dem markanten Gendarmen weicht man nochmals nach rechts aus und steigt dann in der Nordflanke ab. Über zwei steile Stufen mit sehr viel losem Geröll seilen wir ab (25m, mit Reepschnüren eingerichtete Abseilstellen). Abklettern wäre möglich (ca. III), aber heikel. Schliesslich erreicht man das unterste Geröllband, welches nach links aus der Wand leitet. Nach knapp 2 Stunden Abstieg sind wir im Geröllkessel unterhalb des Gipfels.

Auch der Weiterweg ist spannend. Man wandert durch den komplett einsamen Kessel von Traunter Ela, welcher von wilden Dolomitgraten eingefasst ist, und in den nur ein schmaler Pfad führt. Maveric, der die Route schon kennt, führt zielstrebig auf kaum kenntlichen Pfadspuren auf der Nordseite des Tales bergab. Schliesslich kann man die Traunter Ela auf 2040 m.ü.M. auf einem waldigen Band verlassen. Ein wunderschönes Weglein führt zurück in die Zivilisation, zum Wanderweg nach Bergün. 

Tourengänger: Delta, Maveric


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Kommentare (10)


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Ivo66 hat gesagt: Gratulation!
Gesendet am 28. Juli 2012 um 22:36
Herzliche Gratulation Euch Beiden zu dieser absoluten Traumtour und dem Gipfelerfolg. Ich ziehe meinen Helm vor dieser Leistung!

Ein hikr-Highlight der Extraklasse mit Super-Bericht sowohl in Wort als auch in Bild. Vielen Dank. Das hat Spass gemacht beim Lesen und Bilder anschauen.

Herzliche Grüsse, auch von Lena

Ivo

bulbiferum hat gesagt:
Gesendet am 28. Juli 2012 um 22:52
Ich schliesse mich Ivo's Gratulation gerne an. Der Piz Ela ist ein wuchtiger und interessanter Berg. Ich werde nie auf seinem Gipfel stehen. Dank dem tollen Bericht und den guten Fotos kann ich den Berg nun virtuell bewundern. Vielen Dank.

silberhorn hat gesagt:
Gesendet am 29. Juli 2012 um 10:19

Herzliche Gratulation auch von mir!

Beim Lesen dachte ich "Das ist Porfibergsteigen. Der Bericht spannender und interessanter als einige Bücher von Profis!" Danke für die eindrücklichen Bilder.

steindaube hat gesagt: Super Tour
Gesendet am 29. Juli 2012 um 10:42
Das klingt nach einer wirklich tollen Unternehmung... super!

Alpin_Rise hat gesagt: Ela!
Gesendet am 6. August 2012 um 16:32
Tolle Bilder, und wie sie sich gleichen - da kommen Erinnerungen hoch!

Der Aufstieg zum SE-Grat scheint nicht ganz trivial zu sein, eine Seilschaft scheiterte dort letztes Jahr auch. Wie wir genau gegangen sind, ist mir auch nicht mehr in Erinnerung... der Nase nach?

War der Normalweg keine Option für den Abstieg? Die Mittelrippe ist sicher eine super Linie, im Frühsommer mit Firn ist dort in der Nähe evtl. auch der leichteste Aufstieg auf den Ela?

G und Gratulation,
Rise

Ludewig hat gesagt: RE:Ela!
Gesendet am 9. August 2012 um 17:36
... dieser Frage schliesse ich mich an: Wie ist der Normalweg (von der Hütte aus) im Auf- und Abstieg zu bewältigen?

An die beiden Protagonisten: Gratulation zu dieser tollen Tour auf einen absoluten Traumberg! Auch mich hat der Ela-Mythos schon seit längerem gepackt.

Delta Pro hat gesagt: RE:Ela!
Gesendet am 9. August 2012 um 20:44
Bzgl Normalweg von der Hütte muss ich leider passen - ist die einzige der "begangenen" Routen, welche ich nicht kenne. So viel ich gehört habe, ist die optimale Linie nicht einfach zu finden, und der Aufstieg ist schuttig. Beides ist aber am Ela kaum anders zu erwarten - Informationsgehalt also gleich null...
Da ich die MItelrippe nicht unbedingt für den Aufstieg empfehlen würde, bleibt halt doch nur noch der Normalweg, falls man den SE-Grat, die bei weitem schönste Route, wirklich meiden will.
Wie Alpin_Rise richtig sagt. Am einfachsten geht's bei Firn über den Gletscher (obwohl der Führer davon abrät). Wenn ich das richtig gesehen habe, spaziert man im Juni einfach alles mit Pickel und Steigeisen über den Gletscher hoch (wurde gemäss Gipfelbuch auch gemacht) und muss dann nur die letzten 100 Höhenmeter der Mittelrippe klettern, die nicht eigentlich problematisch sind.
Gruss Delta

ADI hat gesagt:
Gesendet am 20. September 2012 um 18:02
megalässige Tour!
Da kann man nur staunen....

VLG, ADI

Sax hat gesagt: Ein grossartiger Berg
Gesendet am 22. Juli 2015 um 15:54
Ein schöner Bericht, schöne Bilder! Wir waren gestern auch endlich auf dem Ela, haben ebenfalls den Südostgrat gewählt - Abstieg übern Westgrat. Bin absolut begeistert. Grüsse, Anna

Delta Pro hat gesagt: RE:Ein grossartiger Berg
Gesendet am 22. Juli 2015 um 18:57
Herzliche Gratulation!
Der Ela ist immer noch einer meiner Top-Favoriten für die beste Tour.
Seid ihr alles über Piz d'Uglix und Piz Spadlatscha abgestiegen? Das dürften wohl nur noch sehr wenige gemacht haben, seit wir 2006 dort waren.
Gruss


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