Klettersteig Jegihorn 3206m + Lagginhorn 4010m via Westgrat (2 Tage)


Publiziert von Ororretto , 12. September 2023 um 18:24. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Schweiz » Wallis » Oberwallis
Tour Datum: 9 September 2023
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Klettersteig Schwierigkeit: K3+ (ZS+)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-VS 
Zeitbedarf: 2 Tage
Aufstieg: 2200 m
Abstieg: 2200 m
Strecke:13.9 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Kreuzboden
Zufahrt zum Ankunftspunkt:cff logo Kreuzboden
Unterkunftmöglichkeiten:Weissmieshütte SAC

Bereits letztes Jahr haben wir, d.h. AndyZ, J und ich, zu dritt eine zweitägige Bergtour unternommen (*Barrhörner 3610m, Schöllihorn 3499m Überschreitung vom Matter- ins Turtmanntal via Sänggini (2 Tage)). Da dieses Abenteuer ein super Erlebnis war, wollten wir auch dieses Jahr etwas Ähnliches unternehmen. Aus den gesammelten Bergtour-ToDo's fiel die Wahl auf die Kombination Jegihorn-Klettersteig + Lagginhorn mit Übernachtung in der Weissmieshütte. Gemäss Berichten zum Lagginhorn-Westgrat werden bei guten Bedingungen nur wenige bis keine zusätzlichen Skills benötigt, die über das fortgeschrittene Alpinwandern hinausgehen, womit dieser Gipfel ein vielversprechender Kandidat für einen ersten Viertausender für J und mich darstellt. AndyZ bring eine gute Portion Hochtouren-Erfahrung mit, sodass wir als Gruppe die Gefahren einschätzen können sollten. Durch die Kombination mit dem Klettersteig können wir den Anreisetag ebenfalls voll ausnutzen.


Tag 1: Kreuzboden - Weissmieshütte SAC - Klettersteig Jegihorn - Weissmieshütte SAC
Aufgrund Bauarbeiten auf der Strecke Zürich-Bern sind die Reisezeiten an den Wochenenden etwas verlängert. Aus diesem Grund machen wir uns also bereits frühzeitig auf den Weg ins Wallis, damit wir dennoch zu vernünftigen Zeiten starten können und ohne Stress rechtzeitig zum Abendessen in der Hütte sind. Dazu greifen wir auch gerne auf die Gondelbahn zurück, damit wir bereits auf 2400m in Kreuzboden starten können (Tarif CHF 19.50 hin+retour mit GA).

Wir peilen zuerst direkt die Weissmieshütte an. Dies ist zwar ein kleiner Umweg, aber absolut lohnenswert, wenn der Rucksack danach, ohne Steigeisen, Pickel und Hüttenutensilien, nur noch halb so schwer ist. Nach dem Ballastabwurf wenden wir uns dem Jegihorn mit seiner eindrücklichen, roten Südostwand zu. Nach der Brücke über den Triftbach verlassen wir den markierten wbw-Weg bergwärts. Ein guter Weg führt uns auf die westliche Moräne des Tälligletschers. Mit dieser Wegwahl nehmen wir nicht denselben Weg wie auf dem Rückweg, und können schon mal ein bisschen auskundschaften, welchen Weg wir morgen im Dunkeln finden werden müssen. Sobald wir auf der Moräne die Höhe des Einstiegs des Klettersteigs erreichen, verlassen wir diese auf einer guten Wegspur, welche ohne grossen Höhenverlust zum Einstieg traversiert. Die letzten paar Meter sind dabei aber nicht ganz ohne: In festem Fels muss kurz ein bisschen gekraxelt werden (T4 / I).

Schnell ist die Klettersteigausrüstung montiert und wir hängen uns am Stahlseil ein. Der Aufstieg zum Vorgipfel ist eine angenehme Kombination aus mittelschweren (K3) und einfachen (K2) Abschnitten, so, dass man genug Zeit hat, immer wieder mal das Panorama zu geniessen und zur eindrücklichen Brücke hochzuschauen, einem aber dennoch nicht langweilig wird. Überhänge oder Stellen, die besonders viel Armkraft benötigen, gibt es in diesem ersten Teil fast bis gar nicht. Lange Abschnitte kommen mit wenig bis gar keinen Eisenhilfen neben dem Stahlseil aus,  womit wirklich das Feeling des Kletterns und nicht eines Seilparks aufkommt. Zur Abwechslung finden sich aber auch ein paar Leitern in diesem Teil des Steigs.

Nach einem kurzen Abstieg vom Vorgipfel (ca. 3160m) kann man sich entscheiden, ob man noch etwas weiter bis zum Sattel bei P. 3093m absteigt und so die Brücke ("Zitterpartie") umgeht (K2-3) oder den Gang über den Abgrund wagt. Da wir die Brücke schon stundenlang von Weitem im Blick hatten, können wir es natürlich nicht erwarten, uns dieser Herausforderung zu stellen. Eine kurze Traverse durch eine Felswand bringt uns zum Anfang der Brücke. 120 Meter lang soll sie sein. Zittern mussten wir nicht, umso mehr konnten wir die luftige Passage geniessen. Nach der Brücke zieht die Schwierigkeit des Klettersteigs nochmals eine Stufe an: Nach einer plattigen Passage mit wenig Tritten folgt eine längere senkrechte Wand. Während sich hier ein beherztes Zupacken des Stahlseils häufiger anbietet als im ersten Teil, wird es aber auch hier nie überhängend und dank ausreichend Tritten gibt es auch keine Passagen, wo ein Sich-Am-Seil-Hochziehen die einzige Option ist. Damit konnten wir uns einigen, dass die Bewertung K3-4 für die schwierigsten Stellen dieses KS ausreichend ist.

Unter wolkenlosem Himmel und angenehmen Temperaturen erreichen wir frohen Mutes den Gipfel des Jegihorns 3206m und geniessen die Aussicht auf die Kette von Viertausendern von Strahlhorn bis Nadelhorn in vollen Zügen. Insbesondere die Gipfel des Mischabels faszinieren mit ihren scharfen Abbruchkanten.

Der Abstieg ist im oberen Teil meist weglos und von Blockschutt geprägt. Der Pfad im unteren Teil birgt mit seinen staubigen Steinen ein ständiges Ausrutsch-Risiko (T4). Aber nach etwas mehr als 400 Hm runter, ist der Spuk auch schon wieder vorbei und es geht auf einfachem Weg zurück zur Weissmieshütte, wo wir unser Quartier beziehen. Wir bekommen ein wunderbar angenehmes Vierbettzimmer in der alten Hütte zugeteilt, in welchem wir uns ohne Konflikt mit anderen Berggängern ausbreiten können.


Tag 2: Weissmieshütte - Lagginhorn Westgrat - Lagginhorn - Lagginhorn Westgrat - Weissmieshütte - Kreuzboden

Tagwache um 04:00, Morgenessen um 04:30, Abmarsch um 05:00. Alleine sind wir zwar nicht, als wir in der Früh im Stirnlampenlicht loswandern, aber allzu viele andere Berggänger hat es dann auch wieder nicht, und auf dem weiteren Aufstieg entfernen sich die Gruppen schnell voneinander. Von der Weissmieshütte aus überqueren wir wieder dieselbe Brücke über den Triftbach wie am Vortag, biegen dann aber nach rechts ab und folgen dem Bach einige Meter aufwärts, und danach auf die andere Moräne des Tälligletschers hinauf. Die Wegfindung ist auch im Dunkeln kein Problem. Jetzt aber gilt es, die Moräne am richtigen Punkt zu verlassen. Es herrscht etwas Unsicherheit bei uns und den anderen Gruppen diesbezüglich, und ein Paar steigt schon sehr früh weglos in die Mulde rechterhand der Moräne ab. Da wir aber damit rechnen, dass die Abzweigung auf dieser vielbegangenen Route gut sichtbar sein müsste, folgen wir der Moräne noch etwas weiter. Tatsächlich finden wir dann auch bald eine Schar Steinmänner, und eine gute Wegspur, die den weiteren Weg deutlich machen.

Auf langen Strecken auf dem Lagginhorn-Westgrat findet sich eine gut ausgeprägte und mit Steinmännern markierte Wegspur, die meistens auch nicht allzu schwierig zu gehen ist (T4). Dieser Charakter wird aber öfters durch wegloses Blockgelände, zum Teil auch abschüssig und exponiert (T5), unterbrochen. Hier sollte man möglichst immer einen Steinmann im Auge haben. Dies ist nicht ganz immer möglich, aber wenn man länger weder Wegspur noch Steinmann angetroffen hat, ist man vermutlich auf der falschen Route gelandet. Neben einer Vielzahl höherer Stufen, braucht man die Hände insbesondere für eine kurze Kletterstelle ungefähr in der Hälfte des Aufstiegs. Da diese aber nur kurz und nicht besonders exponiert ist, bewegt man sich hier höchstens im unteren II. Klettergrad.

Bis zum flachen Plateau kurz unter dem Gipfel gelangen wir bei den heutigen, ziemlich bestmöglichen Bedingungen, praktisch ohne Schneekontakt, und wenn, dann sind es 1-2 Schritte auf hartem Schnee mit guten Tritten, die kaum der Rede wert sind. Für die letzten paar Höhenmeter kann man sich heute entscheiden, ob man doch noch kurz die Steigeisen montiert und durch die Westflanke zum höchsten Punkt gelangt, oder die kurze aber sehr ausgesetzte Kraxelei der schneefreien Gratkante entlang wagt. Wir entscheiden uns für letztere Option. Dieses Schlussbouquet fordert uns sehr, aber überfordert keinen von uns, und nur wenige Minuten später stehen J und ich auf unserem ersten Viertausender: Dem Lagginhorn 4010m!

Leider ist der Platz am Gipfel knapp bemessen, und die Zahl der Mitbesteiger doch recht hoch. Deshalb halten wir unseren Aufenthalt am Gipfelkreuz kurz und steigen nach den obligaten Gipfelfotos wieder vorsichtig über den Grat zurück zum grossen Plateau unter dem Gipfel. Hier gönnen wir uns bei super angenehmen Temperaturen in der wärmenden Morgensonne eine verdiente Pause. Wir erinnern uns an die Gipfelrast am Barrhorn 3610m vor einem Jahr zurück, wo wir es vor Kälte fast nicht ausgehalten haben. Aber heute ist das Wetter perfekt, windstill, der Himmel wolkenlos und der Blick hinab auf die Welt uneingeschränkt.

So schön es aber auf dem Gipfel auch ist, folgt auf die Gipfelrast unweigerlich früher oder später der Abstieg. Wir folgen dazu derselben Route wie im Aufstieg, auch wenn wir sie in dieser Richtung als deutlich mühsamer und langwieriger empfinden. Mehrmals zweifeln wir daran, ob wir wirklich auf der gleichen Route aufgestiegen sind, da uns gewisse kniffligere Stellen ziemlich unbekannt vorkommen. Aber ausser kleinen Abweichungen müssten Auf- und Abstieg übereingestimmt haben. Nachdem wir unzählig viele Blöcke abgeklettert haben erreichen wir wieder die flachen Biwakplätze beim unteren Teil des Grates und bald darauf auch endlich wieder die Moräne und die Weissmieshütte

Mit einer letzten Einkehr verabschieden wir uns eine Stunde später von der Hütte und wandern gemütlich, dafür wieder mit schweren Rucksäcken, zurück nach Kreuzboden, wo wir ein letztes Mal zurück auf die erreichten Gipfel blicken und ein letztes Mal den Anblick vom Mischabel geniessen. Unweigerlich erleben wir danach die Kehrseite des schönen Wetters: Die Heimreise in überfüllten und schlecht klimatisierten Bussen und Zügen. Aber dies vermag die Erinnerungen an die perfekten zwei Tage überhaupt nicht zu trüben.


Zeiten und Schwierigkeiten
Hinweis: Die Wegzeiten und Schwierigkeiten beziehen sich auf die Strecke zwischen dem Checkpoint der vorhergehenden Zeile und dem Checkpoint der eingetragenen Zeile.

Tag 1: ↑ 900 Hm, ↓ 570 Hm
Zeit Checkpoint Höhe Angegebene Wegzeit Unsere Wegzeit Pause Schwierigkeit
09:45 Kreuzboden 2399m - - - -
10:20 Weissmieshütte SAC 2726m 55 min 35 min 20 min T2
11:25 Einstieg Klettersteig Jegihorn 2850m - 45 min 10 min T4 / I
14:10 Jegihorn 3206m - 2 h  35 min 45 min K3-4
16:05 Weissmieshütte SAC 2726m 1 h  30 min 1 h  10 min   T4

Tag 2: ↑ 1300 Hm, ↓ 1630 Hm
Zeit Checkpoint Höhe Angegebene Wegzeit Unsere Wegzeit Pause Schwierigkeit
05:00 Weissmieshütte SAC 2726m - - - -
08:45 Lagginhorn Gipfelplateau 3990m - 3 h  45 min* 5 min T5 / II
08:55 Lagginhorn 4010m - 5 min 15 min T5 / II
09:15 Lagginhorn Gipfelplateau 3990m - 5 min 25 min T5 / II
12:30 Weissmieshütte SAC 2726m - 2 h  50 min* 1 h T5 / II
14:00 Kreuzboden 2399m 35 min 30 min   T2
* inkl. ein paar kurzer Pausen.

Wegzeit Total: 12 h  10 min
Wegzeit Total Tag 1: 4 h  55 min
Wegzeit Total Tag 2: 7 h  15 min

Technische Ausrüstung
Tag 1: Helm, Klettersteigset, Klettergurt, Bandschlinge
Tag 2: Helm, Stirnlampe, Steigeisen (nicht eingesetzt), Pickel (nicht eingesetzt)

Fotos: AndyZ und Ororretto.

Tourengänger: AndyZ, Ororretto


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Geodaten
 61219.kml Tag 1. Manuell eingetragener Track.
 61220.kml Tag 2. Manuell eingetragener Track.

Galerie


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