Wandern unter Zwang


Publiziert von rojosuiza , 7. Oktober 2023 um 22:27.

Region: Welt » Schweiz » Wallis » Oberwallis
Tour Datum:10 September 2023
Wandern Schwierigkeit: T1 - Wandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-BE   CH-VS 

 
Das kann hier wohl keiner verstehen, denn hier sind hikr unter sich. Es gibt jedoch Menschen, deren Lust das Wandern nicht ist. Ihnen muss dann mit sachtem Zwang gezeigt werden, wie das Wandern geht, und zum Schluss muss man sie mit etwas Erpressung zwingen zuzugestehen, dass Wandern gar froh und frei macht…
 
Mein Lebenspartner ist als Autofahrer zur Welt gekommen in Los Angeles. In den Fünfziger Jahren kamen dort die Kinder mit Rädern zur Welt, während wir im alten Europa damals noch Beine zur Verfügung gestellt bekamen.
 
Wenn man sich dann trotz dieser abstrusen Komplikationen auf einen gemeinsamen Lebensweg – das Wort sagt es doch schon: Lebensweg! – einlässt, kann es nicht fehlen, dass der hiesige Wanderleiter seinen Weggefährten tatsächlich zum Wandern anhält. Man geht nicht im Frühherbst zwei Wochen ins Wallis und wanderte dann nicht!
 
Weil man es nicht zu schlimm machen will, und weil der Partner eine angegriffene Gesundheit hat, plant man eine sogenannte Idiotenwanderung. Es werden am Schluss sogar zwei.
 
Die erste sind ein paar Kilometerchen bergab, leicht und locker, dazu sind nicht einmal Wanderschuhe nötig. Es geht ab Goppenstein der Lonza nach. Der Bergfüher hat diese Strecke kürzlich höchstselbst absolviert, er kennt jeden Stein. Ab Goppenstein folgt man der Strasse. Man hüte sich, dass man nicht überfahren wird! Bald verläuft  der Weg neben einer geschlossenen Galerie. Sie schützt vor Auto und vor Autolärm. In Mittal wird es wieder kurzzeitig gefährlich und dann kommt es:
 
Es kommt das Verbotsschild.
 
Hier nun beginnt der prachtvolle Teil der Wanderung der Lonza nach. Man nimmt ein Stück der alten Kantonsstrasse, die nicht mehr befahren werden kann, seit die Lonza die Brücke weiter unten weggerissen hat. Danach folgt ein bezaubernder alter Saumpfad, zum Teil heute reduziert zum Bergweg, bis ganz hinab nach Steg.
 
Das Verbotsschild, was will es dem Bürger sagen? – Oh Bürger, wandre nicht, wenn du mit Rädern statt Beinen geboren bist?
 
Es könnte sein, dass es mit der Renovation der Eingangsgalerie zum neuen Tunnel zu tun hat. Überall liegen grosse Bohrkerne, wenn die durch die Luft flögen! – Aber am Wochenende wird nicht gearbeitet auf der Baustelle. Oder es fällt ab und zu ein Stein? – Aber im Gebirge fällt überall ab und zu ein Stein, nein?
 
So führt der Wanderleiter den Angelino listig neben dem Fussgängerverbot vorbei. Nach erspriesslicher Wanderung kommt man schliesslich beim neuen Kraftwerk oberhalb von Steg an. Es wird von einem Stahlnetz geschützt gegen fallendes Gestein. Wie der Wanderleiter sich nach der Passage noch einmal umdreht, da sieht er auch hier ein Verbot; Wandern verboten, Steinschlag. Wie schon ausgeführt,  im Gebirge fällt öfter einmal ein Stein. Es soll mit der Schwerkraft zu tun haben.
 
Nach dieser Hinabwanderung klagt der Wandergeführte zwei Tage lang: mein Waden! Das Hinabwandern hat auch seine Tücken.

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Was lässt Wadenpein wieder schwinden? – Wandern! – Deshalb, und da man ja auch nicht ungestraft ‚Wanderferien‘ macht,  kommt es nach ein paar Tagen dann zur Geradeaus-Wanderung.
 
Statt Südrampe der BLS kommt die Nordrampe dran. Auch diese Kleinstwanderung ist vorgekocht und muss jetzt nur aufgewärmt werden. Es ist eine angenehme, leichte Wanderung ab Kandersteg. Während alles hinaufrennt zum Oeschinensee, oder auf der Walliser Seite ameisenhaft auf der genannten Südrampe herumkraxelt, ist hier der Weg frei für rojosuiza, den Wanderleiter, und sein privates Wanderopfer. Man begegnet dem Schweizer Militär beim Sondieren; man sieht einen Zugtyp, wo er nicht hingehört, wohl beim Streckenlernen. Wenn man nicht mehr kann, der Amerikaner streiken will und schon voll Inbrunst an Helikopter denkt, beschliesst man aus Mitleid und aus Klugheit die Wanderung rabiat abzukürzen. Das bringt uns zur Burg.
 
Ich habe sie gewiss schon öfter gesehen, aber nie wirklich beachtet. Jetzt lagere ich den alternden Gefährten unten an der Burg. Sie steht auf einem gewaltigen  Steinsockel, hoch über uns. Keine Abenteuerlust bringt den Amerikaner hinauf,  aber die Schweizer Bergziege ist schon unterwegs. Höher und höher wird es, ganz raffiniert ist die Burgtreppe auf engstem Raum angelegt – T3! – aber der Bergheld schreitet unverdrossen bergan. Wo erzittert schliesslich auch des Bergerprobten Gemüt? – Wie er auf den Eisenrosten im Innern des Bergfriedes steht, unter sich nichts als stockwerktiefe Leere…
 
Schautafeln erklären, wie es alles gekommen ist, auch das Internet weiss viel zu sagen
zur Burgruine Felsenburg. Noch lauter spricht schliesslich das Baujahr des Landgasthofes an der Hauptstrasse zu Tunnel und ins Wallis: 1948. Mein Baujahr, sagt der Lebensgefährte. Ja, und weil er die Gedenktafel am Brunnen auf der anderen Seite der Strasse gelesen hat, weiss er auch, was es denn mit dem Jahr 1948 in Mitholz auf sich hat… Wo schliesslich hat das Militär sondiert: Uf der Flue!
 
So sieht man, Wandern bildet. Wandern gut für Verstand, Wandern gut für Herz und Gemüt. Es fördert die Zweisamkeit und kann sogar den einstigen Automenschen fest mit einem Immer-Nur-Fussgänger verbinden. Das ist seine wahre Magie.
 
Wie sangen übrigens schon die Alten, unter der Knute des Herrn Müller? – Das Wandern ist des Müllers Lust. Ja, man horche nur in sich hinein – da klingt es schon. Ja, man lese nur alles nach. Da gibt es nichts zu deuteln: Rad ist verbunden mit Stein, Wasser mit Waden, Müller und Meier, wandern für jeden und überall. Oh Wandern, Wandern: meine Lust!

Tourengänger: rojosuiza


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