Pizzo Ruscada via Pass del Gatt

Im SAC-Führer von 1931 steht, dass der Pizzo Ruscada sehr selten bestiegen werde. Das hat sich inzwischen geändert, denn dieser schöne Aussichtspunkt zählt zu Recht zu den beliebteren Gipfeln der Tessiner Alpen. Nun gibt es aber (mindestens) drei wilde Aufstiege von Süden und Westen her. Zwei davon hatte ich im 2009 und 2010 begangen, heute sollte es die Route über den Pass del Gatt sein. Und weil edwood ja das Motto hat "Plus c'est sauvage, plus c'est bon", war diese wilde Ecke der Schweiz genau nach seinem Geschmack.

Begriffe wie Katzenpfad, Katzenwegli oder eben Pass del Gatt weisen darauf hin, dass es hier nicht um triviales Gelände geht. Beim Pass del Gatt ist auch unklar, wo genau dieser alte, mit einem Drahtseil abgesicherte Übergang der Schmuggler und Grenzwächter eigentlich ist. Gemäss dem aktuellen SAC-Führer von Giuseppe Brenna ist er weiter unten, in der Nähe von Monte Rotondo und dem Val Ribellasca (Route Nr. 135 im Führer Tessiner Alpen Nr. 1, auf der Karte ist dieser Verlauf ebenfalls eingetragen). Gemäss dem alten Führer von 1931 ist er hingegen weiter oben, eben in der Querung zur Alpe di Ruscada zu suchen (demnach haben die Schweizer Grenzwächter an dieser Stelle ein Drahtseil angebracht, ohne das die Überschreitung sehr gefährlich wäre, "da derselbe aus einer glatten Felswand ohne genügende Griffe besteht.")

All das klingt interessant und lohnend und auch der Blick auf die Landeskarte aus den 1940er Jahren (vgl. Bild) sowie ein Artikel von Giuseppe Brenna im Giornale del Popolo vom 23.2.2005 (auch in seinem schönen Buch "Un mondo di bellezza e di cultura" zu finden) machen weiter Lust auf einen Besuch dieser wenig begangenen Zone.

Wir starten in Camedo und folgen zunächst dem markierten Pfad Richtung Costa bis zu den unteren Hütten von Lasa, ca. 900 m und weiter zu den Hütten von Cürt, 964 m und 1009 m. Bei der zweiten Häusergruppe (1009 m) beginnt ein zunächst recht gutes Wegtrassee, das mit einigen Markierungen (rot-blau und einzelne Plastikbändel) und auch über exponierte Stellen hinweg horizontal zu einem ersten Bach führt (der von P. 1218 her kommt). Das Trassee quert weiter zu einem zweiten Bach, der aus den Platten von Ruscada kommt und bei einem schönen Pool überquert wird. Hier enden die Markierungen und auch das Trassee wird sehr undeutlich. Wir steigen also schräg durch den steilen Wald aufwärts bis in die Nähe von P. 1170. Hier wurden einst Platten für Steindächer abgebaut und mit einer improvisierten Seilbahn ins Tal befördert. An einer Stelle sollen noch bereit gestellte Platten zu sehen sein (wir haben sie verpasst).

Nun queren wir etwas absteigend dem Fuss der Felswand entlang und stossen auf Reste eines interessanten Pfades (Treppen, Mäuerchen), der ansteigend zur Querung des nächsten Baches führt. Danach queren wir aus dem Tal hinaus, wobei sich der alte Weg immer noch erahnen lässt (einige Mäuerchen) und steigen schräg an bis in ein Couloir in einem Wald. Durch dieses geht es aufwärts, bis wir links eine Stützmauer sehen, über die der alte Pfad quert (vgl. Bild). Unmittelbar danach folgt eine exponierte, heikle Stelle, über die einst ein Drahtseil half, welches nun aber lose hinunter hängt. Danach kommen wir zu einer Ruine, die auf der Siegfriedkarte noch eingetragen und mit 1299 m kotiert war. In der Folge queren wir problemlos auf gleicher Höhe zum Hang über dem Vallone. Diesen Punkt könnte man viel einfacher und schneller erreichen, wenn man dem einstigen Pfad folgt, der bei P. 933 vorbei führt und dann schräg aufwärts ansteigt (vgl. Karte).

Hier beginnen wir die Querung zum Pass del Gatt. Zunächst geht es etwas aufwärts, um ein Felswändchen über Reste einer Treppe zu überwinden. Danach steigen wir deutlich ab, um das nächste Couloir am Fusse seiner Platten zu queren. Nun queren wir eher ansteigend, wobei wir dann und wann Reste des alten Pfades und sehr alte Schnittspuren sehen. Schliesslich erreichen wir den Rand des plattigen Couloirs, in dem der Pass del Gatt sein muss. Wir sehen rasch, dass wir etwas weiter unten suchen müssen und finden kurzum eine Stelle, an der wir recht gut ins Couloir runter kommen. Ein Seil sehen wir aber nirgends, auch nicht vom gegenüber liegenden Hang. Auf diesem steigen wir kurz direkt auf (Treppenrest), danach beginnnen wir ansteigend den steilen Hang zu queren. Wir kommen noch über zwei recht harmlose und eher grasige Rinnen, dann sind die Geröllhalden (vgl. LK) erreicht, über die wir in Kürze die Alpe Ruscada erreichen. Gut 3 Stunden, um von 1009 m auf 1674 m zu kommen - in diesem Gelände und mit der Wegsuche geht's halt etwas weniger schnell...

Hier enden die Schwierigkeiten und wir folgen markierten Pfaden zum Pizzo Ruscada, runter nach Corte Nouvo (Brunnen) und auf einem recht steilen Pfad (T3) nach Saorée, Costa, Borgnone und Camedo.