Jossa! Jossa! Jossa! Jossa!


Publiziert von Nik Brückner , 30. Januar 2024 um 12:37. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Deutschland » Südwestliche Mittelgebirge » Odenwald
Tour Datum:28 Januar 2024
Wandern Schwierigkeit: T3 - anspruchsvolles Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 
Zeitbedarf: 2:30
Aufstieg: 700 m
Abstieg: 700 m
Strecke:11 Kilometer

Auf dem Heiligenberg bei Jugenheim an der Bergstraße steht eine Vielzahl von Kulturdenkmälern, die man in einer ehemaligen Parkanlage erwandern kann. Dort befindet sich zum Beispiel eine Klosterruine, eine alte Gerichtsstätte, die Grablege der Stammeltern des zweiten Hauses Battenberg sowie das Schloss Heiligenberg. All diese Denkmäler sind eng mit der Geschichte des Hauses Hessen, der russischen Zarenfamilie sowie dem britischen Königshaus verbunden.

Klingt interessant! Ich war neulich ja schon einmal in der Gegend unterwegs gewesen, auf den Spuren von Frankensteins Monster. Nun ging es zusammen mit der Waldelfe wieder nach Seeheim-Jugenheim, diesmal in den Ortsteil Jugenheim, um den Heiligenberg und die Höhen südlich davon zu erwandern. Dort befindet sich auch die Burgruine Jossa, nach der dieser Tourenbericht benannt ist. Auch die ist mit der Geschichte des Heiligenbergs eng verbunden.



Also ab ins Auto, "The Cycle Undone" von The Twenty Committee eingelegt, und ab nach Jugenheim. Parkung war auf dem Parkplatz am Schloss Heiligenberg (215 m). Und natürlich haben wir zunächst dem Schloss Heiligenberg (213 m) einen Besuch abgestattet.

1810 wurde der Heiligenberg dem geheimen Finanzrat August Konrad Hofmann als Dank für seine Sanierung der hessischen Staatsfinanzen geschenkt. Zwischen 1813 und 1816 ließ er auf dem damals landwirtschaftlich genutzten Berg einen Gutshof errichten. 1827 verkaufte er dieses Gut 1827 an die damalige Erbgroßherzogin Wilhelmine von Hessen und bei Rhein, die es fortan als Sommersitz nutzte. Ab etwa 1831 ließ sie das Gut dann durch den Architekten Georg Moller zu einem Schloss ausbauen.

Später wurde Schloss Heiligenberg dann von ihrem drittgeborenen Sohn, Prinz Alexander von Hessen und bei Rhein, und seiner Ehefrau Fürstin Julia von Battenberg bewohnt, um die es auf dieser Wanderung noch öfter gehen soll. Die beiden bauten das Schloss ab 1862 mehrfach um, erneut nach Plänen des inzwischen verstorbenen Architekten Moller.

Alexander und Julia wurden schließlich Begründer des Adelsgeschlechts Battenberg. 1889 wurde hier Prinzessin Louise von Battenberg geboren, die ab 1950 Königin von Schweden war. Auch der englische Zweig der Familie ist bekannt, allerdings unter seinem im Ersten Weltkrieg anglisierten Namen: Mountbatten. Auf Grund dieser weitreichenden dynastischen Verbindungen der Familie war das Schloss bis 1914 Mittelpunkt regelmäßiger Besuche von Königen, Fürsten und Diplomaten, darunter nicht zuletzt die russischen Zaren.

1920 verkaufte Alexanders Sohn Prinz Ludwig Alexander von Battenberg (seit 1917 Louis Mountbatten) das Schloss an zwei Investoren, bevor Mitte der 1930er Jahre der hessische Staat Eigentümer wurde. Das Schloss wurde in der Folgezeit als BDM-Gauführerinnen- und Hauswirtschaftsschule, dann als Lazarett genutzt.


Nach dem Zweiten Weltkrieg beherbergte die Anlage jahrzehntelang verschiedene Fachschulen und Institutionen. Besonders erwähnenswert ist das Pädagogische Institut Jugenheim zur Volks- und Mittelschullehrerausbildung in Hessen, das sich von 1946 bis 1963 im Schloss befand. Der prägende Leiter bis 1961 war der Politologe Friedrich Trost, dem wir ebenfalls nochmal begegnen sollten. Heute werden die Gebäude für Kunstausstellungen und Konzerte genutzt. Auch ein Restaurant befindet sich im Schloss.


Man sieht hier schon, das Schloss lag einst inmitten einer weitläufigen Parkanlage.

Dieser Park wird erst seit wenigen Jahren wieder landschaftsgärtnerisch betreut. Stück für Stück wird die ehemalige Parkgestaltung wieder sichtbar. Ihre erste Prägung erhielt die Anlage noch durch Wilhelmine, die dort viele Elemente ihres Lieblingsparks in Darmstadt zitierte. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vergrößerte dann der Hofgärtner Gernet die Exotensammlung im Park und baute daneben landwirtschaftliche Erzeugnisse an. In den 1920er- und 1930er-Jahren wurden schließlich am Nordhang Edelkastanienbestände angepflanzt, die ebenfalls als Nahrungsquelle dienten.

Die Wiederherstllung umfasst bis dato den Kreuzgarten, den Hasel- oder Liebesgang, der vom Schloss am Rehhäuschen vorbei bis zum Eichenplatz führt. Und auch der schon von Wilhelmine angelegte Rosenhang südlich des Schlosses wird neu angelegt.



Wir machten uns aber erst einmal an unsere Wanderung. Vom Parkplatz aus ging es südwärts eine Serpentine hinauf zu einer Wegkreuzung oberhalb der Lindenterrasse. Hier nahmen wir den breiten Weg, der den Berghang querend nach Osten führt. Bei der ersten Verzweigung wechselten wir dann auf einen schmalen Pfad, der uns bergan und schließlich in zwei, drei weiteren Serpentinen auf den Gipfel des Marienbergs (331 m) führte.

Der Pfad knickt am Gipfel nach links und führt südwärts weiter. Bei der ersten Möglichkeit zweigten wir scharf rechts ab und kehrten auf einem hübschen Pfad zurück zu der Wegkreuzung oberhalb der Lindenterrasse. Hier stiegen wir links hinunter, zur Lindenterrasse, und wandten uns dort erneut nach links, auf einen breiteren Weg. Den wir jedoch nur ein paar Meter weiter schon wieder verließen, um in kleinen Serpentinen den Berg hinunter ins Balkhäuser Tal zu wandern. Weiter unten hielten wir uns links und erreichten über einen felsigen Pfad schließlich die L3103 im Talgrund.

Wir folgten der Straße kurz nach rechts, nahmen dann aber gleich den nächsten Waldweg, der kurz vor einer Rechtskurve auf der anderen Straßenseiten in den Wald hinauf führt. In dessen erster Linkskurve verließen wir diesen Weg, und nahmen einen schmalen, steilen Pfad, der hier, den nächsten Waldweg querend, den Bergrücken hinaufführt.

Oben gelangt in grasiges Gelände, wo von rechts ein weiterer Pfad heraufkommt. Hier bogen wir links ab, und folgten nun diesem schmalen Pfad bis hinauf auf den Gipfel des Darsbergs (373 m). Oben angelangt, zwogen wir rechts ab und liefen den nächsten Bergrücken wieder hinunter, bis zu den markanten Gräben der Burgruine Jossa (290 m).

Die Burg Jossa, auch Dagsberg genannt, wurde wohl um 1290–1300 von den Brüdern Gebhard II. und Giso IV. von Jossa auf einem Nordwestsporn des Dagsbergs erbaut. Sie hatten zuvor von ihrem Großvater Konrad II. von Bickenbach (dem wir auch noch einmal begegnen würden) das Amt Jossa geerbt, das aus Jugenheim, Balkhausen, Quaddelbach, Winthan, Staffel, dem Hof Dietersklingen und der Exklave Langwaden bestand.

Schon bald darauf trugen die Brüder ihre Burg dem Mainzer Erzbischof zu Lehen auf und erhielten sie von ihm als Lehen zurück, mit der Verpflichtung, sie für den Erzbischof offen zu halten. Es wurde vereinbart, dass in Fehden Giso sich neutral verhalten, Gerhard aber den Mainzern zu Hilfe kommen müsse.
Nach dem Tod der beiden Brüder verkauften ihre Erben die Burg und die dazugehörigen Ländereien jedoch nach und nach an die Schenken von Erbach. Ab 1360 verfiel die Burg dann und wurde im Laufe der Zeit zur Materialgewinnung abgetragen. Die Anlage wurde vermutlich deshalb so bald aufgegeben, weil es weder einen Brunnen noch eine Zisterne gab.

1848 ließ dann Großherzog Ludwig III. von Hessen-Darmstadt in der Ruine graben. Viel gefunden hat man aber nicht: drei Vorratstöpfe, ein Horn, ein Schildchen, Nägel und ein kleines Schwert. 1860 wurden die bei dieser Grabung freigelegten Grundmauern wieder zugeschüttet. Der aufgeschüttete Hügel wurde in der Folge zu einem Tanzplatz ausgebaut.

Abgesehen von diesem Hügel und den ihn umgebenden Gräben ist heute außer dürftigen Mauerresten nichts mehr zu sehen. Die Burg war einst mit einer doppelten Wallanlage zum Hang hin gesichert. Die Schildmauer war hier bis zu 3,75 Metern dick. Im Westen der Anlage befanden sich auf einer Grundfläche von 25 × 40 Metern ein Wohn- und ein Wirtschaftsgebäude, im Osten ein Stall sowie der Bergfried, der einen Durchmesser von 8,4 Metern hatte. Die Burg hatte keinen Zwinger, dafür stand aber innerhalb der Ringmauer noch eine weitere Mauer, die vom Bergfried in den Hof hineinreichte, sodass Feinde aufgehalten werden konnten, bis sich die Verteidiger in den Turm zurückgezogen hatten.


"Jossa! Jossa! Jossa! Jossa!" dachten wir, dann machten wir uns auf den Weiterweg. Der breite Waldweg unterhalb der Ruine brachte uns in einen kalten Tobel hinein, und von dort aus ein schmalerer Pfad nordwärts wieder heraus. Dieser stößt bald wieder auf den breiten Weg, auf dem wir nun ins Balkhäuser Tal zurückkehrten. Dabei passierten wir die Friedrich-Trost-Bank (182 m).

Die Bank ist dem bereits erwähnten Prof. Dr. Friedrich Trost gewidmet, der ab 1947 außerplanmäßiger Professor und kommissarischer Leiter am Pädagogischen Institut Darmstadt zur Volksschullehrerausbildung in Hessen (PI) war. Dieses Institut war Ende 1945 wegen Raumnot auf Schloss Heiligenberg ausgelagert worden, daher seine Verbindung nach Jugenheim. Ab 1950 war er ordentlicher Professor und zugleich Direktor des PI. 1961 wurde er Professor für Erziehungs- und Bildungswesen an der Hochschule für Erziehung Gießen sowie Präsident des Rats dieser Hochschule. Das PI Darmstadt-Jugenheim wurde 1963 aufgelöst, die Aufgaben und die Dozenten wurden auf die Hochschulen für Erziehung in Frankfurt am Main und Gießen verteilt.


Wir überquerten die L3103 an der gleichen Stelle und nahmen danach auch wieder den felsigen Pfad, stiegen dann aber nicht den Sporn hinauf zur Lindenterrasse, sondern hielten uns am Abzweig geradeaus. Hier geht's weiter zum Rehhäuschen (200 m).

Das Rehhäuschen wurde von Prinz Alexander gebaut und gehörte zu einem sich am Hang Richtung Balkhäuser Tal erstreckenden Wildgatter. Nachdem das Häuschen vor einigen Jahren mutwillig angezündet wurde, konnte es 2014 im Zusammenhang mit dem Hasel- oder Liebesgang, der vom Schloss am Rehhäuschen vorbei bis zum Eichenplatz führt, wieder aufgebaut werden.


Hier könnte man gleich zum Bergrücken hinaufsteigen, wir wollten aber zuvor der Bergkirche noch einen Besuch abstatten. Also nahmen wir den Unteren Wingertsweg, der den Heiligenberg von hier aus westlich umrundet. Er endet an einer Serpentine der Zufahrtsstraße zum Schloss, von der aus die Bergkirche Jugenheim (161 m) schon zu sehen ist.

Die 1263 erstmals erwähnte Bergkirche steht auf halber Höhe des Heiligenberges, etwa 250 Meter nordwestlich der Klosterruine auf seinem Gipfel. Ihre Geschichte ist eng mit der Geschichte des Klosters verbunden.

Unter Einbeziehung dieses ersten, romanischen Kirchenbaus wurde um 1480 an seiner Stelle eine kleine gotische Saalkirche mit quadratischem Chor, Sakristei und Turm errichtet. Nach der Einführung der Reformation in Jugenheim (1539) wurde 1575 der Turm um ein Stockwerk erhöht und mit einem spitzen Knickhelm bekrönt. Nach weiteren Um- und Ausbaumaßnahmen erhielt die Kirche schließlich 1856 ihre heutige Gestalt. Damals wurde der Bau erweitert und mit einem halbrund geschlossenen Chor versehen.


Sehenswert ist unter anderem eine in einer Wandnische über dem Hauptportal untergebrachte spätmittelalterliche Reliefplastik des Drachentötenden Erzengels Michael. Im Innern ist der schlichte Saalbau mit einer Balkendecke gedeckt. Eine L-förmig umlaufende Empore wurde im Jahre 1855 erneuert. Die eigentümliche Kanzel stammt aus dem Jahr 1751. Im Chorbogen hängt das 1739 von dem Darmstädter Bildhauer Eckhardt geschnitzte Kruzifix. Zur Ausstattung gehört des weiteren ein Taufstein aus schwarzem Marmor. Er wurde 1869 von Prinz Alexander von Hessen und bei Rhein gestiftet und vom Darmstädter Steinmetz Best gefertigt.

In der Südwand ist eine um das Jahr 1480 entstandene Stiftungsplatte eingelassen, nach der die Kirche 1263 von Konrad von Tannenberg gestiftet wurde.



Wir wanderten durch den Kirchhof wieder hinauf zur Straße.

Auf dem Kirchhof sind sieben historisch bedeutsame und aus ortsgeschichtlichen Gründen schützenswerte Grabmale erhalten.


Wir kehrten zurück zu der Serpentine und wanderten noch ein paar Meter weiter den Unteren Wingertsweg zurück. Hier hatten wir vorher alte, verfallene Stufen entdeckt, die den Berg hinauf zu führen schienen. Das schien interessanter als unser eigentlich geplanter Weiterweg.

Wir stiegen also nun die verfallenen Stufen hinauf, und erreichten schnell den Oberen Wingertsweg. Der Pfad führt drüben weiter, mit der einzigen T3-Stelle dieser Tour, einer kurzen felsigen Steilstufe. Oben angekommen, steht man schließlich am Rande der Keuzwiese, über die wir nun zum Goldenen Kreuz (201 m) hinüberwanderten.

Das Goldene Kreuz wurde 1866 zum Gedenken an die vormalige Schlossherrin Großherzogin Wilhelmine errichtet und von ihren vier Kindern am 28. Mai 1866 (Wilhelminentag) eingeweiht. Es steht auf einem Sockel aus schwarzem Syenit und ist etwa achteinhalb Meter hoch. Mit seiner Blattvergoldung ist es von weitem aus der Rheinebene zu sehen.

Das neogotische Kleeblattkreuz war die letzte Arbeit des Darmstädter Hofbildhauers Johann Baptist Scholl. Bei seiner Errichtung wurde das Areal westlich der Kirchenruine mit einem eisernen Zaun eingefriedet, wodurch der heutige Kreuzgarten entstand.

Vom Standort des Kreuzes aus hat man einen weiten Blick auf Worms, zur Burgruine Neuleiningen, zum Donnersberg bis nach Stockstadt am Rhein mit dem Naturreservat Kühkopf und jenseits davon bis in den Rheingau im Norden.



Neben dem Kreuz steht das 1894 fertiggestellte Mausoleum der Familie Battenberg, die Gedächtniskapellle (202 m).

Die neoromanische Kapelle wurde 1894 für Prinz Alexander von Hessen und bei Rhein (1823–1888) und seine Ehefrau Fürstin Julia von Battenberg (1825–1895) errichtet. Nach der Umbettung der beiden in eine gemauerte Gruft unter der Begräbnisstätte im Jahr 1902 wurde sie zur Gedächtniskapelle des Hauses Battenberg umgewidmet. Seitdem befinden sich im Innenraum zwei Gedenktafeln, die an ihre Söhne Alexander und Heinrich erinnern. Später wurde hier ein Gedenkstein für ihren Enkel Louis Mountbatten errichtet, der 1979 von der IRA ermordet wurde. Buntglasfenster zeigen die heilige Elisabeth von Thüringen, "Großmutter des Hauses Hessen" und die Heilige Perpetua, sowie auf der gegenüberliegenden Seite den englischen Hausheiligen Georg von England und den orthodoxen Heiligen Alexander Newski.

Seit ca. 1990 beherbergt die Kapelle auch ein Modell des Klosters nach einer Rekonstruktion von Günter Baisch, Mundartdichter, Heimatforscher und in vierter Generation ehrenamtlicher Gärtner im Kreuzgarten.



Nur ein paar Meter weiter steht ein uralter Baum, der aufwändig gestützt werden muss: die Zentlinde (202 m), die hier auch gern mit C geschrieben wird, weil's uriger ausschaut.

Der Baum wird heute auf rund 800 Jahre geschätzt. Vom 13. bis 16. Jahrhundert tagte hier das Zentgericht der Grafen von Katzenelnbogen. Bald nach 1550 wurde es vom Heiligenberg in die Kellerei in Zwingenberg verlegt. Am 18. Dezember 1649 tagte es dann zum ersten Mal wieder an der Zentlinde.

Das Zentgericht war ein Hals- und Blutgericht. Sein Gerichtsbezirk war nahezu deckungsgleich mit dem alten Bickenbacher Kirchspiel bzw. der frühen Herrschaft Bickenbach. Das Gericht tagte einmal jährlich nach dem Einbringen der Ernte, konnte aber in besonderen Fällen auch zu anderen Zeiten zusammengerufen werden. Alle waffenfähigen Männer der Zent waren verpflichtet, zu den Gerichtssitzungen zu erscheinen. Vollstreckt wurden die Urteile auf dem 1356 erstmals erwähnten Galgenhügel (heute die Hügelstraße in Jugenheim). Vorsitzender des Gerichts war der Zentgraf; ab 1503, dem Beginn der Erbacher Herrschaft, ein Beamter der jeweiligen Grafschaft.



Kreuz, Mausoleum und Zentlinde sind nur nach Voranmeldung zu besichtigen, deshalb kamen wir nicht auf das Gelände und liefen gleich weiter zur Klosterruine Heiligenberg (202 m).

Klosterruinen scheinen derzeit mein Ding zu sein. Erst kürzlich war ich mal wieder an der Klosterruine Allerheiligen vorbeigekommen. Nun also die Klosterruine Heiligenberg!

Die Klosterruine Heiligenberg ist der Überrest eines hochmittelalterlichen Nonnenklosters. Gegründet wurde es spätestens Mitte des 13. Jahrhunderts von den Herren von Bickenbach. Die bauten damals ihr erstes Herrschaftsgebiet auf und beherrschten es von ihrer Burg Bickenbach (heute Schloss Alsbach) aus. Vermutlich diente das Eigenkloster zur Versorgung unverheirateter oder verwitweter weiblicher Familienangehöriger. Es könnte auch als Grablege für die Herren von Bickenbach vorgesehen gewesen sein. Als Gründer vermutet man Gottfried von Bickenbach und seine Ehefrau Agnes, eine geborene Wildgräfin zu Dhaun und Schwester des damaligen Erzbischofs von Mainz. Genau lässt sich das aber nicht mehr eruieren, unter anderem deshalb, weil an dieser Stelle schon seit spätem 10. oder frühem 11. Jahrhundert eine Kirche gestanden hat.

Die erste urkundliche Erwähnung geschah 1264. Damals schenkten Konrad II. von Bickenbach und seine Ehefrau Jutta (auch "Guda oder "Ruda") von Falkenstein dem Kloster die Hälfte eines Hofs auf Hartenau. Das stimmt aber auch wieder nur dann, wenn Konrad II. von Bickenbach identisch ist mit "Conrad Herrn auf Tannenberg" der da urkundlich genannt wird. Was durchaus möglich ist, denn auf der benachbarten Burg Tannenberg, die ich erst neulich besucht hatte, gab es auch Bickenbacher.

Das kleine Kloster beherbergte wohl stets nur wenige Nonnen. Bei Grabungen konnten nur wenige Gräber festgestellt werden (die Lage des Klosterfriedhofes ist allerdings unbekannt). Die Frauengemeinschaft lebte möglicherweise zunächst nach der Benediktinerregel, in einer Urkunde von 1413 wurde der Konvent aber dem franziskanischen Orden zugeordnet.

1304 widmeten Verwandte der Bickenbacher dem Kloster Anteile: die vier Brüder Reinhard, Gerhard, Giso und Conrad, Enkel von Konrad II. von Bickenbach. Gerhard und Giso sind wir schon begegnet, es waren jene zwei Brüder, die um 1290–1300 die Burg Jossa erbaut hatten.

1413 inkorporierte der Mainzer Erzbischof das Nonnenkloster dem Kloster Lorsch, wohl auf Betreiben der Lorscher Mönche. Begründung: seine Einkünfte könnten einen unabhängigen Fortbestand nicht mehr gewährleisten. Den letzten beiden Nonnen wurde in der Inkorporationsurkunde untersagt, neue Mitglieder in ihren Konvent aufzunehmen. Dafür zahlte ihnen Lorsch eine lebenslange Leibrente. Anders als in dieser Urkunde behauptet, verfügte das Frauenkloster aber wahrscheinlich durchaus über ausreichende Einkünfte.

Das Kloster wurde dann noch über ein Jahrhundert lang weiter genutzt. Es ist noch bis um 1550 urkundlich belegt. Dann wurde das Kloster reformiert und als Teil der säkularisierten Domäne Lorsch weiterbetrieben. Spätestens nach den Plünderungen im Dreißigjährigen Krieg setzte dann aber endgültig der Verfall der Klostergebäude ein. Das Kirchenbuch Jugenheims verzeichnete im Jahre 1632, das „Nonnenklösterlein auf dem Heiligenberg sey nunmehr gantz verfallen“. Seine Weinberge wurden aber auch nach dem Dreißigjährigen Krieg noch bis ins 18. Jahrhundert hinein bewirtschaftet.

Mit der Säkularisation 1803 fielen die Besitzungen des Klosters Lorsch an die Landgrafschaft Hessen-Darmstadt. 1810 wurde der Heiligenberg dem geheimen Finanzrat August Konrad Hofmann als Dank für seine Sanierung der hessischen Staatsfinanzen geschenkt. Hofmann ließ ab 1813 am Westhang des Marienberges ein Gut errichten und erste Sicherungsarbeiten in der Klosteranlage vornehmen. 1827 erwarb dann Großherzogin Wilhelmine das Hofgut - und damit schließt sich dann der Kreis.

Ab 1831 erfolgte die Renovierung bzw. Neuausgestaltung der ehemaligen Klosteranlage. Wilhelmine ließ auf den Fundamentresten ganz im Sinne der Romantik eine künstliche Kirchenruine errichten, für die Maßwerk der abgerissenen Kirche in Gronau herbeigeschafft wurde. Noch vorhandene Reste wurden dabei einbezogen, die massiven Mauerpfeiler des alten Chorbogens wurden allerdings abgetragen. Die westlich an den Chor anschließende Mauer wurde 1866 bei der Einfriedung des Kreuzgartens hinzugefügt. Die Ruine war schließlich Teil einer offenen Parkanlage, die vom Schloss bis zu den Weinbergen am Südwesthang des Heiligenberges reichte.


Die Kirchenruine ist heute frei zugänglich und steht als Kulturdenkmal unter Schutz. Ihr heutiges Erscheinungsbild geht in wesentlichen Teilen immer noch auf Wilhelmines Wiederaufbau zurück, von der mittelalterlichen Anlage sind dagegen kaum sichtbare Spuren erhalten geblieben. Erst die Ausgrabungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts zeigten Strukturen der Klosteranlage auf: Sie gliederte sich in eine kleine Kirche von ca. 14 × 9 Metern. Beidseitig des Chorbogens wurden westlich die Fundamente zweier gemauerter Altäre ergraben, vor denen jeweils ein Grab lag. Anhand der ergrabenen Fundamente konnte man diese Kirche in die Frühromanik datieren. Erweiterungen im Westen lassen auf einen um 1240 angefügten Turm schließen.

Im Süden schloss sich ein unterkellertes Wohngebäude an die Kirche an. Südlich dieses Gebäudes fand man auf der Hangkante die Fundamente der Umfassungsmauer und die noch sichtbaren Außenmauern zweier Nebengebäude, von denen die westliche mit einer Schildmauer verstärkt worden war. Südlich der Zentlinde steht eine weitere Außenmauer, offensichtlich befand sich dort als westlicher Abschluss der Klosteranlage ein mehrgeschossiges Torhaus.

Oh, und es gibt natürlich eine Sage!

Der Germanist und Schriftsteller Johann Wilhelm Wolf berichtete 1853: "Da erscheint in gewissen Nächten ein großer Zug von Nonnen, welche mit Kerzen in den Händen und unter frommen Gesängen den Berg umwallen." Des weiteren wird von einem unterirdischen Gang berichtet, der vom Kloster zum Dorf führte und von einem großen Hund bewacht wird....


Von hier aus sind es dann nur noch wenige Meter zurück zum Schloss. Dabei passiert man den hübsch auf dem hier recht schmalem Bergrücken gelegenen Schlossteich (203 m).

Kaum zu übersehen ist der stattliche Mammutbaum am Teich. Auch andere bis heute exotische Pflanzen kann man um den See herum und überhaupt auf dem Heiligenberg entdecken.


Wir wanderten schließelich wieder hinauf zum Schloss Heiligenberg (213 m), und zurück zum Parkplatz am Schloss (215 m), wo wir die heutige Runde abschlossen.

Nicht ohne uns mit dem Heiligenberg für den Sommer noch einmal zu verabreden. Wenn es hier warm ist und alles blüht - und man eine Wanderung im Schlossrestau abschließen kann, ist das sicher nochmal so schön!


Fazit:

Ausnehmend schöne Runde, zudem noch gespickt mit kulturellen und historischen Highlights. Wer mage, kann auch noch die alte Stammburg der Bickenbacher, das heutige Schloss Alsbach mit einbauen, das ergibt dann eine Runde von ca. 16 Kilometern, das ist auch nicht übermäßig lang. Oder man macht es wie ich, kommt nochmal in die Gegend zurück, und geht eine Runde vom Auerbacher Schloss zum Alsbacher Schloss und über Jossa und den Melibokus wieder zurück.

Tourengänger: Nik Brückner, Waldelfe


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T4
10 Feb 24
Melibokus und die drei Ruinen · Nik Brückner

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