Val Calnègia (Val Bavona)

Das Val Calnègia ist ein grandioses Hochtal eiszeitlichen Ursprungs und im tektonischen Sinne schwebend, da es mit einem starken Höhenabfall in das Haupttal (Val Bavona) mündet. Aus diesem Höhenunterschied von über 100 Metern entsteht auch der berühmte und spektakuläre Wasserfall.

Sehr schön und bezeichnend ist auch die Darstellung, die Chiara in ihrem Buch Tessin und Mesoclina - Ausflugsführer vom Val Calnègia macht:
"Val Calnègia: Tal aus dem Stein entstanden. Vom Stein gestützt, umarmt, edeckt, beschützt, geschmückt. Im mächtigen Vorstoss seiner Mauern sieht man eine Einladung, sich - zumindest im Geiste - zum Schöpfer zu erheben. 
Val Calnègia: Seitental der Bavona, schweebend über einer Felsstufe, von der ein mächtiger Wasserfall nach Foroglio fliegt. Es scheint unmöglich, dass eine Welt von solch rauher und faszinierender Schönheit nur einen Steinwurf von den Ebenen entfernt existieren könnte; doch diese Welt existiert und jedes Mal, wenn man sie mit Kinderaugen betritt, freut man sich über jedes Szenario, das das Tal in Hülle und Fülle zu bieten hat. Der Stein spricht in seinen tausend Formen und Schattierungen: Stein gewaltiger Mauern, die es zu beobachten oder zu erklimmen gilt; Stein, der an den agelegensten Orten in Treppen oder Häuser verwandelt wurde (wie in den schlimmsten Gegenden von Gazzana, Pisóm, Orsalietta, Orsalia, Auenn); Stein, der sogar als Dach fungiert (wie im Fall der Splüia bèla am Taleingang, die seit Jahren den legendären und kürzlich verstorbenen Älpler Arnoldo Dado beherbergt); Stein, der als Bett für grosse Märchenhafte Seen dient (die beiden von Formazzoo und die beiden von Crosa). Ein Ort wie das Val Calnègia zu betreten ist ein wahrer Segen, denn es ist, als würde maneine grosse Quelle des Lebens betreten.

Das ganze Tal ist, insbesondere an den Orten Puntìd, Gerra und Calnègia mit zahlreichen Unterfelsbauten und Kellern bestückt. Man hat hier die durch Naturgewalten (Felsstürze und Felsabbrüche) entstandenen topographischen Gegebenheiten genutzt um Behausungen, Ställe und Lagerräume für Käse (Keller) zu errichten.
Während ich durch Gerra gehe fühl ich mich zeitweise ins Land der Hobbits, ins Auenland mit seinen in die Erdhänge gebauten Höhlenwohnungen versetzt.
Keller und Ställe sind teilweise mehrstöckig übereinander gebaut. Immer werden abgebrochene und gestürzte Felsen und Felsplatten genutzt um unter oder an ihnen anliegend Wohnraum zu schaffen. Daneben existieren natürlich auch zahlreiche freistehende Steinbauten, die sogennannte Rustici. 
Dieses Seitental des Val Bavona gehört schwierigkeitstechnisch zu den einfachsten Routen des Val Bavona und ist zusammen mit dem Basisweg, welcher Cavergno mit San Carlo verbindet für jedermann zugänglich. Ideal auch um Kindern die Alpgeschichte des Tessins auf abenteuerliche und spielerische Weise näher zu bringen. 

In der Vergangenheit habe ich mir nie wirklich Zeit genommen die Weiler dieses Tal näher unter die Lupe zu nehmen. Entweder kam ich bereits von strapaziösen Touren im Bavonatal zurück und bin nur bis Puntid hochgegangen oder ich habe das Tal im Spätherbst jeweils in den noch stockfinsteren Morgenstunden mit Vollpackung durchquert und erst in Calnègia bei Dämmerlicht etwas gesehen.
Nach Calnègia führt ein steiler Treppenweg auf die Alpe della Cròsa und zu den gleichnamigen Seen. Es sind traumhafte Juwelen von Bergseen dort oben. Man kann dann weiter über die Bocchetta della Crosa und von dort absteigen zur Capanna Pian delle Creste. Dort befindet sich eine Hochebene, genannt Antabia. Es ist eine Miniaturausgabe der Greinaebene in Graubünnden. Von der Capanna Pian delle Creste kann man durchs Val d' Antabibia nach San Carlo absteigen oder über die Bocchetta Fornasel und die Alpe di Solögna nach Roseto. Beides Orte im Val Bavona. Die Tour von Foroglio durchs Val Calnègia nach Antabia und hinunter ins Val Bavona setzt eine gute körperliche Kondition voraus aber es lohnt sich diese Gegend zu besuchen. Ich habe diese Tour ende Oktober 2019 gemacht. Während diesen zwei Tagen ist mir keine Menschenseele begegnet. Hier könnt ihr ein Auge voll nehmen von dieser traumhaften Bergwelt oberhalb des Val Calnègia.

Für die Strecke von Foroglio nach Calnègia und auf dem gleichen Weg zurück benötigt man, reine Gehzeit, etwa 3 bis 3 1/2 Stunden. Wenn man allerdings die Weiler gründlich besichtigen will gibt es ein sattes Tagesunternehmen.