Wanderferien Ötztal: Hohe Wasserfalle, Hochreichskopf, Acherkogel (fast)


Publiziert von Tobi , 16. Juli 2010 um 13:40.

Region: Welt » Österreich » Zentrale Ostalpen » Stubaier Alpen
Tour Datum: 1 Juli 2010
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: WS+
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 9:00
Aufstieg: 2300 m
Abstieg: 1800 m
Unterkunftmöglichkeiten:Diverse Hotels im Ötztal.
Kartennummer:Karte Nr. 10 "Oetztal" (mayr)

Nach zwei gemütlichen Tagen waren meine Füsse wieder funktionstüchtig. Zum Abschluss der Wanderferien wollte ich nochmal so richtig die Sau, oder besser gesagt den Steinbock rauslassen: eine alpine und anspruchsvolle Tour sollte es sein. Schon bei unseren letzten Wanderferien im Ötztal vor drei Jahren ist mir der Wilhelm-Oltrogge-Weg aufgefallen, doch musste ich diesen damals wegen Schnee aus dem Programm streichen. Heuer wollte ich ihn in einer etwas abenteuerlicheren Form begehen. Ausserdem hatte ich noch eine Rechnung mit dem Acherkogel offen...

Unser Hotel ist nicht auf Alpinwanderer ausgerichtet, die etwas vom Tag erleben wollen. Frühstück gibt es erst ab 08:00. Aber die Chefin ist so freundlich, mir ein Lunchpacket vorzubereiten. Auch die Busse sind nicht auf frühaufstehende Wanderer ausgelegt, so chauffiert mich meine Freundin kurz nach halb sieben nach Niederthai. Dadurch kann ich kurz nach sieben Uhr bei der Pension Veitenhof (ca. 1500m) zu meiner langen Tour starten.

In der angenehm kühlen Morgenluft geht es zügig und steil im Wald hoch Richtung Narrenkogel (2309m). Über die Lichtung Bergle erreiche ich diesen ersten Gipfel nach knapp einer Stunde. Ich liege durch den schnellen Aufstieg gut in der Zeit und geniesse ein paar Minuten auf diesem Grashügel.

Über den schönen und breiten Grasrücken "Am Joch" geht es dem Poschachkogel (oder Hühnerkogel, 2574m) entgegen. Nach kurzer Zeit habe ich auch den nächsten Kogel im Sack. Ich trage mich ins Gipfelbuch ein und studiere den Grat Richtung Steinjöchle. Gemäss Karte sieht der direkte Aufstieg auf dem Grat auf die Hohe Wasserfalle durchaus machbar aus. Wobei dies natürlich auf einer 1:35'000 Karte mit 40m Äquidistanz kaum beurteilbar ist. Aber auch in Natura sieht der Grat durchaus einladend aus. Also wage ich einen Versuch.

Während die Wanderung bisher mit einem klassisches T2 bewertet werden kann, steigt nun mit jedem Höhenmeter auch die Schwierigkeit etwas an. Beim Schönjöchle (2709m) bewege ich mich schon fast im T4-Bereich. Ich folge weiter dem Grat, der Gipfel der Hohe Wasserfalle ist noch nicht auszumachen. Mittlerweile habe ich T5 erreicht. Nun endlich taucht das Gipfelkreuz am Horizont auf. Dieses scheint ziemlich nahe, doch dieser kurze Gratabschnitt hat es in sich. Ich weiss nicht, ob dieser mit T6 II bewertet werden kann, oder ob ein WS+ gemäss Hochtourenskala den Charakter besser wiederspiegelt. Ziemlich anspruchsvoll jedenfalls, aber der Fels ist von guter Qualität.

Kurz vor halb elf Uhr stehe ich auf dem ersten 3000er des heutigen Tages, die Hohe Wasserfalle (3003m). Da noch zwei weitere 3000er folgen sollen, mache ich nur eine kurze Pause. Nach dem obligaten Gipfelbucheintrag beginne ich mit der Überschreitung zur Hochreichsscharte. Gemäss Karte sollte ich diese nun auf einem Bergweg (schwarz) absolvieren können. Doch ich entdecke weder Markierungen, noch Steinmännchen. Ich lasse mich von so was ähnlichem wie Wegspuren in die Irre leiten und steige in der Westflanke ab. Die Spuren verlaufen sich immer wieder, so beschliesse ich, wieder zurück auf den Grat zu steigen. Auf diesem geht es ähnlich anspruchsvoll wie beim Aufstieg in genüsslicher Kletterei zur Hochreichsscharte (2912m).

Nun stehe ich endlich wieder auf einem markierten Bergweg, dem Wilhelm-Oltrogge-Weg. Von der Scharte fliege ich geradezu in kürzester Zeit auf den Gipfel (T3). Pünktlich zum Mittag stehe ich auf dem höchsten 3000er des heutigen Tages, dem Hochreichskopf (3010m). Hier geniesse ich bei prächtigem Panorama die erste etwas längere Pause und verpflege mich. Trotz der Höhe ist es ziemlich warm, der Durst dementsprechend gross. Verstärkt wird dies durch die langen Hosen, die bei mir im Hochgebirge Pflicht sind. Meine 2l Wasser sind bald aufgebraucht, doch die Tour ist noch lange nicht fertig.

Ich steige wieder ab zur Hochreichscharte und folge dem Wilhelm-Oltrogge-Weg in nördlicher Richtung. Bald kommen mir drei Wanderer entgegen, die mir vorjammern, was für ein Auf und Ab dieser Weg sei. Eigentlich habe ich mit einem gemütlichen Bergweg gerechnet, und dass ich in einer Stunde bei der Achplatte bin. Doch die Drei haben Recht, immer wieder steigt der Weg an, statt sanft zu fallen. Aber auch so hat der Weg seinen Reiz (T4), obwohl für meinen Geschmack etwas zu viel Eisen in Form von Tritten und Seilen verbaut ist. Dies könnte aber für Leute mit kurzen Beinen hilfreich sein. Nach der Niederreichscharte (2729m) steigt der Weg Richtung Lauser ab. Diese Erhebung lasse ich allerdings um Zeit zu sparen links liegen. Ich möchte noch genügend Zeit für die Besteigung des Acherkogels haben und um 17 Uhr die letzte Bahn runter nach Oetz erwischen.

Vom Sattel geht es in rasantem Tempo steil hinunter in den Österkarkessel. Hier höre ich unter dem Schnee das Sprudeln von Bergbächen, aber nirgends bietet sich die Gelegenheit, meine Wasserflaschen zu füllen. Nach dem Kessel steigt der Weg wieder an Richtung Achplatte. Endlich kann ich an einem Bergbach meine Trinkflasche füllen.

U
m halb zwei Uhr stehe ich auf der Achplatte (2423m). Der Grat zum Acherkogel sieht beeindruckend, wenn nicht gar abschreckend aus. Keine Ahnung, wo ich da hinaufklettern soll, aber ich hoffe auf Markierungen zu stossen. Schliesslich soll diese gemäss der Aussage eines Tagen zuvor angetroffenen Bergsteiger (siehe Bericht hier) der Normalweg sein. Die erste Erhebung erreiche ich auf unschwierigem Grasgelände (T3). Zum Teil meine ich Wegspuren zu entdecken, doch sind diese nicht durchgängig. Das Terrain wird nun immer felsiger, ausgesetzter und anspruchsvoller (T5). Den ersten Felsturm umgehe ich auf der rechten Seite. Vor dem zweiten Felszacken entdecke ich das erste Steinmännchen. Ganz falsch scheine ich nicht zu liegen. Doch wie ich nun weiterkommen soll, ist mir unklar. Auch der weitere Gratverlauf macht keinen einladenden Eindruck und sieht wirr aus. Ich beschliesse, mein Vorhaben abzubrechen. Per SMS informiere ich meine Freundin, dass ich in eineinhalb Stunden in der Bielefelder Hütte ankommen werde.

Vor dem Abstieg mache ich noch eine kleine Pause. Irgendwie lässt mir der Grat doch keine Ruhe. Ich erkunde nochmals den Felszacken, und entdecke nun doch eine Rinne, in welcher ausgesetzt in die Nordflanke ausgewichen werden kann. Im anschliessenden schuttigen Aufstieg zurück auf den Grat sind auch deutliche Fussspuren auszumachen. Nach dem Überwinden dieser Schlüsselstelle (T6 II) ist der Grat wieder etwas einfacher zu begehen. Auf diesem Abschnitt stehen nun auch weitere Steinmännchen. Ich komme zwar dem Gipfelkreuz immer näher, doch vor dem letzten Aufschwung muss ich nun definitiv passen. Ich stehe sprichwörtlich wie der Esel vor dem Berg. Keine Ahnung wo ich hier rauf, geschweige denn, wie wieder runterklettern soll. Ein Local könnte mir sicher weiterhelfen, doch habe ich keinen solchen im Rucksack. Ich gebe mich geschlagen und mache mich leicht enttäuscht auf den Abstieg.

Vorsichtig klettere ich die vorher mühsam gewonnen Höhenmeter wieder runter. Das Einprägen des Weges im Aufstieg durch viele Blicke zurück macht sich nun bezahlt. Ohne grösseren Probleme finde ich den Weg an den Felstürmen vorbei zurück. Endlich wieder bei der Achplatte der schockierende Blick auf die Uhr: es ist schon halb vier! Genau um diese Zeit sollte ich in der Bielefelder Hütte sein. Also tippe ich kurz eine SMS und mache mich auf den Weg. Die Antwort-SMS meiner Freundin lässt zwar mein Handy klingeln, doch zum Lesen nehme ich mir keine Zeit.

Nur schon der Abstieg von der Achplatte runter zur alten Bielefelder Hütte zieht sich in die Länge. Auch die sanfte Steigung des darauf folgenden Besinnungsweges wird nach fast neun Stunden Non-Stop-Wandern zur Qual. Meine Wasserreserven sind aufgebraucht, der Durst wird immer schlimmer. Der Weg führt zwar idyllisch durch Kieferngebüsche, doch staut sich hier die Hitze geradezu.

Etwa einen Kilometer vor der Bielefelder Hütte klingelt wieder das Mobiltelefon. Diesmal nehme ich mir die Zeit und krame das Handy aus dem Rucksack hervor. Per SMS erfahre ich, dass die letzte Bahn nicht wie angenommen um fünf Uhr fährt, sondern der Betrieb schon eine halbe Stunde früher eingestellt wird. Somit bleiben mir noch etwas mehr als zehn Minuten! Da ich mir die 1000 Höhenmeter Abstieg nach Oetz auf jeden Fall ersparen möchte, nehme ich die letzten eineinhalb Kilometer im Laufschritt unter die Bergschuhe. Völlig erschöpft und leicht dehydriert erreiche ich drei Minuten vor halb fünf die Bergstation Hochötz (2020m), wo mich meine Freundin schon mit einem - leider nur halben Liter - Apfelschorle erwartet.


Fazit: Auch wenn es mit dem Acherkogel auch im zweiten Anlauf nicht geklappt hat, war diese Tour ein würdiger Abschluss der Ötztal-Wanderwoche. Eine über neunstündige Gewaltstour in zügigem Tempo, nur kurze Pausen, die meiste Zeit in anspruchvollstem Alpingelände. Was will ich mehr?



Hinweis: Wie im Bericht erwähnt, bin ich mir bei der Beurteilung der Schwierigket nicht ganz sicher. Jedenfalls ist diese Tour nur was für erfahrene Berggänger die über Trittsicherheit, Schwindelfreiheit und eine gute Kondition verfügen. Die angegebenen neun Stunden sind nur mit kurzen Pausen zu verstehen, ausserdem war ich grosstenteils in einem ziemlich flotten Tempo unterwegs. Auch bei den Höhenmeter waren es wohl noch zig Meter mehr, da auf dem Grat dauernd auf und abgestiegen werden musste.

Tourengänger: Tobi


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Kommentare (1)


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kardirk hat gesagt:
Gesendet am 17. August 2013 um 20:08
Hallo,

auch wenn Dein Bericht schon einige Zeit her ist, zu Deiner Beruhigung, die Acherplatte liegt am W-Grat des Acherkogel, der ist meines Wissens III-IV und definitiv nicht der Normalweg, daher auch nicht markiert. Der Normalweg geht durch die N-Flanke, wie Du an den Berichten hier nachlesen kannst, und wahrscheinlich auch schon hast. Respekt, das Du überhaupt so weit hoch gekommen bist.

VG
Dirk


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