Wanderer über dem Nebelmeer


Publiziert von Nik Brückner , 5. Mai 2022 um 10:23. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Deutschland » Östliche Mittelgebirge » Elbsandsteingebirge
Tour Datum:25 April 2022
Wandern Schwierigkeit: T2 - Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 
Zeitbedarf: 0:30
Aufstieg: 80 m
Abstieg: 80 m
Strecke:1,7km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Von Bad Schandau über Krippen nach Schöna

"Der Wanderer über dem Nebelmeer" ist der Titel eines um 1818 entstandenen Gemäldes des Romanikers Caspar David Friedrich. Heute in der Hamburger Kunsthalle, ist das Bild in der Sächsischen Schweiz entstanden. Also nichts wie hin - denn das Bild mag zwar vielfältig deutbar sein (unter anderem hat man es als Metapher für Leben und Todesahnung, Begrenztheit und Weite, Höhe und Abgrund, Diesseits und Jenseits, Glaube und Irrung sowie - jawohl - Gott und die Welt interpretiert), aber vielleicht ging es Friedrich mit dem Bild einfach nur ums Wandern - mit dem erreichten Gipfel als Allegorie für das Ziel oder den Höhepunkt des Lebens vielleicht, von dem aus sich der Blick in die Zukunft richtet - oder ins Transzendente?

Man kann das in Hamburg herauszufinden versuchen, schöner ist's aber in der Sächsischen Schweiz. Denn auf dem Bild sind mehrere Motive aus der Gegend zu sehen. Das wichtigste: Der Felsen, auf dem der Wanderer steht.

Friedrich ist im Sommer 1800 als Hikr in der Sächsischen Schweiz unterwegs gewesen, gezeichnet hat er die Landschaft in den Jahren 1808 und 1812. Im Frühjahr 1813 lebte er in Krippen bei seinem Freund Friedrich Gotthelf Kummer, um den französischen Besatzern in Dresden aus dem Weg zu gehen. Er war auch 1814 nochmal dort, aus Angst vor ansteckenden Krankheiten.

Gut 200 Jahre später sind auch die Waldelfe und ich in der Sächsischen Schweiz unterwegs, um durch Friedrichs Gemälde zu wandern. Der zentrale Felsen im Vordergrund, auf dem der Wanderer steht, ist natürlich unser Hauptziel. Nur - wo genau befindet sich der?

Der Felsen gleicht dem auf einer Bleistiftzeichnung namens "Felsige Kuppe" vom 3. Juni 1813. Sie stammt nach heutigem Kenntnisstand aus dem Krippener Skizzenbuch Friedrichs. Der dargestellte Fels befindet sich am Aufgang zur Kaiserkrone bei Schöna.

Wir legten Risa Takedas "The Sorcerer's Castle" ein, um uns in die richtige Stimmung zu bringen, fuhren nach Schöna (275 m), und folgten dort der Beschilderung zur Kaiserkrone. Und gleich nach dem letzten Haus befindet sich rechts am Weg der berühmte Felsen: Ein etwa drei Meter hoher Klotz, in den Generationen von Wanderern ihre Tritte hineingefräst haben. Offensichtlich waren wir nicht die ersten, die diese Idee hatten...

Das Gemälde zeigt einen Mann in dunkelgrünem Gehrock, in aufrechter Haltung auf seinen Bergstock gestützt. Ich hatte extra meinen rechten Leki mitgenommen, und stieg hinauf, um das Nebelmeer zu sehen....

Nix war's. Kein Abgrund, kein Nebel - nur Laub und Schöna. Wie kommt's?

Friedrich hat das Bild weder nach der Natur, noch in der Natur gemalt. Vielmehr hat er auf seinen Wanderungen 1808 verschiedene Motive gezeichnet, die er später im Atelier zu seinem Bild zusammenmontiert hat. Das Bild kombiniert den Felsblock vom Fuß der Kaiserkrone, den Gamrig bei Rathen (im Mittelgrund links), Teile des Ausblicks vom Wolfsberg bei Krippen, den benachbarten Zirkelstein (rechts) und einen böhmischen Kegelberg (vermutlich den Růžovský vrch, links), gesehen von einem nordöstlich über dem Prebischtor liegenden Felsplateau aus.


...oder von der Kaiserkrone aus. Schließlich ist es ein Kegelberg! Also rauf zum Gipfel, um dann dort Ausschau zu halten.

Die Kaiserkrone ist die stark abgeschliffene und zerklüftete Ruine eines Tafelbergs. Die Erosion hat drei separate Felsgipfel entstehen lassen, die wie die Zacken einer Krone aussehen. An eine Krone erinnerte er aber nicht immer, und so sind zahlreiche Namen für den Berg belegt, darunter "Galitzstein", "Golzenstein", "Gallstein" und "Kahlstein". 

Von Friedrichs Felsen aus führen Holzstufen zur Kaiserkrone hinauf.

1885 hatte der Vaterländische Gebirgsverein Saxonia die ersten Treppenanlagen gebaut, Bänke aufgestellt und eine Wetterfahne errichtet. Einige dieser Stufen sind oben im Sandstein noch zu erkennen. Diese ersten Anlagen wurden später mehrfach erneuert. Heute besteigt man die drei Gipfelfelsen auf metallenen Treppen.

Wir stiegen auf den Holzstufen hinauf zu den Gipfelfelsen, und wandten uns oben nach rechts, in eine kleine Einsattelung zwischen Hauptgipfel und Südgipfel. Dann bestiegen wir zunächst den Hauptgipfel, wo noch einige alte Steinstufen und eine in den Fels gehauene Bank zu sehen sind.

Die Aussicht kann man schon inspirierend finden! Im Norden sind die Affensteine zu sehen, im Nordosten die beiden Winterberge, im Südosten der Rosenberg, im Süden der Zirkelstein, im Südwesten die Zschirnsteine, im Westen dann Gohrisch, Papststein und Kleinhennersdorfer Stein, der Lilienstein, und im Nordwesten die Schrammsteine.

Wir verließen den Hauptgipfel, und wanderten hinüber zum Südgipfel.

Hier gibt es neben alten Treppenstufen noch eine Besonderheit: In der Literatur findet man zwei Löwenfiguren beschrieben, die dann gerne das Prädikat "legendär" erhalten. Zu sehen ist allerdings nur einer, und besonders legendär sieht er nicht aus. Warum auch? Wer ihn geschaffen hat, ist unklar, wann ebenfalls, aber vor 1885 muss es gewesen sein. 

Noch weniger legendär ist der Fernsehmast, der hier steht, weswegen wir den Südfelsen schnell wieder verließen.


Wir umrundeten den Hauptfelsen, und bestiegen zu guter Letzt noch den Nordfelsen - vielleicht den schönsten der drei.

Von seinem vergleichsweise weiten Plateau hat man die gleich Aussicht wie von den anderen beiden Gipfeln aus, allerdings kann man von hier aus auch nach Schmilka hinuntersehen, zum letzten Ort vor der deutsch-tschechischen Grenze. Auch hier lassen sich alte Steinstufen ausmachen, oben wie auf einem Weglein, das fast um den ganzen Felsen herumführt.

Wir verließen schließlich die dreigipfelige Kaiserkrone, und machten uns an den Abstieg. Vorbei an Friedrichs Felsen gelangten wir wieder nach Schöna.


Fazit:

Schönes, kurzes Ründl, das sich als separate Tour wohl eher nicht lohnt, durch die Geschichte mit dem Gemälde aber deutlich aufgewertet wird. Wer mehr Kunst beim Wandern braucht, kann den ca. 14 Kilometer langen Caspar-David-Friedrich-Wanderweg gehen, der Krippen mit der Kaiserkrone verbindet. Und wer mehr über das Bild erfahren möchte, kann sich dieses Video ansehen.


Ich empfehle als Literatur für das Elbsandsteingebirge:
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1. den "Stiegen-Wanderführer Sächsische Schweiz" von Peter Rölke
2. die Bände "Klettersteigführer. Steige und Stiegen in der Sächsischen Schweiz" von Michael Bellmann
3. und für die ganz Genauen die Stiegenbücher aus dem Stiegenbuchverlag. Insbesondere Stiegenbuch I-III, Bergpfade I-III und Geheimnisvolle Wege I-III.

Die besten Karten, die ich kenne, sind die Wander- und Radwanderkarten 1: 15 000 von Sachsen Kartographie.

Tourengänger: Nik Brückner, Waldelfe


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