In Fisi-Stadt


Publiziert von ABoehlen , 3. September 2021 um 21:19.

Region: Welt » Schweiz » Bern » Frutigland
Tour Datum:12 August 2021
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-BE 
Zeitbedarf: 6:00
Aufstieg: 1100 m
Abstieg: 1100 m
Strecke:Kandersteg – I de Schleife – Fisialp – Jegertosse – Fisischafberg – Fisialp – Kandersteg, 11 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Kandersteg
Zufahrt zum Ankunftspunkt:cff logo Kandersteg
Kartennummer:LK1247 Adelboden

Die Temperatur steigt. Der Sommer 2021 scheint allmählich Vollgas zu geben. War es zu Wochenbeginn frügmorgens noch empfindlich kühl, so können wir nun bei offenen Fenstern schon imT-Shirt frühstücken ohne zu frieren. Das heisst im Gegenzug natürlich auch, dass es tagsüber an der Sonne schweisstreibender werden wird und demnach Aufstiegsrouten im Schatten zu bevorzugen sind.

Eine solche ist jene zur Fisialp, die ganz in der Nähe beim «Waldhotel» ihren Anfang nimmt. Vorbei an einem neuen Parkplatz erreichen wir in Kürze den Waldrand und gewinnen fortan rasch viele Höhenmeter. Hin und wieder weicht der Wald etwas zurück und gewährt sehenswerte Ausblicke auf die gegenüberliegende Talseite, die bereits ins Sonnenlicht getaucht ist. Nach etwas über einer Stunde nähern wir uns der Felsbarriere, die den Wald nach oben abschliesst und von unten die sichtbegrenzende Krete bildet. Was darüber liegt, ist nicht sichtbar und jedes Mal von Neuem eine Überraschung: Wald, Fels und der Talgrund bleiben zurück und vor unseren Augen erstrecken sich die nunmehr sanft geneigten Weiden der Fisialp mit der einzelnen Alphütte, umgeben von grasenden Rindern. Ihr Glockengebimmel erfüllt die Luft. Meine aktuelle Ferienlektüre, die Erzählung «Der Alpenwald» von Jakob Frey (1858), beschreibt eine ganz ähnliche Szenerie mit folgenden Worten:

Über diesen Felsen jedoch dehnt sich eine ziemlich ebene Trift, die sich in Länge und Breite mehr denn eine Viertelstunde erstreckt, bis sie weiter rückwärts von einem Gürtel dunkler Tannenwaldung abgegrenzt wird. Unmittelbar hinter dem Walde türmen sich gewaltige Felshörner, deren Klüfte und Schründe drei Vierteile des Jahres oder noch länger mit Schnee und Eis angefüllt liegen.

In der Tat: In den felsigen Abgründen zwischen den «gewaltigen Felshörnern» der Fisistöcke liegt noch an mehreren Stellen Schnee, was inzwischen aber – der allgemeinen Erwärmung geschuldet – im August sehr selten der Fall ist. In diesem Jahr jedoch fielen die ohnehin grossen Niederschlagsmengen seit Mai hier oben teilweise als Schnee, während heisse Tage, die der weissen Pracht zusetzen, bisher eher rar waren.

Auch heute sind die Temperaturen durchaus noch angenehm, denn ein kühles Lüftchen sorgt für Erfrischung, während wir unseren Weg – nun ohne Schatten – Richtung Fisischafberg fortsetzen. Im Gegensatz zum letzten Mal sind wir fast alleine unterwegs und geniessen die Ruhe rund tausend Meter über dem Tal. Daran ändert sich auch auf dem Weg zum Jegertosse (auch Jägerdossen geschrieben) nichts. Dieser Gipfel – von unten ein grimmiger Felsklotz – ist oben flach und grasbedeckt, also bestens geeignet für eine gemütliche Gipfelrast.

Wenn wir schon da oben sind, möchte ich noch die alte Bahnlinie besuchen, die ich bei der letzten Tour vor 2 Jahren da oben entdeckt habe. Einst wurden am Fusse des Inneren Fisistocks Steine abgebaut, die man für die Lawinenschutzbauten im Hang gegen das Tal einsetzte. Zwischen Steinbruch und Hangkante erstreckt sich aber eine vergleichsweise weite Ebene und um die Steine darüber zu transportieren, wurde ein Schienenstrang von rund 230 Metern Länge gebaut. Damit die Strecke auch wirklich eben verlief, mussten Senken aufgefüllt und in Bodenwellen Einschnitte gegraben werden. Diese Gleise sind trotz viel Vegetation noch immer sichtbar!

Statt am Ende der Strecke, bzw. dem einstigen Beginn am Steinbruch wieder umzukehren, schlagen wir den Weg in diese Steinwüste ein. Wobei es natürlich keinen Weg gibt. Stattdessen liegen riesige Felstrümmer, teils so gross wie Einfamilienhäuser kreuz und quer und ineinander verkeilt in der Gegend herum. Ihre Oberfläche ist eigenartig; abwechslungsweise mit hellen und dunklen Schichten, vermutlich ein Sedimentgestein. Sie ergibt einen guten Halt, da aber oft die Hände zum Einsatz kommen müssen, ist Vorsicht angebracht, damit man sich an den teils scharfen Kanten nicht verletzt. Obwohl wir nicht höher als 2200 m gelangen, passieren wir noch Schneefelder, ebenso Grasflächen, denen man ansieht, dass sie noch vor kurzem ebenfalls mit Schnee bedeckt waren. Wirklich ungewöhnlich für Mitte August!

Gegen die Vertiefung hin, die treffend «Im Tal» heisst, wird das Gelände einfacher und wir folgen einer Wegspur, die teils mit grünen Markierungen gekennzeichnet ist. Rückblickend wirkt die Trümmerlandschaft, die wir eben durchquert haben wie eine Stadt. Wir nennen sie Fisi-Stadt, und das besondere an ihr ist, dass es dort sogar eine Eisenbahn gibt :-)

Zurück auf dem Wanderweg entscheiden wir, auf demselben Weg abzusteigen, auf dem wir heraufgekommen sind. Das sind von hier aus noch rund 900 Höhenmeter. Und wie immer ist das Bergabwandern sehr ermüdend, da die Konzentration durchgehend hoch sein muss. Es ist steil und oft nass und rutschig. Aber wir gelangen ohne Zwischenfall unten an, wo es nun doch arg heiss geworden ist. Die Vorfreude auf eine erfrischende Dusche und ein anschliessendes leckeres Essen mit kühlem Blondem beflügelt nun unsere Schritte heimwärts.

Tourengänger: ABoehlen


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