"Renneindrücke" vom Ortler (3905m) Hintergrat
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Jeder der schon einmal vom Reschenpass ins Vinschgau gefahren ist, kann es bestätigen: Der König, das ist der Ortler, der weithin sichtbar im Süden thront und seinen finsteren "Nordwand-Schlauch" den südwärts fahrenden Passfahrern präsentiert. Und weil dieser Anblick den überwiegenden Großteil der Bergsteiger quasi automatisch animiert, diesen Berg auch einmal besteigen zu wollen und es zugleich der höchste Südtiroler ist, ist Stau und Rennatmosphäre am Ortler vielfach vorprogrammiert. Dennoch bleibt der Hintergrat ein quasi "Must-Do" für jeden Alpinisten in den Ostalpen - schreiben die Tourenführer.
Die Hintergrat-Hütte ist u.a. mit ihren extrem engen Zimmern und dem fehlenden Trinkwasser (trotz bester Quellen ca. 100Hm unterhalb) etwas speziell. Nachdem nahezu alle Bergsteiger, die man am Abend trifft, den Hintergrat in Anspruch nehmen, weiß man also vorab, was auf einen zukommt - ca. 25-30 Seilschaften - das Rennen kann beginnen...
Wir starteten daher bereits um 3:45, waren damit in der Spitzengruppe und verteidigten den dortigen Platz auch in den knapp 2 Stunden Geröllmarsch (garniert mit ganz wenigen leichten, aber sehr steinschlägigen Kletterstellen, I-II). Dass wir von einigen außer Konkurrenz startenden Extrem-Einzelgängern (puuhh-schnell) locker überholt wurden, sollte aber der Fairness halber nicht unerwähnt bleiben. Weniger stressig hatten es die beiden mit Ziel Königspitze - sieht man einmal davon ab, dass sie im Dunkeln den Einstieg zum Suldengrat nicht fanden und kehrt machen mussten.
Nach dem ersten langsam aufsteilenden Firnfeld (vor dem wir durch schnelles Steigeisen Anziehen Plätze gut machen konnten) ging es weiter in guter Position am breiten Grat zum Signalkopf, ab dem wir sichernd unterwegs waren - und deshalb ca. 4-5 Seilschaften, die die Querung seilfrei gingen, ganz sportsmanlike überholen ließen. Dass hier Sichern eventuell kein Fehler ist, zeigt leider der tödliche Unfall an dieser Stelle nur einen Tag nach unserer Begehung.
Nach der Querung des Signalkopfs folgt dann die Schlüsselstelle: eine kurze abdrängende und sehr speckige Verschneidung (IV-, III AO - ein kräftiger Zug zur Kette ;)). Nachdem alle zuvor Vorbeigezogenen hier jetzt zu sichern anfingen und das Seil auspackten, überholten wir wieder eifrig, nur um eine weitere IIIer Seillänge und einen kurzen einfachen Grat später, wieder ins Hintertreffen zu geraten - wir zogen am steilen (40° + ausgesetzt) zweiten Firnfeld die Steigeisen an und waren damit eher in der Minderheit (hätte ich mich ohne nicht getraut - nach rechts geht es ins Bodenlose zum "Ende der Welt Ferner").
Nach dem zweiten Firnfeld standen wir dann im Stau am schmalen Firngrat, Überholen ist hier nicht. Einige wilde und ungebändigte Bergführer vermag das nicht zu bremsen, man klettert halt irgendwo zwischendurch in der folgenden IIIer-Länge, mal überm und mal unterm Seil hindurch. Wir verbauten hier einen Friend - dessen (zunächst vergeblich versuchte) Rettung kostete wieder einen Platz, den wir aber aus schnöden finanziellen Erwägungen erst einmal gerne preisgaben. Die nachfolgende zweite IV-Länge (davor guter Stand an Köpfelschlinge + Normalhaken) ist dann deutlich einfacher als die IV-Stelle zuvor und kaum der Rede wert. Am Köpfelstand danach übergab mir ein netter Italiener den geretteten Friend - wir überschütteten ihn mit Dank und ließen ihn und seine Kollegen gerne vorbeiziehen. Den abschließenden II-IIIer Grat (nach einem letzten Firngratstück) zum nahen bereits sichtbaren Gipfel könnte man seilfrei gehen, wir gingen (vor allem der Faulheit halber) am Seil - und mussten (wenig verwunderlich) auf der Zielgeraden nochmals zwei Plätze einbüßen. 4:45h bis zum Gipfel ab Hütte - unsere persönliche Bestzeit am Hintergrat (allein schon in Ermangelung bisheriger Versuche).
Der Abstieg vom Ortler über den Normalweg ist dann nicht zu unterschätzen, nicht nur, weil alle Plätze am Gipfel belegt sind und bereits der Wechsel von der Hintergrat-Seite zur Normalweg-Seite daher schwer fällt. Der Abstieg übers Ortler-Platt ist bestens eingeschneit, locker können wir im Trittfirn an 2 johlenden Seilschaften (außer Konkurrenz) vorbeiziehen - es gäbe auch große Spalten, um weitere Kontrahenten zu versenken. Die anschließenden Staus an den beiden Abseilstellen unterm Ortler-Biwak und derjenigen an der IIIer-Stelle vorm Tschierfeck-Wandl lassen sich dann aber nicht vermeiden - jeweils 20 Minuten können wir die Bergwelt ganz ohne Renn- und Zeitdruck bewundern, auch gut.
Doch auch hier böten sich dem rennorientierten Bergsteiger Überholmöglichkeiten durch die Auswahl der jeweils anderen Abseilstelle am Ortler-Biwak, die Möglichkeit andere Seilschaften durch Abtreten von Steinen einzuschüchtern (damit diese vielleicht auf ihren Vorrang beim Abseilen verzichten) oder auch durch rigoroses Vorbeidrängeln beim Abseilen vor dem Tschierfeck-Wandl. Letzteres steht aber voraussichtlich nur (außergewöhnlich unfreundlichen und gestressten) Bergführern zu, die nicht einsehen wollen oder können (und das auch lautstark und mit Tendenz beleidigend kommunizieren), dass ein Abklettern am kurzen Seil an einer - bei Aufstieg über den Hintergrat - unbekannten und von oben nicht einsehbaren, ausgesetzten IIIer-Stelle für Normal-Alpinisten bei vorhandenem Abseilhaken vielleicht nicht per se die erste Wahl ist...die Toten von heute werden aber halt trotzdem keine Kunden von morgen (Schwamm drüber).
Am durchweg kettengesicherten Tschierfeck-Wandl nutzen wir den "Windschatten" eines Bergführers, dessen Kunde ersichtlich am Ende ist, um diesen anzufeuern und um anschließend zum Überholen vorbeizuziehen. Der restliche Grat ist dann zwar teils ausgesetzt, aber die Kletterei ist nie schwierig (I-II) und die Wegführung klar. Bei entsprechender Sicherheit gutes Seilfrei-Gelände, um im Endspurt zu Kaltgetränken an der Payer-Hütte nochmals Boden gutzumachen. Wer anschließend die Freude an der Rennsituation noch nicht verloren hat, kann im - durchaus langwierigen Abstieg nach Sulden - beliebig fortsetzen.
Fazit:
Der Ortler ist ein gewaltiger Berg, der Hintergrat eine schöne, abwechslungsreiche, nie wirklich schwierige Tour. Der Trubel und Massenauflauf sind aber gewaltig - und zumindest mein Geschmack nicht. Es wird daher für mich bei der bisherigen Hintergrat-Bestzeit bleiben und keine Verbesserung der persönlichen Bestzeit (die ohnehin unter ferner liefen rangiert) geben ;)
Die Hintergrat-Hütte ist u.a. mit ihren extrem engen Zimmern und dem fehlenden Trinkwasser (trotz bester Quellen ca. 100Hm unterhalb) etwas speziell. Nachdem nahezu alle Bergsteiger, die man am Abend trifft, den Hintergrat in Anspruch nehmen, weiß man also vorab, was auf einen zukommt - ca. 25-30 Seilschaften - das Rennen kann beginnen...
Wir starteten daher bereits um 3:45, waren damit in der Spitzengruppe und verteidigten den dortigen Platz auch in den knapp 2 Stunden Geröllmarsch (garniert mit ganz wenigen leichten, aber sehr steinschlägigen Kletterstellen, I-II). Dass wir von einigen außer Konkurrenz startenden Extrem-Einzelgängern (puuhh-schnell) locker überholt wurden, sollte aber der Fairness halber nicht unerwähnt bleiben. Weniger stressig hatten es die beiden mit Ziel Königspitze - sieht man einmal davon ab, dass sie im Dunkeln den Einstieg zum Suldengrat nicht fanden und kehrt machen mussten.
Nach dem ersten langsam aufsteilenden Firnfeld (vor dem wir durch schnelles Steigeisen Anziehen Plätze gut machen konnten) ging es weiter in guter Position am breiten Grat zum Signalkopf, ab dem wir sichernd unterwegs waren - und deshalb ca. 4-5 Seilschaften, die die Querung seilfrei gingen, ganz sportsmanlike überholen ließen. Dass hier Sichern eventuell kein Fehler ist, zeigt leider der tödliche Unfall an dieser Stelle nur einen Tag nach unserer Begehung.
Nach der Querung des Signalkopfs folgt dann die Schlüsselstelle: eine kurze abdrängende und sehr speckige Verschneidung (IV-, III AO - ein kräftiger Zug zur Kette ;)). Nachdem alle zuvor Vorbeigezogenen hier jetzt zu sichern anfingen und das Seil auspackten, überholten wir wieder eifrig, nur um eine weitere IIIer Seillänge und einen kurzen einfachen Grat später, wieder ins Hintertreffen zu geraten - wir zogen am steilen (40° + ausgesetzt) zweiten Firnfeld die Steigeisen an und waren damit eher in der Minderheit (hätte ich mich ohne nicht getraut - nach rechts geht es ins Bodenlose zum "Ende der Welt Ferner").
Nach dem zweiten Firnfeld standen wir dann im Stau am schmalen Firngrat, Überholen ist hier nicht. Einige wilde und ungebändigte Bergführer vermag das nicht zu bremsen, man klettert halt irgendwo zwischendurch in der folgenden IIIer-Länge, mal überm und mal unterm Seil hindurch. Wir verbauten hier einen Friend - dessen (zunächst vergeblich versuchte) Rettung kostete wieder einen Platz, den wir aber aus schnöden finanziellen Erwägungen erst einmal gerne preisgaben. Die nachfolgende zweite IV-Länge (davor guter Stand an Köpfelschlinge + Normalhaken) ist dann deutlich einfacher als die IV-Stelle zuvor und kaum der Rede wert. Am Köpfelstand danach übergab mir ein netter Italiener den geretteten Friend - wir überschütteten ihn mit Dank und ließen ihn und seine Kollegen gerne vorbeiziehen. Den abschließenden II-IIIer Grat (nach einem letzten Firngratstück) zum nahen bereits sichtbaren Gipfel könnte man seilfrei gehen, wir gingen (vor allem der Faulheit halber) am Seil - und mussten (wenig verwunderlich) auf der Zielgeraden nochmals zwei Plätze einbüßen. 4:45h bis zum Gipfel ab Hütte - unsere persönliche Bestzeit am Hintergrat (allein schon in Ermangelung bisheriger Versuche).
Der Abstieg vom Ortler über den Normalweg ist dann nicht zu unterschätzen, nicht nur, weil alle Plätze am Gipfel belegt sind und bereits der Wechsel von der Hintergrat-Seite zur Normalweg-Seite daher schwer fällt. Der Abstieg übers Ortler-Platt ist bestens eingeschneit, locker können wir im Trittfirn an 2 johlenden Seilschaften (außer Konkurrenz) vorbeiziehen - es gäbe auch große Spalten, um weitere Kontrahenten zu versenken. Die anschließenden Staus an den beiden Abseilstellen unterm Ortler-Biwak und derjenigen an der IIIer-Stelle vorm Tschierfeck-Wandl lassen sich dann aber nicht vermeiden - jeweils 20 Minuten können wir die Bergwelt ganz ohne Renn- und Zeitdruck bewundern, auch gut.
Doch auch hier böten sich dem rennorientierten Bergsteiger Überholmöglichkeiten durch die Auswahl der jeweils anderen Abseilstelle am Ortler-Biwak, die Möglichkeit andere Seilschaften durch Abtreten von Steinen einzuschüchtern (damit diese vielleicht auf ihren Vorrang beim Abseilen verzichten) oder auch durch rigoroses Vorbeidrängeln beim Abseilen vor dem Tschierfeck-Wandl. Letzteres steht aber voraussichtlich nur (außergewöhnlich unfreundlichen und gestressten) Bergführern zu, die nicht einsehen wollen oder können (und das auch lautstark und mit Tendenz beleidigend kommunizieren), dass ein Abklettern am kurzen Seil an einer - bei Aufstieg über den Hintergrat - unbekannten und von oben nicht einsehbaren, ausgesetzten IIIer-Stelle für Normal-Alpinisten bei vorhandenem Abseilhaken vielleicht nicht per se die erste Wahl ist...die Toten von heute werden aber halt trotzdem keine Kunden von morgen (Schwamm drüber).
Am durchweg kettengesicherten Tschierfeck-Wandl nutzen wir den "Windschatten" eines Bergführers, dessen Kunde ersichtlich am Ende ist, um diesen anzufeuern und um anschließend zum Überholen vorbeizuziehen. Der restliche Grat ist dann zwar teils ausgesetzt, aber die Kletterei ist nie schwierig (I-II) und die Wegführung klar. Bei entsprechender Sicherheit gutes Seilfrei-Gelände, um im Endspurt zu Kaltgetränken an der Payer-Hütte nochmals Boden gutzumachen. Wer anschließend die Freude an der Rennsituation noch nicht verloren hat, kann im - durchaus langwierigen Abstieg nach Sulden - beliebig fortsetzen.
Fazit:
Der Ortler ist ein gewaltiger Berg, der Hintergrat eine schöne, abwechslungsreiche, nie wirklich schwierige Tour. Der Trubel und Massenauflauf sind aber gewaltig - und zumindest mein Geschmack nicht. Es wird daher für mich bei der bisherigen Hintergrat-Bestzeit bleiben und keine Verbesserung der persönlichen Bestzeit (die ohnehin unter ferner liefen rangiert) geben ;)
Tourengänger:
simba

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