Großglockner Stüdlgrat - einer dieser "Ostalpen-Klassiker"


Publiziert von simba , 26. September 2020 um 11:59.

Region: Welt » Österreich » Zentrale Ostalpen » Glocknergruppe
Tour Datum:14 September 2020
Hochtouren Schwierigkeit: ZS
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A   A-T   A-K 
Aufstieg: 1000 m
Abstieg: 1920 m
Unterkunftmöglichkeiten:Stüdlhütte

Einer der "Klassiker der Ostalpen", der "beliebteste Gratanstieg auf den höchsten Berg Österreichs" - das tönt...nach entsprechendem Andrang. Die bereits etwas zurückliegenden "Rennerfahrungen" am Ortler Hintergrat (noch so ein "Ostalpen-Klassiker") wurden gut reflektiert und die Erkenntnisse zur Vermeidung entsprechender Erfahrungen versuchten wir am Stüdlgrat (Topo) mit dieser Zielsetzung umzusetzen. Aus dieser sozusagen "Fallstudie" - in Anbetracht des verlinkten Topos und diverser guter Beschreibungen bei hikr - einige hoffentlich ergänzende und hilfreiche Tipps (den Tipp, an einem Wochentag zu gehen, spare ich mir insoweit ;)):

- Am Ködnitzkees hält man sich am besten immer ganz rechts in Aufstiegsrichtung, zwischenzeitlich auf dem Rand des Schneekolks. Zumindest eine große Spalte muss auf einer Brücke überquert werden; "spaltenfrei" oder "seilfrei" ist hier aus unserer Sicht nichts. Das Queren nach links Richtung Gletschermitte und Zurückqueren Richtung Einstieg (von einigen praktiziert, wohl um die Spalten zu umgehen) bringt außer Zeitverlust nichts.

- Der Einstieg in die sog. "Petersstiege" am Gratbeginn vom Gletscher weg ist im unteren Teil vor dem Frühstücksplatz die schwierigste Kletterstelle (kurz III, brüchig). Vermutlich ergibt sich diese Stelle insbesondere durch das Abschmelzen / Absinken des (bei uns hier aperen) Gletschers und ist ggf. bei höherer Schneelage überhaupt nicht vorhanden. Danach ist die Peterstiege zunächst brüchig, es bessert sich aber alsbald, je näher man dem Grat kommt. Die Routenführung (immer leicht rechtshaltend in Richtung Grat) ist offensichtlich, es hat bis zum "Rinnenkamin" durchweg Wegspuren und immer wieder Sicherungsstangen (im Zweifelsfall sind die Stangen der bessere Wegweiser).

- Staumanagement ist wichtig, aber nach unserer Einschätzung aufgrund der meist geringen Schwierigkeiten und kurzen schwereren Stellen bei weitem nicht so wichtig wie bei anderen Routen ohne gute Überholmöglichkeiten (Bsp: Diamantstock Ostgrat) - zumindest gilt das an einem Wochentag ;) Überholen funktioniert bis zum Frühstücksplatz recht gut, da die Routenführung am Grat oder in der Westflanke durchaus etwas beliebig ist. Nach dem Frühstücksplatz klappt Überholen regelhaft nur noch "auf Anfrage", da die Kletterlinie am Grat eindeutig vorgegeben ist. Unsere Taktik: Früher Einstieg (Abmarsch Hütte kurz nach dem Frühstück um 05:00 um 05:15 Uhr) und laufendes Seil bis auf die Stellen, wo wir ohnehin warten mussten ("Hangelgrat", "Klapfl"), hat bis zum Gipfel bestens funktioniert (Zeitbedarf: 3:30 Stüdlhütte - Gipfel). Wir starteten als Nr. 3 in die "Petersstiege", überholten Nr. 1 und 2 stressfrei im Gratverlauf und ließen 4 Bergführer-Seilschaften im oberen Teil entspannt passieren; hinter uns folgten am Grat allerdings noch ca. 15 weitere Seilschaften. Alternativ dürfte (was ein Wunder) ein antizyklisch sehr später Start eine ähnliche gute Wahl sein, um nicht im Pulk zu stecken.

- Laufendes Seil (max. ca. 20m) ist ansonsten in Anbetracht der außerordentlich zahlreichen (!!!) Fixpunkte ideal, um sich schnell in diesem Gelände mit nur kurzen schwierigeren Stellen fortzubewegen. Weiteres Sicherungsmaterial brauchten wir mit Ausnahme einiger langer Schlingen nicht.

- Andere Seilschaften sind am Stüdlgrat (wie sich aus Obigem ergibt) zahlreich, insbesondere unsere Begegnungen mit bergführer-geführten Seilschaften waren - anders als an anderen Modebergen (z. B. Ortler) - überraschend freundlich. Regelhaft waren diese Seilschaften so schnell unterwegs, dass man sich - außer man geht selbst alles seilfrei und dann werden sie einen wiederum wieder überholen lassen ;) -  keinen Stau einhandelt, wenn man sie zum Überholen ansetzen lässt, womit man wiederum das "Getriebensein" durch solche eher schnellen Seilschaften mindert und den Genuss (Ach ja, genau) steigert. Man hat den Eindruck, dass den Bergführern der Anstieg viel Spaß macht, was mit einem höheren Maß an Gelassenheit einhergeht ;)

- der Abstieg auf dem Normalweg ist technisch einfach, Konzentration ist aber aufgrund des Gewusels um einen herum, der beachtlichen Ausgesetztheit und wegen der teilweise sehr glattgeschliffenen Felsen notwendig. Die stressigsten Passagen sind Abstieg in die und Aufstieg aus der Glocknerscharte zum Kleinglockner, da hier wenig Potential zum Ausweichen besteht. Die Begegnungen mit anderen Seilschaften und auch Bergführer-Seilschaften sind hier ebenfalls zahlreich, aber (erwartet) unangenehm - teilweise wird man rund um die Glocknerscharte mehr oder weniger abgedrängt oder mit dem Seil so eingewickelt, dass man sich nicht mehr wegbewegen kann (Kein Scherz!). Man hat den Eindruck, dass manchem Bergführer dieser Anstieg mal sowas von gar keinen Spaß macht (uns selbst ja auch eher weniger ;)), was sich in einem geringeren Maß an Gelassenheit und genervten Kommentaren gegenüber ihren Kunden oder auch uns ausdrückt. Hier hilft außer Gelassenheit oder konsequentem Seilfrei-Gehen, was bei den vielen wuselnden Leuten um einen herum auch dann nicht ohne Risiko ist, wenn man das Gelände sonst gut im Griff hat, keine Taktik: Zeitbedarf 1,5 Stunden (!! - für etwa 180 Höhenmeter) bis zum Ende des Glocknerleitls. Alternative Taktik: Stundenlange Gipfelpause und Abstieg via Stüdlgrat (mit 30m Abseillänge kann man hier alle schwereren Stellen abseilen) nach Abklingen des Andrangs über diesen Anstieg ;)

- am Glocknerleitl ist, wenn der Schneeanstieg im zentralen Bereich der Rinne irgendwie gangbar ist (bei uns gerade noch in Ordnung dank des Neuschnees Ende August) und man sich im steilen Firn sicher fühlt, dieser immer dem Felsabstieg (in Abstiegsrichtung links) vorzuziehen. Da man im Aufstieg an den Tauen am Beginn des Felsanstiegs zuerst vorbeikommt, zweigen die allermeisten Seilschaften hier ab und man hat im Firnanstieg nur wenig Gegenverkehr und es geht zügig, während im Felsanstieg nervige Kreuzungsmanöver auf engem Raum (trotz zweier paralleler Tau-Strecken) warten würden. Einzige Problemstelle bei dieser Lösung: Oberhalb des Leitls ist der Platz zum Steigeisen-Anziehen etwas beengt...

- Zur Verdeutlichung: wir waren an einem Wochentag außerhalb der Schulferien Österreichs, Deutschlands, Italiens sowie der Schweiz unterwegs. Wie es hier an einem schönen Wochenendtag zugeht, möchte ich mir nicht ausmalen...

Anm: Höhenmeter ab Hütte und mit Abstieg ins Tal

Tourengänger: simba, Nala


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