Spaltenhüpfen zum Finsteraarhorn (4274)


Publiziert von cardamine , 3. September 2022 um 23:56.

Region: Welt » Schweiz » Bern » Jungfraugebiet
Tour Datum:23 August 2022
Wandern Schwierigkeit: T2 - Bergwandern
Hochtouren Schwierigkeit: ZS-
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-BE   CH-VS 
Zeitbedarf: 3 Tage
Aufstieg: 2950 m
Abstieg: 4100 m
Strecke:45 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Grindelwald Terminal - Eigerexpress (neue Seilbahn zur Station Eigergletscher) - Zahnradbahn zum Jungfraujoch
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Seilbahn vom Berghaus Oberaar zum Grimsel Hospiz, Postauto Haltestelle (Gondelwechsel im Chessituren)
Unterkunftmöglichkeiten:Finsteraarhornhütte SAC (3048 m)

Ist das noch Alpinismus oder Masochismus? - frage ich mich, als wir auf dem blanken Jungfraufirn Richtung Konkordiaplatz knirschen. Traumhaftes Skitourengelände und wir mühen uns mit Steigeisen ab. Und alles nur wegen dem Grat am Finsteraarhorn. Den trauen wir uns nämlich in absehbarer Zeit nicht zu, mit Skischuhen und Steigeisen zu klettern. Also bleibt uns nichts anderes übrig, als die Tour im Sommer zu machen. Dummerweise nur im schlechtesten Sommer, den man sich für so einen langen Gletscherhatsch vorstellen kann. Aber nachdem wir noch nicht wussten, ob Wetter und Behörden unsere geplante Tour auf den Mont Blanc zulassen, musste halt ein anderes Highlight für den Sommerurlaub 2022 her. Der König der Berner Alpen schien uns ein ganz guter Ersatz dafür zu sein. So leicht wie der Mont Blanc ist der Finsteraarhorn allerdings nicht zu erreichen, alle möglichen Zustiege zur Finsteraarhornhütte sind verdammt lang und mit den aktuellen Verhältnissen noch länger.

Auf drei volle Tage mit zwei Übernachtungen auf der Finsteraarhornhütte muss sich bei der Sommer-Besteigung des Finsteraarhorns also einstellen.

Tag 1: Jungfraujoch - Finsteraarhornhütte (L, 19 km, 760 Hm, 9 h)
Mit der neuen Gondelbahn ging es um 7:20 Uhr (Bergsteiger- und Mitarbeiterfahrt) von Grindelwald hoch zur Station Eigergletscher, von wo uns die historische Zahnradbahn hoch zum Jungfraujoch brachte. Die Aussichtsplattform war leider noch geschlossen, da die Touris erst später hochdürfen. Durch den Sphinxstollen erreichten wir den Ausgang zur Mönchsjochhütte, zu der ein präparierter Weg führt. Auch unser "Weg" über den Jungfraufirn war zum Glück schon gespurt, sonst hätten wir uns wohl im Spaltenmeer verloren... aber zum Glück gibt es Leute, die für ein Trekking über den Aletschgletscher bezahlen... 
Etwa ab 3000 m war der Gletscher blank und die zahlreichen Huggel machten das Gehen zur Tortur. Reissende Schmelzwasserbäche drängten uns immer mal wieder in die falsche Richtung ab. Nach fast 4 Stunden war endlich der Konkordiaplatz erreicht. Über den schuttbedeckten Grüneggfirn ging es 600 Hm aufwärts zur Grünhornlücke. Dort begegneten uns nach 6 Stunden völliger Einsamkeit erstmals andere Bergsteiger. Die Finsteraarhornhütte war schon in Sicht und auch der Gletscher sah auf dieser Seite erstmal weniger spaltig aus. Wir folgten der Route aus dem SAC-Portal Richtung P. 3089 und freuten uns, als wir auf dem Felsriegel ein Steinmännchen entdeckten. Wir kraxelten durch eine Rinne hinunter auf den Walliser Fiescherfirn. Hier endete unser Glück: Die Route aus dem Portal verläuft nun waagrecht über den Gletscher zur Hütte, aber wir fanden keinen Ausweg aus dem Spaltenlabyrinth, immer wieder endeten wir in der Sackgasse. Die Lösung dieses nur 800 m breiten Labyrinths nahm eine ganze Stunde in Anspruch. Und dann standen wir buchstäblich wie der Ochs vorm Berg unter der Finsteraarhornhütte und fanden keinen Weg hinauf. In den Felsen oben sahen wir Punkte, aber wie über das steile Geröll kommen? Weitere 45 Minuten Hin- und Herlaufens vergingen, bis wir endlich Steinmännchen entdeckten, die den Weg zur Wand markieren. Weiter oben ist der Zustieg dann auch vorbildlich mit Kabeln und blau-weissen Markierungen ausgestattet…

Tag 2: Finsteraarhorn (ZS- II, 7 km, 1200 Hm, 8-12 h)
Das Hüttenteam riet von einem allzu frühen Aufbruch ab und so starteten wir ganz gemütlich um 6 Uhr. Die Zeitempfehlung lautete 5 h hoch, 3 h ab. Von der Finsteraarhornhütte führt ein gut markierter Weg zum alten Hüttenplatz. Ein gemütliches Warmlaufen ist der Zustieg zum Gletscher nicht, man muss schon etwas kraxeln (T4). Vom alten Hüttenplatz geht es über einen mit Steinmännchen markierten Rücken zum unteren Gletscher.
Wegen den Séracs wurde uns empfohlen, den Gletscher auf Höhe der 3400er Linie zu queren und dann am westlichen Rand zum Einstieg auf den Frühstücksplatz aufzusteigen. Der apere Gletscher mit seinen 30° schreckte schon einen Teil der Aspiranten ab. Beim Aufstieg war er tatsächlich nicht so ungefährlich zu begehen, da es Stellen mit gefrorenem Wasser gab. Auf 3500 m flacht der Gletscher wieder ab und wir fanden zum Glück noch eine gute Brücke über die Randspalte, um auf die Felsrippe zwischen den beiden Gletschern zu gelangen.
Wir legten die Steigeisen ab und folgten den Steinmännchen zu P. 3616, dem so genannten Frühstücksplatz. Von dort ging es über eine mit gutem Trittschnee gefüllte Rinne hinunter auf den Gletscher. Die Randspalte mussten wir auf knackenden Blöcken queren, die Stelle könnte in Zukunft noch kritisch werden...
Der obere Gletscher ist ähnlich steil wie der untere, dank der Schneeauflage empfanden wir ihn aber als harmloser als den unteren Gletscher. Dafür mussten ein paar grössere Spalten gequert werden, im Vergleich zum Jungfraufirn war das für uns aber wenig beeindruckend. Zum Hugisattel galt es nochmal eine steilere Stufe über der Randspalte zu überwinden.
Der direkte Einstieg auf den Grat wird mit der Schwierigkeit III- angegeben (Abseilstelle oben), die einfachere Umgehung rechts gefiel uns nicht so gut, weshalb wir den schwierigeren Einstieg wählten. An dieser Stelle kapitulierte der Rest der anderen Aspiranten, was bestimmt vernünftig war, denn wir hatten alle schon 4 Stunden nur bis zum Hugisattel gebraucht. Da wir eh noch eine weitere Nacht auf der Hütte gebucht hatten und stabiles Wetter vorhergesagt war, sahen wir keinen Grund zur Umkehr und freuten uns, im warmen trockenen Fels nun ohne Steigeisen klettern zu können. Das erste Drittel bis zu den markanten Grattürmen ist nicht so steil und wir gingen am kurzen Seil. Ab den Türmchen wurde der Grat für mein Empfinden dafür zu steil, und so sicherten wir von Zacken zu Zacken. Hut ab vor allen, die das im Winter mit Steigeisen klettern! Mit dem Sichern brauchten wir 2 Stunden zum Gipfel und ebenso lang wieder runter. Die Angabe 3 h für den Abstieg ist nur was für Profis, die das alles frei oder am kurzen Seil klettern. Beim Abstieg mussten wir an zwei Spalten noch nach neuen Brücken suchen, da wir den beim Aufstieg benutzten nicht mehr trauten. Insgesamt brauchten wir so für die Tour 12,5 statt 8 Stunden, was uns deutlich gezeigt hat, dass uns noch viel Übung für solche grossen Berge fehlt.

Tag 3: Finsteraarhornhütte - Oberaarhorn - Oberaarsee (L, 21 km, 1000 Hm, 10 h)
Kurz vor Tagesanbruch verliessen wir die Hütte auf dem östlichen Weg, der mit Steinmännchen markiert ist. Am linken Rand des Fieschergletschers ging es recht effizient Richtung Rotloch, lediglich gegen Ende gab es ein paar wenig tiefere Spalten zu umgehen. Wir überquerten die Moräne und gelangten auf den Galmigletscher. Dieser begann zunächst freundlich, auf Höhe der Felsinsel gab es jedoch wieder zahlreiche Spalten. Auch der obere, flache Teil, der nun als Studergletscher bezeichnet wird, brachte ein ziemliches Rumgeiere mit sich. Die Spalten waren jedoch alle ziemlich kurz und so erreichten wir trotzdem nach 4 Stunden das Oberaarjoch
Das Oberaarhorn, der Hausberg der Oberaarjochhütte, musste natürlich mitgenommen werden, wenn man schon mal daneben war (+ 420 Hm). Die Oberaarjochhütte erreicht man über einen mit Ketten und Leitern gesicherten Steig. In leichter Kraxelei, die eine willkommene Abwechslung zum Gletscherhatsch bot, ging es immer den roten Punkten nach. Bald legte sich die Steigung und es ging über den breiten Geröllrücken weiter zum Gletscherrest unterhalb des Gipfels. Steigeisen waren hier nochmal nötig, denn das Gletscherchen hat an die 30°. Vom Gipfel hatten wir einen tollen Ausblick auf das Finsteraarhorn, der die zusätzliche Mühe wert war. Zurück an der Oberaarjochhütte holten wir uns noch ein Update für den Abstieg über den Oberaargletscher, der im Moment auch einem Labyrinth gleicht. Unterhalb einer markanten Felsnase muss man auf den Gletscherrand ausweichen, da es eine riesige Spalte gibt, die den kompletten Gletscher durchtrennt. Ab 2750 m ist der Gletscher zum Glück fast spaltenlos, sodass der weitere Abstieg zügig voranging. Noch vor der Gletscherzunge, auf 2370 m verliessen wir das Eis und folgten einem Pfädlein hinunter zum Gletschertor. Von dort führt ein guter Weg am nördlichen Ufer des Oberaarsees entlang zur Seilbahnstation. Mit der langsamsten Gondel der Schweiz ging es in 30 Minuten hinunter zum Grimsel Hospiz.

Tourengänger: Toni Montaña, cardamine
Communities: Ultras


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Kommentare (2)


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Ole hat gesagt:
Gesendet am 4. September 2022 um 10:34
Glückwunsch zu diesem schönen Gipfel. Für mich ist es schon erstaunlich wie sich die Verhältnisse verändert haben. Ich habe die Tour 2015 gemacht und habe einige Bilder ganz anderes in Erinnerung.
VG und noch viele schöne Touren
Ole

cardamine hat gesagt: RE:
Gesendet am 7. September 2022 um 11:54
Vielen Dank :)
Bei dir lag deutlich mehr Schnee - muss viel angenehmer gewesen sein ;)
LG


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