Gipfelbuchsammeln an den Zschirnsteinen, oder: Wo bleibt die Sprungskala?
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Der Große Zschirnstein ist zwar mit 560m die höchste Erhebung der Sächsischen Schweiz (des deutschen Teils!), doch erfreut er sich durch seine Weitläufigkeit einer relativ begrenzten Besucherzahl. Noch ruhiger geht's am Kleinen Zschirnstein zu -- also ein gutes Gebiet für diejenigen, die es in der vollen Wandersaison gerne ruhiger haben. Nichtsdestotrotz laden auch hier diverse spektakuläre Felsgipfelchen zum Kraxeln ein. Wir möchten gerne probieren, was davon alles free solo mitzunehmen ist!
Abgelegen ist dabei freilich relativ: Ein eingefleischter ÖPNVler wie ich kommt immerhin in fünzehn Minuten von Bad Schandau mit dem Bus nach Kleingießhübel an der Nordwestseite des Kleinen Zschirnstein, und auch von der Bahnstation Hirschmühle sind die Zschirnsteine nicht unerreichbar für einen Tagesausflug. In Kleingießhübel biegen wir vom breit asphaltierten "Wiesenweg" möglichst bald (dort, wo sich dieser in einer Kurve wieder etwas nach Norden wendet) rechts auf einen Wanderpfad ein, der in südlicher Richtung nach oben leitet. Wir steigen jedoch nicht direkt auf, sondern umrunden auf schmalem Pfaden direkt entlang der Felsen zunächst die Nordseite des kleinen Zschirnstein, bis uns in einer nordöstlich gelegenen Nische ein noch schmaleres Pfädchen im Zickzack auf die Höhe leitet. Oben angekommen wenige Meter nach rechts, und es gibt den ersten großartigen Aussichtspunkt mit der nördlichen Parade einer ganzen Reihe an weiteren Tafelbergen zu bestaunen. Wendet man seinen Blick hier direkt nach unten, blickt man auf eine kleine Wandabspaltung -- auf ihr ist eine der gebietstypischen Metallschatullen montiert, die ein Gipfelbüchlein enthält: die Schmale Wand. Wer Lust auf eine Kraxeleinlage hat, geht ein kurzes Stücken am Weg zurück und bei erster Gelegenheit nach rechts eine Felsspalte hinab (eine kleine Stufe muss überwunden werden, UIAA II). Nun steht man an der südwestlichen Schmalseite, über die im II. Sachsengrad (UIAA II-III) der Alte Weg auf die Schmale Wand leitet. Hält man sich beim klettern weiter links, wird es einfacher, doch leider auch ausgesetzter. Ein ungesicherter Auf- und Abstieg ist also etwas moralisch (es hilft, sich die guten Griffe schon beim Aufstieg einzuprägen, was ich leider nicht gründlich genug tat...).
Nachdem wir auch die unmittelbare, durchaus sehenswerte Umgebung noch etwas erkundet haben, stehen wir bald wieder oben, wo die Rucksäcke deponiert sind. Nun etwas zurück am Weg und nach rechts (Südwesten) den weiteren Aussichtspunkten zu. Der nächste, kaum 100m entfernt wieder rechtsab gelegen, wird durch einen Sendemast mit zugehöriger Hütte ver(un)ziert. Dessen ungeachtet bieten sich hier (außer den wunderbaren Blicken nach Nordwesten) schon die nächsten Kraxeleinlagen: Unmittelbar vorgelagert steht ein etwas niedrigeres Türmchen, der Kleingießhübler Turm. Vom Massiv führt ein Sprung zum Buch, der mit der niedrigsten Schwierigkeit der sächsischen Sprungskala (1) bewertet ist und (mit der gegebenen Vorsicht) auch ungesichert in beide Richtungen absolviert werden kann. Um in Sprungposition zu gelangen, muss man vom Aussichtspunkt auf Pfadspuren in einer größeren Rechtsschleife zunächst auf jenen Teil des Massivs gelangen, der dem Aussichtspunkt rechts des Gipfels vorgelagert ist (T3, bis hier schon lohnend!). Dann noch ein leichter Abstieg (UIAA I, T4+) auf einen kleinen Absatz, und ein kleiner Hüpfer hinüber zum Gipfel. Die Route heißt Bergweg und ist zusätzlich zur Sprungschwierigkeit 1 mit einem IIer der sächsischen Kletterskala bewertet. Wo man hier so schwierig klettern soll, erschließt sich mir freilich nicht... wäre hier (ganz gegen den Trend) mal eine Abwertung angesagt?
Bald wieder zurück, fassen wir auch die beiden Nachbartürme ins Auge. Der Zschirnsteinwächter, mittlerer und höchster Felsen der drei, bietet einen Alten Weg der Schwierigkeitsstufe sächsisch-II direkt vom Massiv weg. Die Kletterei ist allerdings durch einen beträchtlichen Spalt vom Massiv abgetrennt, welcher uns das seilfreie Klettern verleidet... ein Abrutschen könnte hier doch erschreckend ungesund enden. So wenden wir uns erst mal dem linken Turm, der Zschirnsteinwarte, zu. Sie bietet diverse einfache Anstiege, deren leichtester, der Alte Weg, mit sächsisch-I bewertet ist. Auch auf der UIAA-Skala überschreitet man hier die I kaum: Zunächst ein kurzer Abstieg (I+, T4) vom Massiv zu einer Birke, so hat man schon den schwersten Teil der Unternehmung hinter sich. Hier ein Übertritt oder Sprung über den Spalt und links über leichte Felsen zum Gipfel. Steigt man statt des Übertrittes noch weiter ab (I-II) bis zum Wandfuß, bieten sich dort weitere Kraxelmöglichkeiten. Ich probiere mich zunächst am Neujahrsweg: einem einfachen, gut gestuften Kamin, der sich in der Mitte der Südostwand bis nach oben zum Gipfel der Zschirnsteinwarte zieht. Er ist mit sächsisch II (eher hart) bewertet und geht meines Erachtens auch gut als UIAA II durch. Der Abstieg und Rückweg aufs Massiv verläuft dann am einfachsten entlang des Alten Wegs.
Hatte ich den Zschirnsteinwächter schon abgeschrieben, so erspähe ich vom Gipfel der Zschirnsteinwarte doch noch einen hübschen, nicht allzu ausgesetzten Riss in seiner Südwestwand: An ihm entlang verläuft der Südweg, dessen Schwierigkeit bereits eine sächsisch-III zugewiesen bekommt. Das scheint mir jedoch eine nettere und sicherere Alternative zum oben angesprochenen Alten Weg auf den Wächter mit dem saugenden Spalt im Rücken... So steige ich von der Birke am Massiv wieder nach unten, diesmal in die Scharte zwischen Zschirnsteinwächter und -warte. Ein Block liegt günstig, um an den Beginn des Risses zu gelangen. Der Einstieg ist etwas anspruchsvoller (UIAA IV) -- doch kann man hier nicht tief fallen. Dann stehe ich schon recht bequem im Riß (UIAA II), und oberhalb heißt es quasi nur noch Treppensteigen (UIAA I) -- geschafft! Da die anderen mir nicht folgen wollen, schnell wieder hinab. Hier komme ich auf die glorreiche Idee, über die Spalte des Alten Wegs einfach hinunterzuspringen. Erst als ich mich schon in der Luft befinde, bemerke ich, dass der Flug doch etwas länger dauert... die Landung auf den Felsen des Massivs ist dementsprechend hart! Das Wieder-Abklettern des Südwegs wäre wohl die weisere Wahl gewesen.
Wir ziehen weiter, die verwinkelten Pfade des Höhenzuges entlang. An der ausgeprägten Westkante des Massivs gibt es dabei rechtsab immer wieder kleine, hübsche Aussichtspunkte zu entdecken. Und der Kante vorgelagert finden sich häufig Felsgipfelchen, deren manche von Kletterern erschlossen sind. Das nächste Gipfelbüchleich findet sich auf dem Winkelblock, einem freilich recht unansehnlichen, bemoosten Brocken in einer Vertiefung -- eine 'Quacke', so nennt man das in Sachsen. Ich vergesse sogar ein Foto zu machen, daher hier der Verweis auf ein Foto von Quackensturm. Nur der Neugierde halber steige ich kurz von Westen hinab (I+, T4) und den Alten Weg (Sachsen-I) links auf der schrägen, feucht-schmierigen Südwand zur Buchschatulle hinauf. Immerhin, auch unter solchen Bedingungen sind im Auf-und Abstieg keine besonderen Herausforderungen zu bewältigen (erster Meter UIAA II und etwas glatt, danach problemlos, UIAA I). Mit viel Aussicht ist freilich nicht zu rechnen.
Kaum mehr als 100m in westlicher Richtung findet sich der weitaus hübschere Wackelstein, ein kleiner Wachtturm an der Nordwestecke des kleinen Zschirnstein. Sein Alter Weg soll nicht mehr als einen Sprung der Kategorie 1 sowie Kletterei des I. Sachsengrades beinhalten. Schon der Abstieg zur Sprungmöglichkeit auf einen kleinen Absatz kommt mir vergleichsweise anspruchsvoll vor (UIAA II, T5). Der Sprung selbst ist mir dann ohne Sicherung zu riskant. Die Gipfelschatulle ist vom Massiv aus auch nicht zu entdecken -- ist das überhaupt der richtige Stein??
Also geht es unverrichteter Dinge weiter zum nächsten, etwa 200m südwestlich gelegenen Aussichtspunkt. Ihm vorgelagert: der Panoramaturm, welcher wieder recht unkompliziert durch einen Sprung zu erreichen ist. So lassen wir uns dieses Ziel nicht nehmen, auch wenn er nicht als offizieller Klettergipfel geführt wird. Und doch finden wir hier -- gut versteckt in der Talseite hinter einem kleinen Absatz -- ein Gipfelbüchlein! Es ist kleiner als üblich, ganz neu (Sommer 2020) und enthält erst drei Einträge. Ob sich hier jemand privat ein kleines Vergnügen bereitet hat? Oder doch noch ein neuer Gipfel frisch und offiziell eingeweiht wurde? Wir wissen uns keinen Reim darauf zu machen, und auch eine Nach-Recherche im Netz fördert lediglich Ergebnisse zum Namensvetter des Turms in den Affensteinen zutage. Vielleicht kann hier jemand Aufschluss geben?
Wir sind nun nicht mehr allzu weit vom Südwest-Ende des Kleinen Zschirnstein entfernt. Es wird durch einen weiteren Turm, den Falkenkopf, markiert, der ebenfalls nicht als Klettergipfel geführt wird (wahrscheinlich aufgrund der zu niedrigen Schartenhöhe?). Er kann schnell über eine kleine Scharte mit leichter Kraxelei (UIAA II) erreicht werden. Neugierig geworden, suchen wir auch hier nach einem Gipfelbuch -- werden jedoch diesmal nicht fündig ;)
Nun wandern wir weiter nach Süden in Richtung des Großen Zschirnstein. Wir steigen auf schmalem Pfad ab, bis wir auf den Hirschgrundweg treffen. Ihm folgen wir nach links zum Schifferweg und dem B-Flügel (Steinway-gesponsert?), den wir bei erstbester Gelegenheit nach rechts verlassen, um an den Großen Zschirnstein zu gelangen. Beim Beginn der Treppen steigen wir zunächst nicht weiter hinauf, sondern queren auf einem Pfad weiter nach Süden unter den Westabstürzen entlang. Unser Ziel: Der Rentnerturm -- der einzige Klettergipfel am Großen Zschirnstein, dessen Besteigung wir uns ungesichert zutrauen wollen. Nach etwa 200m erspähen wir ihn, keck aus der Wand vorstehend, im Wald. Wir biegen links auf einen kaum sichtbaren Pfad ein, um dann mit etwas Kraxelei (UIAA II, T5) von Süden in die Scharte zwischen Turm und Massiv zu gelangen. Hier setzt die Nordostkante (sächsisch II) an: Sicherlich kein schwerer IIer (mit Ausnahme der Gipfelstufe sogar näher an UIAA I). Dafür eine beidseits sehr exponierte Route! In unserem Fall recht schmierig, weshalb wir uns die letzte Gipfelstufe nicht hinauftrauen. Auch der recht einfache Sprung vom Massiv (mit 2 wohl überaus hart bewertet) funktioniert für uns nicht, da er abwärts führt, was den nötigen Rücksprung deutlich schwerer macht... schade! Wäre das Equipment mit dabei, hätte man sich danach einfach abseilen können...
Nun denn, wir wollen ja heute noch auf dem höchsten Gipfel stehen! Wir ziehen zunächst noch etwas weiter unter den Westwänden entlang und erkunden das vielseitige Terrain um eine kleine Höhle (das Windloch), bevor wir schließlich über steile, schmale Pfade aufsteigen und den Südgipfel des Großen Zschirnstein erreichen. Hier gibt es neben einer kleinen Rasthütte auch ein Panoramaschaubild und eine markante trigonometrische Säule aus dem Jahre 1865, was für etwas mehr Bevölkerung sorgt. Nach Genuss des endlos weiten Blicks in die Tschechei machen wir uns schließlich auf den Heimweg und trotten auf breiten, manchmal kilometerlang schnurgeraden Wegen (der Marktweg, nicht empfehlenswert) gen Schöna zu. Da bis zur Abfahrt unseres Zuges noch etwas Zeit bleibt, erlauben wir uns sogar noch einen kleinen Abstecher zum Zirkelstein und der Kaiserkrone, bis wir schließlich zur Elbe Richung Bahnhof Hirschmühle absteigen.
Fazit: Großteils einsame Wanderung (bis T3), deren Blicke denen der von uns begangenen Kletterfelsen kaum nachstehen. Die Zugänge zu den Kletterwegen können manchmal auch T5 erreichen. Die Kletterwege und -felsen sind teilweise reizvoll, teilweise auch nur für Sammler interessant -- auf jeden Fall eine schöne Abwechslung und sportlicher Spaß, bestimmt auch mit (älteren) Kindern! Für jüngere (oder auch zur nervlichen Entspannung) evtl. Seil anzuraten. Dann geht oft auch noch deutlich mehr, z.B. wenn die fast überall eingerichteten Abseilstellen die Sorge des Rückwegs lindern. Zur Beschreibung der Sprünge bräuchte es hier auf hikr evtl. die Einführung der sächsischen Sprungskala! Vielleicht wünschenswert, wenn demnächst noch mehr Derartiges gepostet wird :)
PS: Habe die vielen einzelnen Gipfelchen jetzt mal als 'Klettergebiete' markiert, um den Zschirnstein nicht mit lauter Pseudo-Gipfeln vollzuspammen... aber natürlich auch nicht ideal. Hat jemand ne bessere Idee?
Abgelegen ist dabei freilich relativ: Ein eingefleischter ÖPNVler wie ich kommt immerhin in fünzehn Minuten von Bad Schandau mit dem Bus nach Kleingießhübel an der Nordwestseite des Kleinen Zschirnstein, und auch von der Bahnstation Hirschmühle sind die Zschirnsteine nicht unerreichbar für einen Tagesausflug. In Kleingießhübel biegen wir vom breit asphaltierten "Wiesenweg" möglichst bald (dort, wo sich dieser in einer Kurve wieder etwas nach Norden wendet) rechts auf einen Wanderpfad ein, der in südlicher Richtung nach oben leitet. Wir steigen jedoch nicht direkt auf, sondern umrunden auf schmalem Pfaden direkt entlang der Felsen zunächst die Nordseite des kleinen Zschirnstein, bis uns in einer nordöstlich gelegenen Nische ein noch schmaleres Pfädchen im Zickzack auf die Höhe leitet. Oben angekommen wenige Meter nach rechts, und es gibt den ersten großartigen Aussichtspunkt mit der nördlichen Parade einer ganzen Reihe an weiteren Tafelbergen zu bestaunen. Wendet man seinen Blick hier direkt nach unten, blickt man auf eine kleine Wandabspaltung -- auf ihr ist eine der gebietstypischen Metallschatullen montiert, die ein Gipfelbüchlein enthält: die Schmale Wand. Wer Lust auf eine Kraxeleinlage hat, geht ein kurzes Stücken am Weg zurück und bei erster Gelegenheit nach rechts eine Felsspalte hinab (eine kleine Stufe muss überwunden werden, UIAA II). Nun steht man an der südwestlichen Schmalseite, über die im II. Sachsengrad (UIAA II-III) der Alte Weg auf die Schmale Wand leitet. Hält man sich beim klettern weiter links, wird es einfacher, doch leider auch ausgesetzter. Ein ungesicherter Auf- und Abstieg ist also etwas moralisch (es hilft, sich die guten Griffe schon beim Aufstieg einzuprägen, was ich leider nicht gründlich genug tat...).
Nachdem wir auch die unmittelbare, durchaus sehenswerte Umgebung noch etwas erkundet haben, stehen wir bald wieder oben, wo die Rucksäcke deponiert sind. Nun etwas zurück am Weg und nach rechts (Südwesten) den weiteren Aussichtspunkten zu. Der nächste, kaum 100m entfernt wieder rechtsab gelegen, wird durch einen Sendemast mit zugehöriger Hütte ver(un)ziert. Dessen ungeachtet bieten sich hier (außer den wunderbaren Blicken nach Nordwesten) schon die nächsten Kraxeleinlagen: Unmittelbar vorgelagert steht ein etwas niedrigeres Türmchen, der Kleingießhübler Turm. Vom Massiv führt ein Sprung zum Buch, der mit der niedrigsten Schwierigkeit der sächsischen Sprungskala (1) bewertet ist und (mit der gegebenen Vorsicht) auch ungesichert in beide Richtungen absolviert werden kann. Um in Sprungposition zu gelangen, muss man vom Aussichtspunkt auf Pfadspuren in einer größeren Rechtsschleife zunächst auf jenen Teil des Massivs gelangen, der dem Aussichtspunkt rechts des Gipfels vorgelagert ist (T3, bis hier schon lohnend!). Dann noch ein leichter Abstieg (UIAA I, T4+) auf einen kleinen Absatz, und ein kleiner Hüpfer hinüber zum Gipfel. Die Route heißt Bergweg und ist zusätzlich zur Sprungschwierigkeit 1 mit einem IIer der sächsischen Kletterskala bewertet. Wo man hier so schwierig klettern soll, erschließt sich mir freilich nicht... wäre hier (ganz gegen den Trend) mal eine Abwertung angesagt?
Bald wieder zurück, fassen wir auch die beiden Nachbartürme ins Auge. Der Zschirnsteinwächter, mittlerer und höchster Felsen der drei, bietet einen Alten Weg der Schwierigkeitsstufe sächsisch-II direkt vom Massiv weg. Die Kletterei ist allerdings durch einen beträchtlichen Spalt vom Massiv abgetrennt, welcher uns das seilfreie Klettern verleidet... ein Abrutschen könnte hier doch erschreckend ungesund enden. So wenden wir uns erst mal dem linken Turm, der Zschirnsteinwarte, zu. Sie bietet diverse einfache Anstiege, deren leichtester, der Alte Weg, mit sächsisch-I bewertet ist. Auch auf der UIAA-Skala überschreitet man hier die I kaum: Zunächst ein kurzer Abstieg (I+, T4) vom Massiv zu einer Birke, so hat man schon den schwersten Teil der Unternehmung hinter sich. Hier ein Übertritt oder Sprung über den Spalt und links über leichte Felsen zum Gipfel. Steigt man statt des Übertrittes noch weiter ab (I-II) bis zum Wandfuß, bieten sich dort weitere Kraxelmöglichkeiten. Ich probiere mich zunächst am Neujahrsweg: einem einfachen, gut gestuften Kamin, der sich in der Mitte der Südostwand bis nach oben zum Gipfel der Zschirnsteinwarte zieht. Er ist mit sächsisch II (eher hart) bewertet und geht meines Erachtens auch gut als UIAA II durch. Der Abstieg und Rückweg aufs Massiv verläuft dann am einfachsten entlang des Alten Wegs.
Hatte ich den Zschirnsteinwächter schon abgeschrieben, so erspähe ich vom Gipfel der Zschirnsteinwarte doch noch einen hübschen, nicht allzu ausgesetzten Riss in seiner Südwestwand: An ihm entlang verläuft der Südweg, dessen Schwierigkeit bereits eine sächsisch-III zugewiesen bekommt. Das scheint mir jedoch eine nettere und sicherere Alternative zum oben angesprochenen Alten Weg auf den Wächter mit dem saugenden Spalt im Rücken... So steige ich von der Birke am Massiv wieder nach unten, diesmal in die Scharte zwischen Zschirnsteinwächter und -warte. Ein Block liegt günstig, um an den Beginn des Risses zu gelangen. Der Einstieg ist etwas anspruchsvoller (UIAA IV) -- doch kann man hier nicht tief fallen. Dann stehe ich schon recht bequem im Riß (UIAA II), und oberhalb heißt es quasi nur noch Treppensteigen (UIAA I) -- geschafft! Da die anderen mir nicht folgen wollen, schnell wieder hinab. Hier komme ich auf die glorreiche Idee, über die Spalte des Alten Wegs einfach hinunterzuspringen. Erst als ich mich schon in der Luft befinde, bemerke ich, dass der Flug doch etwas länger dauert... die Landung auf den Felsen des Massivs ist dementsprechend hart! Das Wieder-Abklettern des Südwegs wäre wohl die weisere Wahl gewesen.
Wir ziehen weiter, die verwinkelten Pfade des Höhenzuges entlang. An der ausgeprägten Westkante des Massivs gibt es dabei rechtsab immer wieder kleine, hübsche Aussichtspunkte zu entdecken. Und der Kante vorgelagert finden sich häufig Felsgipfelchen, deren manche von Kletterern erschlossen sind. Das nächste Gipfelbüchleich findet sich auf dem Winkelblock, einem freilich recht unansehnlichen, bemoosten Brocken in einer Vertiefung -- eine 'Quacke', so nennt man das in Sachsen. Ich vergesse sogar ein Foto zu machen, daher hier der Verweis auf ein Foto von Quackensturm. Nur der Neugierde halber steige ich kurz von Westen hinab (I+, T4) und den Alten Weg (Sachsen-I) links auf der schrägen, feucht-schmierigen Südwand zur Buchschatulle hinauf. Immerhin, auch unter solchen Bedingungen sind im Auf-und Abstieg keine besonderen Herausforderungen zu bewältigen (erster Meter UIAA II und etwas glatt, danach problemlos, UIAA I). Mit viel Aussicht ist freilich nicht zu rechnen.
Kaum mehr als 100m in westlicher Richtung findet sich der weitaus hübschere Wackelstein, ein kleiner Wachtturm an der Nordwestecke des kleinen Zschirnstein. Sein Alter Weg soll nicht mehr als einen Sprung der Kategorie 1 sowie Kletterei des I. Sachsengrades beinhalten. Schon der Abstieg zur Sprungmöglichkeit auf einen kleinen Absatz kommt mir vergleichsweise anspruchsvoll vor (UIAA II, T5). Der Sprung selbst ist mir dann ohne Sicherung zu riskant. Die Gipfelschatulle ist vom Massiv aus auch nicht zu entdecken -- ist das überhaupt der richtige Stein??
Also geht es unverrichteter Dinge weiter zum nächsten, etwa 200m südwestlich gelegenen Aussichtspunkt. Ihm vorgelagert: der Panoramaturm, welcher wieder recht unkompliziert durch einen Sprung zu erreichen ist. So lassen wir uns dieses Ziel nicht nehmen, auch wenn er nicht als offizieller Klettergipfel geführt wird. Und doch finden wir hier -- gut versteckt in der Talseite hinter einem kleinen Absatz -- ein Gipfelbüchlein! Es ist kleiner als üblich, ganz neu (Sommer 2020) und enthält erst drei Einträge. Ob sich hier jemand privat ein kleines Vergnügen bereitet hat? Oder doch noch ein neuer Gipfel frisch und offiziell eingeweiht wurde? Wir wissen uns keinen Reim darauf zu machen, und auch eine Nach-Recherche im Netz fördert lediglich Ergebnisse zum Namensvetter des Turms in den Affensteinen zutage. Vielleicht kann hier jemand Aufschluss geben?
Wir sind nun nicht mehr allzu weit vom Südwest-Ende des Kleinen Zschirnstein entfernt. Es wird durch einen weiteren Turm, den Falkenkopf, markiert, der ebenfalls nicht als Klettergipfel geführt wird (wahrscheinlich aufgrund der zu niedrigen Schartenhöhe?). Er kann schnell über eine kleine Scharte mit leichter Kraxelei (UIAA II) erreicht werden. Neugierig geworden, suchen wir auch hier nach einem Gipfelbuch -- werden jedoch diesmal nicht fündig ;)
Nun wandern wir weiter nach Süden in Richtung des Großen Zschirnstein. Wir steigen auf schmalem Pfad ab, bis wir auf den Hirschgrundweg treffen. Ihm folgen wir nach links zum Schifferweg und dem B-Flügel (Steinway-gesponsert?), den wir bei erstbester Gelegenheit nach rechts verlassen, um an den Großen Zschirnstein zu gelangen. Beim Beginn der Treppen steigen wir zunächst nicht weiter hinauf, sondern queren auf einem Pfad weiter nach Süden unter den Westabstürzen entlang. Unser Ziel: Der Rentnerturm -- der einzige Klettergipfel am Großen Zschirnstein, dessen Besteigung wir uns ungesichert zutrauen wollen. Nach etwa 200m erspähen wir ihn, keck aus der Wand vorstehend, im Wald. Wir biegen links auf einen kaum sichtbaren Pfad ein, um dann mit etwas Kraxelei (UIAA II, T5) von Süden in die Scharte zwischen Turm und Massiv zu gelangen. Hier setzt die Nordostkante (sächsisch II) an: Sicherlich kein schwerer IIer (mit Ausnahme der Gipfelstufe sogar näher an UIAA I). Dafür eine beidseits sehr exponierte Route! In unserem Fall recht schmierig, weshalb wir uns die letzte Gipfelstufe nicht hinauftrauen. Auch der recht einfache Sprung vom Massiv (mit 2 wohl überaus hart bewertet) funktioniert für uns nicht, da er abwärts führt, was den nötigen Rücksprung deutlich schwerer macht... schade! Wäre das Equipment mit dabei, hätte man sich danach einfach abseilen können...
Nun denn, wir wollen ja heute noch auf dem höchsten Gipfel stehen! Wir ziehen zunächst noch etwas weiter unter den Westwänden entlang und erkunden das vielseitige Terrain um eine kleine Höhle (das Windloch), bevor wir schließlich über steile, schmale Pfade aufsteigen und den Südgipfel des Großen Zschirnstein erreichen. Hier gibt es neben einer kleinen Rasthütte auch ein Panoramaschaubild und eine markante trigonometrische Säule aus dem Jahre 1865, was für etwas mehr Bevölkerung sorgt. Nach Genuss des endlos weiten Blicks in die Tschechei machen wir uns schließlich auf den Heimweg und trotten auf breiten, manchmal kilometerlang schnurgeraden Wegen (der Marktweg, nicht empfehlenswert) gen Schöna zu. Da bis zur Abfahrt unseres Zuges noch etwas Zeit bleibt, erlauben wir uns sogar noch einen kleinen Abstecher zum Zirkelstein und der Kaiserkrone, bis wir schließlich zur Elbe Richung Bahnhof Hirschmühle absteigen.
Fazit: Großteils einsame Wanderung (bis T3), deren Blicke denen der von uns begangenen Kletterfelsen kaum nachstehen. Die Zugänge zu den Kletterwegen können manchmal auch T5 erreichen. Die Kletterwege und -felsen sind teilweise reizvoll, teilweise auch nur für Sammler interessant -- auf jeden Fall eine schöne Abwechslung und sportlicher Spaß, bestimmt auch mit (älteren) Kindern! Für jüngere (oder auch zur nervlichen Entspannung) evtl. Seil anzuraten. Dann geht oft auch noch deutlich mehr, z.B. wenn die fast überall eingerichteten Abseilstellen die Sorge des Rückwegs lindern. Zur Beschreibung der Sprünge bräuchte es hier auf hikr evtl. die Einführung der sächsischen Sprungskala! Vielleicht wünschenswert, wenn demnächst noch mehr Derartiges gepostet wird :)
PS: Habe die vielen einzelnen Gipfelchen jetzt mal als 'Klettergebiete' markiert, um den Zschirnstein nicht mit lauter Pseudo-Gipfeln vollzuspammen... aber natürlich auch nicht ideal. Hat jemand ne bessere Idee?
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