Finsteraarhorn (4274 m) über Südwestflanke und Nordwestgrat


Publiziert von SEalpin , 12. August 2020 um 17:19.

Region: Welt » Schweiz » Bern » Jungfraugebiet
Tour Datum: 7 August 2020
Hochtouren Schwierigkeit: ZS-
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-BE   CH-VS 
Zeitbedarf: 10:00
Aufstieg: 1230 m
Abstieg: 1230 m

Seit ich den Gipfel des Finsteraarhorns aus der Entfernung zum ersten Mal gesehen habe hat mich dieser Berg bei jedem Anblick auf's Neue phasziniert und beeindruckt. Daher habe ich der Besteigung auf dem Normalweg auch mit besonderer Vorfreude und Spannung entgegengeblickt - und wir hatten perfekte Verhältnisse. Diese sorgten für einen verhältnismäßig einfachen und sicheren Anstieg über die beiden Gletscher sowie eine herrliche und entspannte Kletterei am Gipfelgrat, gekrönt von einer überwältigenden Ankunft am und Ausblick vom Gipfel.

Finsteraarhornhütte (3048 m) - Unterer Gletscher (3320 m) - T4
Nach dem Frühstück auf der Finsteraarhornhütte um 4:00 Uhr machten sich sechs unserer neunköpfigen Gruppe um 4:38 Uhr auf über den Zustiegsweg zum unteren Gletscher, welcher direkt östlich neben der Hütte beginnt. In der sternenklaren und dennoch milden Nacht ging es, begleitet von Mond, Mars und Venus, zum "Aufwachen" gleich steil hinauf. Der Zustiegsweg ist mit blau-weißen Markierungen sowie Steinnmännchen hervorragend markiert, welche auch bei Stirnlampenlicht dafür sorgen, dass man sich nur schwer versteigen kann. Ab und zu muss für ganz kurze Steilstufen eine Hand an den Fels gelegt werden. Zudem besteht linkerhand zwar wenige Male Absturzgefahr und der Weg erfordert natürlich Trittsicherheit, insgesamt übersteigt der Zustieg aber nicht den Schwierigkeitsgrad T4. Mit beginnender Dämmerung erreichten wir das kurze Plateau auf Höhe der Ruine der alten Finsteraarhornhütte, deren Steinmauern noch gut zu sehen sind. Über einfache Platten folgt der Weg noch für wenige Höhenmeter weiter bis zum Beginn des unteren Gletschers.

Unterer Gletscher (3320 m) - Frühstücksplatz - ZS-, 25-30°
Der untere Gletscher war in der unteren Hälfte komplett aper, so dass wir nur Steigeisen anlegten und uns nicht anseilten. Die wenigen Spalten können gut umgangen werden und es war bereits eine sehr gute Spur angelegt. Die Steigeisen konnten im Eis sehr gut greifen, was einen sicheren Aufstieg ermöglichte. Nach einem Aufstieg in nördlicher Richtung flacht der Gletscher etwas ab und es folgt eine sehr große Querspalte, welche über eine sehr dicke und hartgefrorene Querbrücke überwunden werden konnte.

Morgenstimmung auf dem unteren Gletscher, im Vordergrund die große Querspalte

Sicherheitshalber seilten wir uns in zwei Dreierseilschaften an, zumal der Gletscher in der folgenden, flacheren oberen Hälfte schneebedeckt war. Einfach ging es auf einer gut angelegten Spur nun nordwestlich weiter in Richtung des Felskamms, welcher zum Frühstücksplatz führt. Mit den Steigeisen etwas mühsam stiegen wir auf einer gut sichtbaren Spur den Felskamm hinauf bis zum Frühstücksplatz, der sich gut für eine kurze Pause eignet.

Frühstücksplatz (3633 m) - Hugisattel (4088 m) - ZS-, 30-35°
Vom Frühstücksplatz aus ist der weitere Aufstieg über den zweiten Gletscher bis zum Hugisattel sehr gut einsehbar. Insbesondere die Querung nach dem Frühstücksplatz, welche häufig eine Schlüsselstelle darstellt, kann gut eingesehen werden. Je nach Verhältnissen muss hier eine kurzer Passage im Eis mit 45° gequert werden, unter welcher sich ein Bergschrund befindet. Heute führten jedoch gleich zwei Spuren über diese Passage. Die erste führte in einer direkten Linie durch das Eis, welche recht gut gespurt, aber schon recht aper war und eben eine ensptrechende Hangneigung aufwies. Die zweite führte deutlich weniger steil und in einer perfekten Spur im Trittfirn vom Frühstücksplatz nach unten zu einer stabilen Brücke über den Bergschrund und von dort wieder nach oben (siehe Foto).

Querung nach dem Frühstücksplatz und weiterer Aufstiegsweg zum Hugisattel

Einfacher kann die Querung wahrscheinlich kaum begangen werden. Der weitere Aufstieg zum Hugisattel erfolgte dann steil, aber einfach und in einer sehr guten Spur. An einer Stelle mussten wir eine schmale, offene Spalte übersteigen und an einer anderen eine weitere, etwas größere Spalte auf einer guten Brücke überqueren.

Hugisattel (4088 m) - Finsteraarhorn-Gipfel (4274 m), ZS-, II (Einstiegsvariante III-)
Der Gipfelgrat war komplett schnee- und eisfrei, so dass wir die Steigeisen ausziehen und den Eispickel an den Rucksack packen konnten. Zudem änderten wir unsere zwei Dreierseilschaften auf drei Zweierseilschaften, um den Gipfelgrat am gleitenden Seil zu erklettern. Die Seilschaften, welche wir vor uns beobachten konnten, wählten für den Einstieg in den Gipfelgrat alle eine circa 30 Meter unter dem Hugisattel liegende Rinne, über welche man im I. bis II. Grad einsteigen kann. Für diesen Einstieg muss man jedoch nochmals einige Meter im harten Firn absteigen, außerdem ist die Rinne recht brüchig, wie zwei unserer Seilschaften später berichteten. Mein Seilpartner und ich wählten die direkte Einstiegsvariante, welche etwas steiler ist und sich circa fünf Meter im Bereich III- bewegt, jedoch sehr fest und schön zu klettern ist. Der Einstieg lässt sich vom Hugisattel aus gut sichern und nach wenigen Zügen können gut ein bis zwei Friends als Zwischensicherung gelegt werden. Diesen ersten Felsblock muss man auch nicht komplett erklettern, sondern kann auf dem ersten Band einfach nach rechts queren und trifft dann auf die andere, untere Einstiegsvariante.
Der Einstieg stellt meiner Einschätzung nach klettertechnisch auch schon die Schlüsselstelle am Gipfelgrat nach, schwerer wird die Kletterei nicht mehr, sondern bewegt sich durchweg im I. bis II. Grad oder auf Bändern über deutliche Wegspuren in alpinem T5-Gelände. Im Aufstieg hält man sich dabei anfangs am besten ziemlich direkt an der Gratkante, bevor man in der zweiten Hälfte des Aufstiegs mehr in die rechte bzw. südliche Gipfelflanke ausweicht. Varianten gibt es jedoch mehrere, auch eine Begehung mit weniger Ausweichen und direkter an der Gratkante ist möglich. Die Sicherungsmöglichkeiten sind dabei insbesondere am Grat fast immer sehr gut, es gibt sehr viele Köpfel oder senkrechte stehende Platten um die das Seil direkt oder eine Bandschlinge gelegt werden kann. Auch für Klemmgeräte kleiner bis mittlerer Größe bieten sich immer wieder Einsatzmöglichkeiten.

Unterwegs am Gipfelgrat

Kurz vor dem Gipfel musste noch eine etwas unangenehme hartgefrorene Firnstelle von circa drei Metern gequert werden, welche jedoch eine gute Spur hatte. Den Abschluss bildet eine kurze Platte - und dann standen wir nach insgesamt 5 Stunden Aufstieg auf dem Gipfel des Finsteraarhorns. Ich war überwältigt davon auf dem Gipfel zu stehen und ebenso von dem gewaltigen Panorama: Im Hintergrund sind  Mischabelgruppe, Matterhorn, Weisshorn, Mont Blanc und andere markante Gebirgsgruppen zu sehen. In näherer Umgebung streift der Blick das formschöne Aletschhorn und das berühmte Dreigestirn von Junfrau, Mönch und Eiger, welche von hier oben schon fast klein wirken, blickt man doch auf alle drei herunter. Aber auch der Blick in die Tiefe auf die umliegenden riesigen Gletscherströme ist eindrücklich - während nördlich, hinter dem markanten Schreckhorn, der Blick bis zum Südschwarzwald am Horizont reicht. Monatelang habe ich beim Ausdauertraining von Blauen und Blechen aus die hohen Berner Gipfel gesehen. Meine "Haus- und Trainingsberge" nun in umgekehrter Richtung zu sehen war fast noch bewegender als der Blick auf die Walliser Riesen im Süden.

Blick Richtung Süden vom Gipfel

Abstieg
Der Abstieg erfolgt auf dem Aufstiegsweg. Wir fanden es dabei deutlich angenehmer uns im Gegensatz zum Aufstieg fast durchgehend komplett an der Gratkante zu halten. Das Gelände ist im Abstieg übersichtlicher und wir fanden es angenehmer direkt an den großen Felsplatten- und blöcken am Grat abzuklettern statt auf den steilen Bändern in der Flanke abzusteigen, da diese im Aufstieg einfacher zu begehen sind als im Abstieg. Der anschließende Abstieg über den oberen Gletscher lief problemlos. Der Firn war leicht aufgeweicht und dadurch perfekt um mit zügigen Schritten abzusteigen. Auch die Querung zum Frühstücksplatz war noch gut zu begehen.
Den unteren Gletscher begingen wir im oberen, schneebedeckten Teil bis zur großen Spalte wieder am Seil und sicherten die  Überquerung der nun etwas weicheren Schneebrücke sicherheitshalber mit einer Eisschraube, auch wenn die Brücke rein optisch noch mehrere Meter dick ist. Den aperen, unteren Teil des Gletschers stiegen wir wiederum seilfrei ab und kamen dann nach insgesamt 10 Stunden wieder an der Finsteraarhornhütte an.

Fazit zur Tour
Die Kombination aus Gletscherbegehung bis zum Hugisattel und Kletterei am Gipfelgrat des markanten Finsteraarhorns machen die Unternehmung zu einer abwechslungsreichen und sehr eindrücklichen Hochtour. Angenehm sind auch die konstante Steigung und die verhältnismäßig kurze, horizontalte Wegstrecke bei natürlich entsprechend steilem Anstieg, die einem lange "Hatscher" zu Beginn oder Ende der Tour ersparen. Bei den am 7. August 2020 angetroffenen Verhältnissen war die Tour verhältnismäßig einfach und sicher zu begehen. Sollten kritische Gletscherpassagen, insbesondere die Querung nach dem Hugisattel, jedoch stärker ausgeapert, schlecht oder gar nicht gespurt sein, sich die Spaltenbrücken in einem kritischeren Zustand befinden oder der Gipfelgrat wiederum verschneit und/oder vereist sein, erhöhen sich die Gefahren und der Anspruch der Tour deutlich.
Nachtrag am 15.08.2020: Ein anderer Hikr-Nutzer hat mir geschrieben, dass der Seilerste und er selbst bei der Tour am 11.08.2020 circa 100 Meter unterhalb des Hugisattels nacheinander in eine Spalte eingebrochen sind (glücklicherweise ohne einen tiefen Sturz). Das zeigt, wie schnell sich die Verhältnisse ändern können.

Weitere Informationen
Wir haben von 5. auf 6. August am Oberaarsee übernachtet, um bereits eine Nacht in etwas größerer Höhe zu verbringen und am 6. August früh den Zustieg zur Finsteraarhornhütte über das Oberaarjoch beginnen zu können. Dieser Zustiegsweg ist mit circa 16,3 km und 1334 hm im Aufstieg sowie 583 hm im Abstieg nicht zu unterschätzen und ist eine eigenständige, lange Hochtour. Die Finsteraarhornhütte ist als Unterkunft empfehlenswert. Die Hütte ist sehr sauber, wird angenehm geführt, das Essen ist lecker und reichhaltig und in manchen der Mehrbettzimmer stehen sogar alle Betten einzeln als Doppelstockbetten mit einem eigenen, kleinen Regal. Auch die innerhalb der Hütte liegenden Sanitäranlagen sind für eine Hütte auf dieser Höhe sehr angenehm - und der Ausblick auf die Gletscherlandschaft von der Hüttenterrasse ist gigantisch.

Tourengänger: SEalpin


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