Großer Diamantstock Ostgrat - Ein Juwel


Publiziert von simba , 15. August 2019 um 19:09.

Region: Welt » Schweiz » Bern » Oberhasli
Tour Datum:10 August 2019
Hochtouren Schwierigkeit: ZS+
Klettern Schwierigkeit: 4+ (Französische Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-BE 
Aufstieg: 1520 m
Abstieg: 1520 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:ÖV oder PKW bis zum Räterichsboden. Derzeit wegen Baustelle etwas beengte Parksituation. Falls dort nichts frei an der Bergstation der Gerstenegg-Seilbahn parken.
Unterkunftmöglichkeiten:Bächlitalhütte

Ob man voll des Lobes den Ostgrat des Großen Diamantstock als "Juwel" bezeichnet oder als "Mitteleggigrat des Haslitals"...egal, auch wenn ich zum Mitteleggigrat keine Referenz habe. Berechtigt ist jedenfalls jedes Lob: Der Ostgrat ist eine fantastische Kletterlinie in bestem Fels mit vernünftiger Absicherung und mit Zu- und Abstieg eine schöne Hochtour mit allem was dazu gehört. Nachdem diese - einmal mehr durch Alpin Rise - hier bestens dokumentiert ist, lediglich einige ergänzende und aktualisierende Hinweise sowie Bilder.

- Der Gletscher ist mittlerweile so stark abgeschmolzen, dass man sich im Zustieg zum Gletscherboden auf ca. 2600m fast durchgehend im Moränengelände nördlich der steilen Gletscherzunge hält. Das frisch ausgeschmolzene Gelände ist hier recht lose und sicherlich steten Veränderungen unterworfen, es hat sich aber schon ein deutlicher Pfad herausgebildet und Steinmännchen gibt es auch. 

- Wir sind zum Einstieg über einen Schlenker nach Norden in Richtung Untere Bächlilücke zugestiegen und haben den Gletscher so schnell wieder links einer offensichtlichen von der Lücke herunterziehenden Rinne verlassen und sind nicht den scheinbar üblichen Zustiegsweg weiter nach Westen über den Gletscher auf die Moräne gegangen. In der Dunkelheit erschien diese Variante logisch ;) - es hat hier Steinmänner und einen deutlichen Pfad, der unterhalb des Grataufschwungs nach der Unteren Bächlilücke zum eindeutig sichtbaren Einstieg hinüberführt. Welche Variante schneller ist, können wir nicht beurteilen, jedenfalls stapften morgens alle uns hinterher und kamen am Einstieg an ;)

- Staumanagement ist bei dieser Route von großer Bedeutung: Wir waren als zweite SL hinter zwei nicht mehr gesehenen "Speedstern" am Einstieg, hinter uns kamen dann in kurzer Folge acht weitere Seilschaften. Der Umstand, dass unsere Nachfolger für die erste Seillänge mehr als eine halbe Stunde benötigten, veranlasste drei dieser Seilschaften (die uns hierüber hiernach berichteten), den ersten Gratteil auf Bändern in der Nordflanke zu umgehen und von Norden her unmittelbar nach der Scharte mit der vorherigen Abseilstelle in den Grat einzusteigen. Andere etwaig ausgebremste Seilschaften kehrten wegen Zeitverzugs an den Notausstiegen um, als wir im Abstieg zum Gletscher abseilten.

- Wir hatten sowohl das Topo aus dem Plaisir-Führer als auch dasjenige aus dem Silbernagel-Führer. Am besten nimmt man den unteren Teil aus dem Plaisir und den oberen aus dem Silbernagel - dann haut es hin ;) Das Plaisir-Topo ist im unteren Teil deutlich genauer und passender. Im oberen Gratteil ist es aber grob falsch, weil es eine weiträumige Umgehung in die Südflanke vorschlägt und auch die Schwierigkeiten nicht passen. Weit besser ist dort wiederum das Topo im Silbernagel-Führer, in dem von einer "leichten Rampe" die Rede ist, auch wenn es den Anschein macht, diese liege auf der Nordseite des Grats: Man folgt nach der letzten 4er-Seillänge nämlich in der Tat offensichtlichen Rampen mit Wegspuren immer leicht südlich des Grats (max. 2), weicht aber nie weit von der Gratkante ab. Diese Rampen leiten an offensichtlicher Stelle wieder zurück zum Grat, dem man hiernach wieder ziemlich direkt folgt. Am besten peilt man eine auffällige dreieckige Felsplatte mit Rissen knapp unterhalb des Gipfels an, dann kann eigentlich nichts schief gehen. Steinmännern leiten hier über ein Band in die Nordflanke und zum N-Grat, über den es einfach zum Gipfel geht.

- Grob falsch ist das Topo im Plaisir-Führer im oberen Teil auch, weil es in der letzten 4er Seillänge ("Holzkeilriss") den Anschein vermittelt, man müsse direkt durch die mit alten Holzkeilen und alten Schlingen versehenen Risse auf den Turm steigen. Die im Topo eingezeichneten Schlingen sind allerdings längst zerrissen, die direkte Erkletterung der Risse läge sicherlich nicht mehr im 4. Grad - links herum geht es deutlich einfacher.

- Auch die Kletterzeit von 5-6 Stunden (+ 2 Stunden Zustieg) im Plaisir-Führer liegt völlig neben der Sache, es sei denn es werden mehrere Stunden Stau eingepreist. Wir benötigten mit einigen kürzeren Pausen und obwohl wir nicht wenige SL (letztlich alles > 3) von Stand zu Stand sicherten, knapp unter 5 Stunden von der Hütte zum Gipfel.

- Die Tour ist in den 4er-Passagen gut abgesichert, ansonsten gibt es kaum Material. Mit langen Schlingen sowie 3-4 Friends (klein bis mittel) und ggf. Keilen ist die weitere Absicherung aber völlig problemlos. Wir zogen am Einstieg Kletterschuhe an, was den Genuss in den teilweise kleintrittigen und mit schmalen Rissen versehenen Kletterpassagen sicherlich steigert und aus unserer Sicht empfehlenswert, aber je nach Können sicherlich nicht notwendig ist. 

- Im Abstieg wählten wir die Bänder-Variante in der Westflanke (WS, II, ~ T5), weil es gewittermäßig bereits morgens um kurz vor 10 ziemlich düster aussah. Die Bänder sind teils ziemlich ausgesetzt, die Wegfindung anhand zahlreicher Steinmänner aber einfach und der Abstieg ziemlich zeitsparend. Für den Abstieg nach Osten muss der Grat in einer kleinen Einschartung mit gut sichtbarem Steinmann mit einem kurzen Bouldermove wieder erstiegen werden (kurz III).

- Zuunterst nach dem Abstieg über die Geröllterrasse / rinne nach links gibt es zwischenzeitlich vier Irniger-Abseilstände hinunter zum Gletscher: Erst ca. 15m hinunter in die Rinne, dann in Abstiegsrichtung nach rechts haltend auf die Platten und mit 3x20m auf den Gletscher. Achtung auf Steinschlag: Steine aus der ersten ziemlich brüchigen Abseillänge fallen teils direkt auf die Platten! Der Gletscher ist oben ziemlich steil (~ 35-40°) und bietet keinen wirklich guten Platz, um die bei uns notwendigen Steigeisen anzuziehen, da oben ein ggf. überwächteter Bergschrund lauert. Einer unserer Nachfolger brach - gottseidank noch beim Abseilen - an dieser Stelle ein. Beim weiteren Abstieg kommt man ganz in der Nähe des Einstiegs vorbei, weshalb man dort ohne weiteres vor der Kletterei ein Depot einrichten kann.

Tourengänger: simba, Nala


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Kommentare (2)


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dominik hat gesagt:
Gesendet am 16. August 2019 um 07:58
Gute Beschreibung und stimme bezüglich der Topos zu!

simba hat gesagt: RE:
Gesendet am 16. August 2019 um 08:40
Merci. Ansonsten ist der Plaisir-Führer ja meist recht zuverlässig. Aber im Bächlital hab ich mit diesem Werk schon 2015 eine ziemlich unangenehme Erfahrung gemacht, als die Abseilstelle nicht 25, sondern einige Meter länger war ;) - http://www.hikr.org/tour/post101742.html


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