Zwei kleine Perlen auf Walop...


Publiziert von lorenzo , 24. März 2023 um 08:05.

Region: Welt » Schweiz » Bern » Simmental
Tour Datum:22 März 2023
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: ZS-
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Ski Schwierigkeit: SS
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-BE   CH-FR 
Zeitbedarf: 7:00
Aufstieg: 1500 m
Abstieg: 1500 m
Strecke:16 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Von Spiez durch das Simmental nach Boltigen und über Schwarzenmatt zur Chlus
Zufahrt zum Ankunftspunkt:dito
Kartennummer:LK 1226 Boltigen; Swisstopo Skirouten

Frühlingsanfang - in den Voralpen ist der wenige Schnee sonnseitig bis weit hinauf bereits weggeschmolzen, schattseitig liegt aber noch prächtiger Firn wie im Hochgebirge, der den unbedarften Amateur dazu einlädt, seinen Hunger nach einem kleinen N-Wand-Abenteuer zu stillen. So hatte mich vorigen Samstag während der Rast auf der Kaiseregg direkt gegenüber im Süden und in tiefem Schatten die steil abfallende, von zahlreichen Rippen und Rinnen durchzogene N-Flanke des Schafbergs in ihren Bann gezogen. Schon bald hatte ich eine je durchgängige Aufstiegs- und Abfahrtslinie ausgemacht, die ich bei der nächsten Gelegenheit ausprobieren wollte. Die obere NW-Flanke vom Rotechaste wirkte von weitem zwar recht sperrig, ich war aber zuversichtlich, vor Ort auch dort einen gangbaren Weg zu finden. Bereits am darauf folgenden Mittwoch war es so weit: SLF meldete für das westliche Simmental immer noch grün, und bis zuletzt zogen auch diverse Meteoportale mit einer günstigen Prognose mit.

Wie erwartet, begann der Aufstieg von der Chlus mit 550Hm "Tragkomfort" in Obhut der erdrückenden Rockschwarteflue, aber schon nach gut einer Dreiviertelstunde waren die rund 45 Wegkehren geschafft, und ich konnte auf Uf Egg die Ski montieren. Zwischen den beiden Walopseen hindurch, die trotz anmutigem Frühlingsambiente noch dem Winterschlaf huldigten, gelangte ich auf griffigem Firn und gesetztem Pulver zügig zum Einstieg unter der Schafberg N-Flanke. Nach einem kleinen Mixedproblem in der Einstiegsrinne liessen die folgende Rampe und obere Rinne punkto Trittfestigkeit und "N-Wand-Atmosphäre" nichts zu wünschen übrig, aber nach einer zweiten kniffligen Mixedpassage beeilte ich mich angesichts bedrohlich überhängender Wächten am E-Grat, möglichst rasch auf den Gipfel zu kommen. Für die Abfahrt über die östliche N- und die NE-Flanke hätte ich wohl keine gute Note bekommen, indem ich bei der Querung zwischen den beiden Rippen, wo die Pulverauflage von der Sonne bereits bedenklich ausgedünnt und verkrustet war, und die harte Unterlage verdächtig kratzte, abrutschte und -schritt, und angesichts der schwindelerregenden Ausgesetztheit auch bei den übrigen Passagen praktisch die ganze Zeit ein Eisgerät in der Hand hielt. 

Beim kurzen Wiederaufstieg über die untere zur oberen Rotechaste NW-Flanke nahm die, bereits beim Zustieg zum Schafberg erahnte Linie durch letztere immer konkretere Formen an, auch schien sie bis zum NE-Grat durchgängig zu sein, wobei sich das Rätsel um den hinter dem NE-Rücken versteckten Ausstieg wohl erst zuletzt würde lösen lassen. Genussvolle Firn-, Eis- und Mixepassagen durch eine Rinne und über ein Band leiteten mich zu einem grösseren Firnfeld, das in die Ausstiegsrinne mündete, wo ich nochmals alle Register ziehen musste, bis ich um die Ecke blicken und in Griffnähe den Grat sehen konnte. Ein kurzes Alpinwanderintermezzo in Skischuhen führte mich auf den Rotechaste, von dem - dem zweithöchsten Gipfel der Stockhorn-Gantrisch-Kaisereggkette - ich endlich die umfassende Aussicht geniessen konnte. Nach einer kurzen berauschenden Sulzabfahrt und einem noch kürzeren Wiederaufstieg ohne Felle strandete ich auf dem ersehnten Garte - heute für mich ein Garten Eden, der zu einer erholsamen Pause einlud. Zunächst schwerelos entführte mich feiner Sulz über die S- zur SSE-Flanke, wo ich nach letzten Schneeflecken die Ski vorübergehend tragen musste, bis weiter unten und im Schatten der Flühe unter dem Bäderhore wieder genug Schnee lag, um es ab dem Rieneschli nochmals ziehen zu lassen, bevor dann im unteren Reidiggrabe Schusters Rappen schon wieder vernehmlich zum Galopp zurück in die blühende Chlus wieherte.

Schafberg

Aufstieg N-Flanke: von der Chlusbrücke (1113m) auf dem gelb markierten Bergweg (gelb) bis P. 1140, dann auf dem weiss-rot markierten Bergweg (wr) über Uf Egg (1667m) nach Vordere Walop (1665m und 1674m). Ansteigende Querung N vom Pfaffen (2006m) nach W und SE entlang dem Bach und P. 1891 W passierend (zuletzt 35 Grad) zum Einstieg bei ca. 1990 W des E Ausläufers der N-Flanke, 2h, T2, WS. Durch die linke zweier Rinnen nach SE hinauf (50 Grad), und Querung über vereiste Schrofen (M1) in die rechte Parallelrinne (50 Grad), die zu einer Rampe führt. Über diese (45 Grad) nach SW, eine Rippe überquerend, bis ca. 2100m, und durch eine weitere Rinne (50 Grad) wieder nach SE bis ca. 2180m. Querung über vereiste Schrofen (M1) in die NE-Gipfelflanke, und über diese (50 Grad) auf den Gipfel (2239m), 1h, ZS- (Hochtourenskala). Insgesamt 3h-3h 15min.

Abfahrt N-NE-Flanke: vom Gipfel (2239m) entlang dem E-Grat (Vorsicht auf Wächten!) bis zu einer markanten 1. N-Rippe. Über diese (45 Grad) ca. 30Hm hinunter und Querung (45-50 Grad) nach E ca. 30Hm zu einer 2. N-Rippe. Auf dieser (45 Grad) ca. 30Hm hinunter zu einer Rampe, die nach NE (120 Hm, 45 Grad) zum Kar bei ca. 2020m führt, und weiter nach N (35 Grad) zu einer Kuppe ca. 1920m, 30-45min, SS.

Rotechaste
Aufstieg NW-Flanke: von der Kuppe ca. 1920m nach ESE (40 Grad) über die untere NW-Flanke zum Einstieg in die Rinne N vom "o" bei ca. 2120m am Fuss der oberen NE-Flanke, 15-30min, WS. Durch diese (50 Grad, Stellen M1) hinauf und Querung auf einem Band nach SW zu einem Firnfeld. Über dieses zur Ausstiegsrinne (50 Grad, M1), die zum Sattel NE vom Gipfel führt, 30min, WS+ (Hochtourenskala), Skidepot. Über den NE-Rücken (Fels- und Grasschrofen, I) auf den Gipfel (2217m) und zurück, 15min, T5. Insgesamt 1h-1h 15min.

Abfahrt SSE-Flanke: vom Skidepot nach NE zu einer Rinne und durch diese und über die SSE-Flanke (40 Grad) hinunter zum Sattel 1994, ZS, 15min.

Garte
Aufstieg NW-Flanke-NE-Rücken: vom Sattel 1994 in Kürze über die NW-Flanke und den NE-Rücken auf den Gipfel (2040m), 15min, L.

Abfahrt S-SSE-Flanke: vom Gipfel (2040m) zuerst über die S-Flanke nach SSW, dann über die SSE-Flanke (35 Grad) gerade hinunter nach Rieneschli (1567m). Von dort Abfahrt zuerst SE vom Bach bis ca. 1400m, dann N vom Bach bis ca. 1350m, und zuletzt wr zurück zu P. 1140 und gelb wieder zur Chlusbrücke (1113m), 45min-1h, WS-, T2.

Insgesamt 5h 45min-6h 45min.

Verhältnisse: bei leichtem SW-Wind sonnig mit wenig Schleierwolken und mild. Schnee sonnseitig ab ca. 1600-1700m, schattseitig bis ca. 1350m. Sonnseitig hart und Sulz, schattseitig gesetzter (Press-)Pulver. In der Schafberg N- und Rotechaste NW-Flanke Trittschnee, am Schafberg E-Grat Wächten. In der Schafberg N-NE-Flanke über die 1. Rippe 10Hm mit Pickel abgerutscht, dann ohne abgefahren, Querung zur 2. Rippe mit Pickel abgerutscht und -geschritten, und über diese und die Rampe mit dem Pickel in der Hand abgefahren. Rotechaste NE-Rücken grösstenteils aper, Garte SSE-Flanke im unteren Bereich weitgehend aper. N von Schafberg und Rotechaste sowie unten im Reidigraben alte Lawinenzüge. Portage bis Uf Egg, über die Schafberg N- und Rotechaste NW-Flanke sowie den NE-Rücken, stellenweise in der Garte SSE-Flanke und ab dem Reidigegrabe unterhalb ca. 1350m.

Material: Helm, 2 Eisgeräte und Steigeisen zusätzlich zu üblicher Skitourenausrüstung.

Fahrplan: 6.30 Start, 7.45 Walop, 9.45 Schafberg, 11.45 Rotechaste, 12.15 Garte, 13.30 retour.

Tourengänger: lorenzo


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Kommentare (6)


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Bergamotte hat gesagt:
Gesendet am 25. März 2023 um 14:43
Amateur vielleicht, unbedarft sicherlich nicht. Aber ein bisschen Bescheidenheit (oder auch Koketterie) hat noch keinem Hikr-Bericht geschadet. Schöne Führen auf jeden Fall, das Auge eines Kenners halt.

lorenzo hat gesagt: RE:
Gesendet am 25. März 2023 um 18:39
Ein bisschen blauäugig darf oder muss man villeicht manchmal sein, um nicht bei jeder möglichen Eventualität gleich rot zu sehen...Und die Führen springen einem auf der Gegenseite wie von selbst ins Auge.

BaumannEdu hat gesagt:
Gesendet am 27. März 2023 um 00:36
Grossartige Tour ! Bravo !

lorenzo hat gesagt: RE:
Gesendet am 27. März 2023 um 21:53
Danke Edu, die Blume ist für Dich! Schon bald blüht dort oben wieder ein ganzes Paradies!

eeu hat gesagt:
Gesendet am 27. März 2023 um 09:22
Die kleine Nordwand Abfahrt "unashamedly virtuosic" (zit. Sato) und zum "Garten" noch den "Frühling" von ebendiesem und Vivaldi: https://www.youtube.com/watch?v=0FP9N2SbWn4
mit herzlichem Gruss, Eli

lorenzo hat gesagt: RE:
Gesendet am 27. März 2023 um 21:51
So "unashamedly virtusocic" war die Abfahrt leider nicht...umso virtuoser ist dafür einmal mehr Meister Sato, und umso genialer Maestro Vivaldi - sein Frühling ist wie der richtige einfach immer wieder bezaubernd!


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