Giebel - Salober - Laufbacher Eck


Publiziert von frmat , 24. August 2021 um 08:27. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Deutschland » Alpen » Allgäuer Alpen
Tour Datum:21 August 2021
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Mountainbike Schwierigkeit: L - Leicht fahrbar
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 
Zeitbedarf: 8:30
Aufstieg: 1800 m
Abstieg: 1800 m
Strecke:Hinterstein - Giebel - Laufbacher Eck - Hinterstein (36,5km)
Zufahrt zum Ausgangspunkt:PKW nach Hinterstein; Parkplatz Auf der Höh 10€/Tag

Der vom Laufbacher Eck nach Nordosten ausstrahlende Grat über den Salober und das Berggächtle zum Giebel ist einer der eindrucksvollsten Grasgrate der Allgäuer Alpen. Vom beliebten Wandergipfel aus präsentiert er sich als grüner Schwebebalken, als geschwungene und teils messerscharfe Linie zwischen Bärgündele- und Obertal. Im Steilgras versierten Bergsteigern entlockt der im allgemeinen Sprachgebrauch schlicht „Giebelgrat“ genannte Höhenzug einen anerkennenden Zungenschnalzer, verspricht er doch prickelnden Hochgenuss inmitten der idealtypischen Allgäuer Landschaft. Eine Gesamtüberschreitung zum Laufbacher Eck erfordert neben körperlicher und mentaler Fitness insbesondere hundertprozentige Trittsicherheit und Klettererfahrung im Steilgras sowie auf ausgesetzten, brüchigen Graten – und das über einen Zeitraum von mehreren Stunden. Obschon dieses Netzwerk bereits mehrere Berichte über den Giebelgrat listet, möchten wir hiermit einen weiteren Einblick in die zauberhafte Welt der vertikalen Blumenwiesen geben.

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Schwierigkeit:
  • Hinterstein – Pointhütte: (E-)MTB auf einfacher Asphaltstraße
  • Pointhütte – Feldalpe: Steiler Alpweg, T1
  • Feldalpe – Giebel: T6- und bis 60° im Gras, zuletzt auf deutlicher Trittspur
  • Giebel – Salober: zunächst im Fels bis II+, danach zwischen T4 und T6, mehrere Passagen I-II
  • Abstieg vom Salober und Wiederaufstieg zum Grat: Grasflanken bis 50°, eine Passage im Aufstieg kurz über 60°
  • Weiterer Grat bis zum Laufbacher Eck: T6, einige Stellen II und I, zuletzt 50° im Gras
  • Abstieg zur Pointhütte: T3
 
Gehzeit: 7:00 Std. ab/bis Pointhütte, zudem 90 Min. auf dem Rad.

Ausrüstung: C-Schuhe, Pickel, Stöcke, evtl. Helm
 
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Wie verabredet treffen wir uns um 7 Uhr am bereits gut gefüllten Parkplatz Auf der Höh in Hinterstein, der – wie allgemein bekannt – ein beträchtliches Loch in die Urlaubskasse reißt. Um dieses nicht noch größer werden zu lassen muss das örtliche Busunternehmen auf unseren Zuschuss verzichten. Wir starten stattdessen mit dem Rad, wobei zwei von uns mittels E-Antrieb schummeln und sich ein weiterer während der Anstiege eine ausgestreckte Zug-Hand genehmigt. Streng genommen ist also nur ein Viertel von uns aus eigener Kraft unterwegs, aber das können wir anderen gut verschmerzen. Gut gelaunt und perfekt warmgelaufen werden die Räder an der Pointhütte zu einem ansehnlichen Päckchen verschnürt, ein großer Schluck aus der Trinkflasche genommen, und dann kann es endlich losgehen.

Während Ulf dem Giebel bereits zum dritten Mal zu Leibe rückt, betreten wir anderen ab jetzt Neuland. Ohne Kompromisse geht es von Anfang an steil zur Sache. Der breite Alpweg überwindet schnell etliche Höhenmeter, und wir müssen zugeben, dass unser früher Aufbruch aufgrund der bereits jetzt vorherrschenden Hitze auch um 5 Uhr hätte erfolgen können. Ein Bachlauf spendet ein wenig Erfrischung, die letzte Abkühlung für mehrere Stunden. Wir passieren die Klammhütte und erreichen zuletzt recht flach die Feldalpe, die sich auf einem Absatz unterhalb des eigentlichen Gratverlaufs befindet. Der sieht von hier übrigens gar nicht mal so heftig aus, im Gegenteil wirkt er beinahe gutmütig und weitaus weniger spektakulär, als die vorher studierten Bilder versprochen haben. Aber keine Bange, wer jetzt enttäuscht ist kann beruhigt werden, denn die Schwierigkeiten liegen alle noch voraus.

Beim Anstieg steilt das Gelände allmählich auf. Das Gras ist kurz, schlecht gestuft und von mergeligen Flecken durchzogen. Hier hätte sich ein früherer Aufbruch gerächt, denn die Flanke ist trotz Südostexposition noch feucht. Mit Pickeleinsatz queren wir zum Grat raus, wo wir eine erdige und heute oft schmierige Pfadspur vorfinden, deren Begehung mein Herz des Öfteren in die Hose rutschen lässt. Zur Linken fällt die Wiese mit über 60° Neigung ein. Auf die andere Seite schaue ich erst gar nicht, denn da pfeift’s fast 900 m zum Giebelhaus runter. Am Gipfelkreuz des Giebel angekommen ist dann selbstredend eine Verschnaufpause für Körper und Geist angesagt. Rückwirkend betrachtet war dieser Abschnitt eine der Schlüsselstellen des Tages. Mit uns vieren sind dann alle Platzkarten am Gipfelkreuz vergeben, und dieser Umstand wird sich auch vorerst nicht ändern.

Ein wenig erholt starten wir anschließend ins Herzstück der Tour. Das Laufbacher Eck wirkt unendlich weit entfernt. Sich darüber Gedanken zu machen ist aber ohnehin nicht möglich, denn die Grasschneide strebt nun messerscharf dem höchsten Punkt am Giebel zu. Danach wenige Meter hinab und zum ersten von zahlreichen namenlosen Gratzacken. Unser Kandidat lässt sich ausgesetzt aber leicht überklettern (I-II), im Zweifelsfall in bester Reittechnik, die ich in den vergangene Jahren auf diversen *Touren optimiert habe. Der zweite, wesentlich höhere Turm entpuppt sich als weitere Crux. Gewöhnlich wird dieser Aufschwung auf einer erdigen Trittspur in atemberaubender Exposition in der Nordflanke umgangen, angesichts der suboptimalen Verhältnisse für uns heute indiskutabel. Stattdessen gehen wir den Kameraden frontal an und erklettern die schmale Felsschneide unmittelbar an der Kante (II+). Nach dieser kitzligen Passage wird der Grat bald breiter und leitet im Wesentlichen unschwierig, zuletzt jedoch steil, zum Gipfel des Berggächtle. Konzentration ist dennoch angebracht, denn das Gras ist immer wieder von Murmeltierbauten unterhölt. Da man diese unter dem Gras oft nicht sieht verhallt der eine oder andere Fluch in den Weiten über dem Obertal. Vom Berggächtle ist es möglich, ohne große Schwierigkeiten zum Aufstiegsweg zu gelangen (Notabstieg).

Der klassische Abstieg vom Berggächtle vollzieht sich auf der von oben schauerlich aussehenden Felsrippe, die sich bei näherer Betrachtung als recht gut gangbar erweist. Einige IIer-Stellen erfordern das vorherige Testen von Griffen und Tritten im nicht immer zuverlässigen Fels. Die nächste einfachere Graspassage führt uns zum namenlosen Felsturm, der bei den bisherigen Begehungen wohl immer auf der linken Seite umgangen wurde. Da machen wir keine Ausnahme, zumal diese Traverse kaum Zeit erfordert und zudem nur moderate Schwierigkeiten aufweist. Zurück am Grat lassen es sich drei Viertel unserer Gruppe nicht nehmen, den Turm von seiner abweisenden Seite genauer zu inspizieren. Angesichts der Ausgesetztheit verzichte ich dankend und genieße stattdessen das wunderschöne Ambiente, welches einen hier umgibt, ein herrliches Blumenmeer. Mehr und mehr Edelweiß bereichern die ohnehin üppige Flora. Wieder vereint ersteigen wir schließlich den Salober, auf dessen bekreuztem Gipfel wir uns in das etwas in die Jahre gekommene Buch eintragen – Halbzeit!

Der vom Salober abfallende Südwestgrat ist für Normalbergsteiger nicht zu haben. Es gibt auch keine Abseilstelle, sodass für uns nur eine Zeit- und kraftraubende Umgehung in Frage kommt. Über den Aufstiegsweg wandern wir einige Meter zurück und schwenken dann rechter Hand in die zunehmend steiler werdende Grasflanke ein. Immer wieder ist die Wiese von Mergelflecken durchzogen, über die wir in einigen Serpentinen einen Weidezaun ansteuern. Das Hindernis aus Stacheldraht wird kriechend unterwandert, ehe wir auf Viehgangeln den Salobergipfel etwa 300 m tiefer traversieren. Alle anderen (höheren) Varianten bieten keinen Vorteil, sondern sind aus unserer Sicht unnötig heikel, sodass wir von einer zu frühen Traverse deutlich abraten. Über steile Wiesen und Schuttrunsen ersteigen wir eine Rinne und verlassen diese über äußerst steiles Gras nach links auf eine markante Grasrippe (kurz über 60°), die nach einigen beherzten Pickelzügen abflacht und den Gratverlauf unterhalb des Abbruchs am Salober ansteuert. „Keine Gnade für die Wade“ – wie wahr!

Wenngleich der Löwenanteil der zu absolvierenden Höhenmeter hinter uns liegt, so folgen dennoch einige würzige Passagen, die dem bisher erlebten in nichts nachstehen. Eine markante Graskuppe wird zunächst recht einfach erwandert. Schließlich verhindert eine letzte Gratscharte einen einfachen Zugang zum Laufbacher Eck. Sie zu überwinden ist die finale Schlüsselstelle. Einige Passagen II, oft I, brüchige Felsen, zudem die gewohnte Exponiertheit – so präsentiert sich der Schlussteil. Auch sollte man sich nicht von den zahlreichen Edelweißnestern ablenken lassen, die immer wieder für kurze Fotostopps sorgen. Nachdem einige massive Felsblöcke umgangen sind – Vorsicht, hier ist fast nichts fest – erfolgt der Runout zum Gipfel in steilem, etwa 50° geneigtem Gras. Schließlich können wir uns auf dem Gipfel des Laufbacher Ecks die Hände reichen und zu einem Klassiker der Allgäuer Steilgrastouren gratulieren.
Der Rest ist schnell erzählt. Während sich die anderen noch den Nördlichen Rotkopf gönnen (ich war *letztes Jahr bereits dort und für den Hoachritar ist der Tag zu weit fortgeschritten), verbringe ich die Zeit mit Fotografieren auf dem Laufbacher Eck. Anschließend steigen wir auf dem Wanderweg zurück zur Pointhütte, wo ich vom Heimsieg der sympathischsten Mannschaft im deutschen Profifußball über die Schwatzgelben erfahre, und wir auf einen rundum gelungen Tag anstoßen, der mit der Rückfahrt nach Hinterstein noch einen würdigen Abschluss erfährt. Meinen Begleitern einen herzlichen Dank für den perfekten Bergtag und die tolle Kameradschaft!

Tourengänger: frmat, quacamozza, McGrozy, Mono


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