Von Burgen, Königen und Drachen, oder: Alle Stiegen am Lilienstein


Publiziert von Nik Brückner , 13. Dezember 2021 um 13:03.

Region: Welt » Deutschland » Östliche Mittelgebirge » Elbsandsteingebirge
Tour Datum:11 Juni 2021
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 
Zeitbedarf: 1:30
Aufstieg: 400 m
Abstieg: 400 m
Strecke:5km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Von Bad Schandau über Proschdorf zum gebührenpflichtigen Wanderparkplatz nördlich des Liliensteins.

Stiegen, Stiegen Stiegen! Ich war ein paar Tage ins Elbsandsteingebirge gekommen, um Stiegen zu gehen, zu viele wie möglich. Stiegen sind Routen, die weder Wanderwege noch Kletterrouten sind. Es handelt sich um teils alte Steiganlagen, mit deren Hilfe auch schwindelfreie und trittsichere Wanderer die teilweise recht großen Höhenunterschiede in den Sandsteinfelsen überwinden können. Der Charakter der Stiegen ist dabei sehr unterschiedlich, und reicht von in den Fels geschlagenen Tritten über steile Treppen und schmale Leitern in engen Klüften bis hin zu klettersteigähnlichen Anlagen mit Metallklammern und Sicherungsseilen. Nach zwei Tagen mit langen Stiegentouren in den Affensteinen und in den Schrammsteinen wollte ich an diesem Tag drei Tafelberge erkunden: Den Lilienstein, den Pfaffenstein und den Kleinhennersdorfer Stein. Ich begann meinen Tag am Lilienstein, wo ich möglichst alle Stiegen auskundschaften wollte.

Der Lilienstein ist einer der markantesten Tafelberge des Elbsandsteingebirges. Nicht umsonst stellt er das Symbol des Nationalparks Sächsische Schweiz dar. Die erste urkundliche Erwähnung des Liliensteins stammt aus dem Jahr 1379. Damals wurde er als "Ylgenstein" bezeichnet. Der Name hat also nichts mit Lilien zu tun, er wurde wohl eher von St. Gilgen oder St. Ilgen (dem Heiligen Aegidius) abgeleitet. Aus dieser Zeit stammt vielleicht die Felszeichnung eines Kreuzes am Südaufstieg.



Ich sprang im mein Auto, legte Magmas "Mekanïk Destruktïw Kommandöh" ein, und fuhr über die Elbe hinüber. Mein Plan: Sämtliche Stiegen am Lilienstein zu begehen. Und das sind so einige. Los ging's auf dem gebührenpflichtigen Wanderparkplatz (235m) nördlich des Liliensteins. Ich wanderte westlich herum und nahm zunächst den Südaufstieg zum Lilienstein. Ein bequemer Treppensteig. 

Zu den jüngsten Stufen dieses Aufstiegs dürfte eine Metalltreppe im Mittelteil gehören, die ältesten Stufen stammen dagegen schon aus dem Jahr 1708. Damals erstieg August der Starke den Berg, und ließ zu diesem Zweck auf der Südseite Stufen anlegen und in den Fels schlagen. An diesen Tag erinnert heute ein vier Meter hoher Obelisk auf dem Gipfelplateau.

Laut einem Bericht wurde der Lilienstein damals nach einem rauschenden Fest auf dem Königstein von August dem Starken an den preußischen König Friedrich Wilhelm I. verschenkt, von diesem aber wieder zurückgegeben. Tatsächlich ging es damals aber wohl eher um ernste Dinge. August der Starke verfolgte Pläne, den Lilienstein festungsartig auszubauen, und auch auf den anderen Tafelbergen Bastionen einzurichten. Allerdings fehlte zur Umsetzung dieser hochfliegenden Pläne am Ende das nötige Kleingeld. Umso besser für uns Wanderer!


In mehreren Kehren geht es auf Holz- und Steinstufen durch verstreut liegende Felsbrocken hindurch hinauf zur Felswand. Bald hilft eine Metalltreppe über eine Steilstufe, dann steigt man auf der 1708 errichteten Steintreppe hinauf in einen Felswinkel. Hier kann man in eine Spalte hineinkraxeln, man steht aber bald vor einem gähnenden Abgrund. Zurück am Weg geht es nun aus dem Winkel hinaus, über eine Brücke, und weiter auf der Steintreppe. Schon weit oben geht es dann an einer Steinmauer links in eine kleine Kluft hinein, und wieder hinaus auf das Plateau des Liliensteins.

Südaufstieg: schöne, bequeme Treppenstiege, T1


Oben angekommen, wandte ich mich zunächst nach links, und kraxelte zur Aussicht an der Westecke hinüber. Ein gut gesicherter Steig führt mit Hilfe von Treppen, Brücken und Leitern durch eine zerklüftete Felsenlandschaft. In einer tiefen Einsattelung kann man nach rechts vom Hauptweg weg mit Hilfe einiger alter Stufen zu einem natürlichen Felsbecken bei einer kleinen Höhle gelangen. Der Hauptweg aber führt weiter zur Aussicht an der Westecke (342m).

Die ist den Abstecher wert! Im Südwesten dominiert der Königstein, im Westen Kleiner und Großer Bärenstein, im Nordwesten, diesseits der Elbe, ist die Bastei zu sehen. 

Zur Aussicht an der Westecke: T2, mit Exkurs T3


Dann kehrte ich zurück zu der Stelle, an der der Südaufstieg heraufkommt. Wer hier nach links geht, also quasi der Fortsetzung des Südaufstiegs folgt, kann jenseits einigen Gestrüpps ein Geländer und Stufen entdecken, die zu einer kleinen Grotte hinunterführen. Die letzten Schritte nimmt man mit Hilfe von Eisenstümpfen, die einst wohl zu Metallstufen oder -klammern gehört haben. 

Abstecher zur Grotte: T3/I


Wieder zurück am Weg erwanderte ich das Gipfelplateau. Rechts am Weg befinden sich dürftige Ruinen einer ehemaligen Befestigungsanlage (Burg Lilienstein, 405m).

Der Lilienstein war schon früh Ort menschlicher Aktivitäten. Auf dem Plateau hat man Geräte aus Feuerstein gefunden, die aus der Steinzeit stammen (ca. 12.000 v. Chr. bis 2200 v. Chr.). Aus Bronze- und Eisenzeit stammen dann einige Keramikscherben. Um 1200 stand schließlich eine böhmische Burg auf dem Lilienstein. Um 1402 kam der Berg dann in den Besitz der Markgrafen von Meißen, der späteren Kurfürsten von Sachsen. Zu dieser Zeit gab es noch eine Burgbesatzung, aber bald verfiel die Burg; sie wurde wohl um 1550 aufgegeben.

Bei Grabungen zwischen 1894 und 1938 wurden gemauerte Befestigungsreste aus dem 14. Jahrhundert freigelegt. Außerdem fand man Bruchstücke von Gefäßen, einen Helm, Messer und Pfeilspitzen, Heute sind neben diesen Mauerresten noch Balkenlöcher erkennbar.


Gleich dahinter befindet sich die Felsbaude Lilienstein (410m).

Im 19. Jahrhundert wurde der Lilienstein touristisch erschlossen. 1873 wurde die erste kleine Bergwirtschaft eröffnet, heute befindet sich dort die Felsbaude Lilienstein. Anfang des 20. Jahrhunderts gab es dann Pläne zum Bau einer Bergbahn, die aber nicht umgesetzt wurden. Zu Versorgungs- und Logistikzwecken für die Bergwirtschaft existiert heute am Lilienstein eine Materialseilbahn.

An der Felsbaude Lilienstein wandte ich mich nach rechts, zu einer Aussicht.

Wunderbar die Sicht: Im Osten der Große Winterberg, die Affensteine und die Schrammsteine, im Südosten, jenseits der Elbe, die Zschirnsteine, der Papststein und der Gohrisch, im SüdePfaffenstein und Quirl, und im Südwesten prominent der Königstein.

Dann ging's weiter an der Felskante entlang an einem Mast vorbei weiter nach Osten. Dort steht ein Obelisk.

Der Lilienstein war noch im 18. und im 19. Jahrhundert Schauplatz militärischer Auseinandersetzungen. Das letzte Mal marschierten 1866 Truppen um den Lilienstein, es kam aber zu keinen Kampfhandlungen. Zu dieser Zeit gab es aber auch Besuche friedlicherer Zeitgenossen. 1865 wurde eine Triangulierungssäule für die Landesvermessung auf dem Lilienstein errichtet, 1889 ein sechzehn Meter hoher Obelisk, aus Anlass des 800-jährigen Bestehens des sächsischen Herrscherhauses der Wettiner.

Kurz vor der nächsten Aussicht, mit diesem Obelisk, kommt von rechts der ehemalige Aufstieg durch die Drachenschlucht herauf. Den sehe ich mir an. Steinstufen führen in einer Felsspalte hinunter in eine kleine Höhle, darunter sehe ich die Stümpfe der abgesägten Metallklammern. Machbar! Ich drehe meine Runde weiter nach Osten, und steige auf der Nordseite über die dortige Stiege ab.

Dieser Nordaufstieg wurde 1899/1900 durch den Bergwirt Karl Friedrich Bergmann angelegt. Oder ist er vielleicht doch älter? Lager für eine Bohlentür in der Schlucht im oberen Teil sowie die Jahreszahl 1708 in der engen Rechtskehre könnten das nahelegen. Weiter unten wird's dann moderner: Metalltreppen führen im Mittelteil bergab. 

Zunächst steigt man auf Steinstufen zwischen höher und höher werdenden Felswänden hinunter, erst nach rechts, dann nach links, dann wieder nach rechts ausschwingend. Dann steht man am oberen Ende einer hohen Stahltreppe, die eine alte Wegführung durch eine kleine Schlucht überspannt. Unten geht es dann um eine Felskante herum und auf einem leicht abfallenden Felsband weiter. An dessen Ende wendet sich die Stiege nach links, und eine längere Metalltreppe führt nun langsam aus den Felsen heraus. Die letzte Steilstufe wird noch einmal mit Hilfe einer kurzen Metalltreppe überwunden, zuletzt geht es auf Holz- und Steinstufen weiter bergab.

Den Nordaufstieg hinunter: schöne, steile Treppenstiege, T2

 
Unten umrundete ich den Lilienstein im Uhrzeigersinn an der Felswand entlang. Südseitig achtete ich auf Spuren des Aufstiegs durch die Drachenschlucht. Tatsächlich sind an einer Stelle verblasste Begehungsspuren zu erkennen: Es geht eine ca. 3 Meter hohe Felswand hinauf, an einem Spalt. Hier helfen künstliche Griffe und Tritte hinauf. Oberhalb kommt man zunächst in Gehgelände. Auf kaum noch erkennbaren Serpentinen geht es steil hinauf zur nächsten Felsstufe, zu einem quer liegenden Boulder. Über diesen führten einst Klammern hinauf, die heute abgesägt sind. Rechts am Fels sind aber gute Griffe, und die abgesägten Stümpfe der Klammern reichen aus als kleine, aber verlässliche Tritte. Schnell gelangte ich hinauf in die Drachenhöhle, durch die ich die zuvor bereits von oben erkundeten Steinstufen erreichte. Hier steigt man hinaus - und steht wieder auf dem Felsplateau.

Klasse! Das Suchen, Finden und Erkraxeln macht viel Spaß. Die Drachenstiege ist ein schönes kleines Abenteuer.

Drachenstiege: kurzes Kraxelvergnügen, T4/II


Ich stieg über den Südanstieg wieder hinunter. Am Fuß der Felswand wandte ich mich dann nach links, und blieb am Fels. Ich wanderte weiter nach Osten, in Richtung der Drachenstiege. Es geht ein paar Stufen hinauf, danach an einer hohen Felswand entlang. Kurz vor dem südlichsten Punkt, noch vor der Liliensteinnadel, führt links ein 1907 erschlossener Steig in die Südwand hinauf. Eine Folge eiserner Geländer weisen den Weg in eine steile Kluft hinauf. In einem Winkel geht es dann rechts hinauf, mit Hilfe einiger alter Klammern und weiterer Geländer zu einem abschüssigen Plateau in der Südwand des Liliensteins. 

Hier war früher ein geländergesicherter Aussichtspunkt, der 1907 eingerichtet und eröffnet wurde. Heute kommen allenfalls Kletterer noch hier herauf: Die Liliensteinnadel wird von hier aus erstiegen.

Südwandstiege: kurzes Kraxelvergnügen, T4/I


Auf dem gleichen Weg stieg ich wieder hinunter, und kehrte zum Wanderparkplatz Lilienstein (235m) zurück. Dann ging's weiter zum Pfaffenstein.


Ich empfehle als Literatur für das Elbsandsteingebirge:
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1. den "Stiegen-Wanderführer Sächsische Schweiz" von Peter Rölke
2. die Bände "Klettersteigführer. Steige und Stiegen in der Sächsischen Schweiz" von Michael Bellmann
3. und für die ganz Genauen die Stiegenbücher aus dem Stiegenbuchverlag. Insbesondere Stiegenbuch I-III, Bergpfade I-III und Geheimnisvolle Wege I-III.

Die besten Karten, die ich kenne, sind die Wander- und Radwanderkarten 1: 15 000 von Sachsen Kartographie.

Tourengänger: Nik Brückner


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