Korab (2764)


Publiziert von cardamine , 11. Oktober 2022 um 23:12.

Region: Welt » Albanien
Tour Datum:24 September 2022
Wandern Schwierigkeit: T2 - Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: AL   MK 
Zeitbedarf: 6:00
Aufstieg: 1600 m
Abstieg: 1600 m
Strecke:22 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Radomirë (Strasse von Peshkopia durchgehend asphaltiert)
Unterkunftmöglichkeiten:Guesthouse in Radomirë oder Hotel in Peshkopia

Der Korab ist der höchste Berg von Albanien und Nordmazedonien - so behaupten es zumindest Wikipedia und hikr. Vor Ort sieht man das anscheinend anders, auf dem Gipfel weht allein die mazedonische Flagge. Auch der gps Punkt in der OsmAnd und Mapy.cz App blinkte am Gipfeltripoden ganz eindeutig auf der mazedonischen Seite der Grenze... und dann ist da noch das Problem mit dem nicht genau vermessenen unnahbaren Nordgipfel auf albanischem Gebiet, der mir ziemlich gleich hoch schien.... nun ja ob jetzt Höhepunkt von ein oder zwei Ländern ist mir eigentlich egal, der Korab ist ein Ultra und daran ändert sich im Gegensatz zu Landesgrenzen auch nichts.

Der Korab kann von Albanien (Radomirë) oder Mazedonien (Strezimir) aus bestiegen werden. Der Aufstieg von Albanien hat neben der vollständig asphaltierten Zufahrt zum Startpunkt den Vorteil, dass man ein eine Rundtour machen kann. Die Anfahrt über die Schotterpiste nach Strezimir, so wurde mir später von zwei Deutschen erzählt, hätten sie mit einem "normalen" Auto nicht geschafft...

Nichtsdestotrotz ist die Anfahrt nach Radomirë ein Abenteuer für sich, besonders wenn man noch nie in Albanien unterwegs war und mit den dortigen Strassenverhältnissen vertraut ist. Unter den Reisehinweisen des EDA für Albanien steht sogar fett gedruckt: "Von nächtlichen Überlandfahrten wird abgeraten."  Dieser Empfehlung wollte ich gerne nachkommen, was mir jedoch von den albanischen Grenzbeamten gründlich vereitelt wurde. Nach 2,5 Stunden Wartezeit am Grenzübergang Sukobin (ich frage mich, ob sie die Ausweise dort per Hand abzeichnen) begann die nächtliche Odyssee ins albanische Hinterland. In der Provinzstadt Peshkopia findet sich das dem Korab nächstgelegene Hotel. Die Fahrt im Dunkeln hat jedoch den Vorteil, dass man die Schlaglöcher besser erkennt und weil weniger Verkehr unterwegs ist, einfach die gesamte Strasse nutzen kann, um den Löchern und Strassenabsackungen auszuweichen. Auf unbeleuchtete Pferdefuhrwerke, Radfahrer in Gegenrichtung und unmarkierte Baustellen sollte man jedoch jederzeit eingestellt sein, auch darauf, dass ganze Brücken fehlen (Tipp: Erdwälle quer über der Strasse sind nicht immer Strassenschäden, sondern können auch Hinweis auf ein baldiges Ende der Strasse darstellen). Fährt man in albanischem Tempo, erreicht man Peshkopia von der Küste nach ca. 4 Stunden (hält man sich an die zahlreichen 30er Schilder vermutlich erst nach 8). Noch ein Tipp aus eigener Erfahrung: Die omnipräsente Polizei hat wenig Interesse an englischer Konversation und wenn man nicht mindestens doppelt so schnell fährt wie das Tempolimit wird man sowieso von den Einheimischen angeschoben.

Nach dem katastrophalen Zustand der Hauptverbindungstrasse zur Provinzhauptstadt Peshkopia bietet das 4-Sterne Hotel Veri schon fast einen surrealen Anblick: Blitzende Kronleuchter, duftende Bettwäsche und Arganölshampoo während das Umland in Schlaglöchern versinkt. Zu gerne hätte ich den nur 40 € teuren Luxus länger ausgekostet, aber am nächsten Tag hiess es früh raus zur langen Korab-Tour. Überraschenderweise ist die Strasse nach Radomirë nicht schlechter als die sogenannte "Hauptverkehrsader". 

In Radomirë weht schon ein Hauch von Tourismus: Ein recht neues Guesthouse mit chillenden Backpackern, Autos mit auswärtigen Kennzeichen, ein verblichener Wanderwegweiser - jetzt fühle ich mich nicht mehr ganz so fehl am Platz. Zu meiner Überraschung ist der Wanderweg zum Korab sogar nach Alpenvorbild rot-weiss-rot markiert, auch wenn ich prompt den Abzweig zur kürzeren Aufstiegsroute gleich am Anfang übersehe. Den Fehler bemerke ich erst, als ich eine Hüttenansammlung erreiche. Zum Glück kann man von dort noch über einen Hirtenweg zum offiziellen Wanderweg hinüberqueren. Der Aufstieg führt grösstenteils über Wiesen und ist auch gut zu finden. Die Schafherden mit den viel gefürchteten Hütehunden haben zum Glück Hirten dabei, sodass kein Angriff zu befürchten war. Am Korab-Südgrat trifft man auf die mazedonische Route und deutlich mehr Wanderer, ein recht bunter osteuropäischer Mix.

Mein Abstieg führte mich kurz über mazedonisches Staatsgebiet und über einen unmarkierten Sattel zurück nach Albanien. Von der Grenze führt ein Wanderweg in einen teils sumpfigen flachen Talboden (Gryka e Panairit) hinunter. Dort machte ich erstmals Begegnung mit der viel beworbenen albanischen Gastfreundschaft: Ein Schafhirte, der in diesem abgelegenen Tal offenbar nicht viele menschliche Begegnungen hat, war von dem Besuch einer Ausländerin derart aus dem Häuschen, dass er mich gleich zum Probieren seines selbstgemachten Schafskäses einlud und mir stolz sein bestes Schaf präsentierte. Nach einer ausführlichen albanischen Wegbeschreibung, von der ich natürlich kein Wort verstanden habe, folgte ich den roten Punkten es durch das endlos lange Tal Fusha e Korabit zurück nach Radomirë. Wie der alte Hirte den weiten Weg halb blind und mit Crocs geschafft hat, scheint mir ein Wunder, aber vermutlich hat er sein ganzes Leben lang nichts anderes als dieses Tal gesehen… fast beneide ich ihn darum, dass er nicht weiss, was die grosse weite Welt ausserhalb seines Tals alles zu bieten hat und er sich an so kleinen Dingen wie dem Besuch einer Fremden so erfreuen kann. 

Tourengänger: cardamine
Communities: Ultras


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Kommentare (1)


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eeu hat gesagt:
Gesendet am 12. Oktober 2022 um 12:28
Schöner Bericht; sehr schöne, urtümliche Landschaft, schöne
Begegnung mit einem Hirten aus einer anderen Zeit, dazu ein Gedicht:
وَالشَّمْسِ وَضُحَاهَا Wa Ash-Shamsi Wa Đuĥāhā
وَالْقَمَرِ إِذَا تَلَاهَا Wa Al-Qamari 'Idhā Talāhā
وَالنَّهَارِ إِذَا جَلَّاهَا Wa An-Nahāri 'Idhā Jallāhā
وَاللَّيْلِ إِذَا يَغْشَاهَا Wa Al-Layli 'Idhā Yaghshāhā
وَالسَّمَاءِ وَمَا بَنَاهَا Wa As-Samā'i Wa Mā Banāhā
Bei der Sonne und ihrem Morgenlicht!
Beim Mond, wenn er ihr folgt!
Beim Tag, wenn sie ihn bescheint!
Bei der Nacht, wenn sie sie verhüllt!
Beim Himmel und bei dem, der ihn gemacht hat! LG, Eli


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