Banc dal Sé 2330m - Manfred Mölgg gioca a carte oder Die Toscanische Hochzeit

Eigentlich müsste mein Bericht "Die Serviette" heißen, denn die Idee zu meiner heutigen Tour habe ich von einer Papierserviette an der Fodara Vedla. Darauf ist der Weg zum Nordgipfel des Banc dal Sé aufgedruckt, als angedeutete Skizze und mit der Höhenangabe von 2330m. Das muss mir als Tourenplanung genügen, denn andere Informationen und Wegbeschreibungen sucht man vergeblich!
Der Serviettenvordruck ist wohl auch nicht mehr ganz aktuell, begangen wird die Tour kaum noch. Anhaltspunkte oder Markierungen existieren nicht und Begehungsspuren gibt es höchstens tierischer Art.
Zunächst steige ich von Pederü zum Pisciodelsee, um die Banc dal Sé zu umrunden. Bei der Gelegenheit kann ich sie von allen Seiten begutachten und studieren. Der Banc dal Sé Steig wird aufgelassen und ist durch Murenabgänge und Felsstürze nahezu unbegehbar geworden. Also beginne ich meine Umrundung mit der Ciaminscharte. Sie wird im Winter als Skitour begangen, aber im Sommer ist sie für niemanden die Mühe wert. Ich suche mir selber die angenehmste, bzw. die am wenigsten unangenehme Linie durch das Geröllchaos. 
Wenigstens ein paar Gämsen queren hier, als Steig kaum brauchbar, aber immerhin eine Orientierungshilfe, auch Gämsen suchen nach der angenehmsten Linie!? Ich kämpfe mich durch den Schotter, quere mühsam ausgewaschene Geröllriesen und erreiche nach viel Beinarbeit die Ciaminscharte.
Früher gab es sogar einen Steig von Osten zur Croda Ciamin, aber er ist verfallen und nur noch angedeutet zu erkennen. Auch hier helfen mir zumindest Gamsspuren durch die steilen Hänge und ausgespülte Geröllschneisen.
Damit habe ich an der Croda Ciamin schon ein beachtliches Pensum abgeliefert und dabei bin ich ja immer noch nur im Zustieg zum Banc dal Sé. Gut, dass sich das feine Geröll ins Gran Valun nett abfahren lässt, so habe ich noch genügend Oberschenkelreserven für den Anstieg zu meinem eigentlichen Ziel, dem Nordgipfel des Banc dal Sé.
Nach meiner Serviette müsste es vor dem nördlichsten Gipfel des Massivs steil im Zickzack aufwärts gehen und dann von Süden zum höchsten Punkt mit 2330m. Und tatsächlich finde ich eine steile Wiese, die mich bis knapp unter die Grathöhe bringt. Sie endet in einer haarigen Geröllschlucht, es gibt nur diesen Zugang. Also wühle ich mich wieder durch den Schotter und greife nach allem, was halbwegs stabil aussieht (I-II). Nach wenigen Höhenmetern Steinbeißerei stehe ich am Nordgipfel des Banc dal Sé, wer hätte das gedacht, mit nichts als einer Papierserviette!
So hat sich das viele Geröll doch noch gelohnt, ich bin zufrieden, schleiche mich vorsichtig zurück durch das haltlose Geläuf ins Gran Valun und eile schnurstracks auf die Fodara Vedla zu. Doch bevor ich meine Serviette und den dazugehörigen Kuchen bestellen kann, streift mein Auge Manfred Mölgg, wie er in der Stube unerkannt mit Kollegen Karten spielt. Mein anderes Auge streift eine ganze Gesellschaft festlich gekleideter Menschen, in wenigen Minuten findet  in der kleinen Kapelle nebenan eine Trauung statt. Das Brautpaar ist samt Hochzeitsgesellschaft aus der Toscana angereist nur um hier zu heiraten und zu feiern!
Vielleicht ist der Kuchen deshalb so gut, David hat sich selbst übertroffen, selten eine so schmackhafte, fluffige Sachertorte gegessen wie heute! Während ich den zarten Teig auf der Zunge zergehen lasse, spielt Manfred Mölgg seelenruhig weiter Karten und der Priester legt sein Messgewand an. Ich verabschiede mich noch vor der Zeremonie, reiche dem Pfarrer wenigstens die Coronafaust und flüchte, bevor mich die angesagten Gewitterschauer überraschen.
Was für ein erlebnisreicher Tag, auf der Heimfahrt gehe ich mögliche Titel für meinen heutigen Bericht durch, statt "Steinbeißer" ist es dann doch Manfred Mölgg geworden ;-)