WestSideStory am Diedamskopf


Publiziert von Nyn , 9. August 2020 um 13:29.

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Bregenzerwald-Gebirge
Tour Datum: 6 August 2020
Wandern Schwierigkeit: T6- - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 11:30
Aufstieg: 1350 m
Abstieg: 1350 m

Der Diedamskopf ist von Süden leicht und für Jeden erreichbar, jedoch weder im AVF LQG+BWG, noch im Allgäu-Führerwerk werden Alternativen beschrieben. Wenigstens der NO-Grat wurde inzwischen behikrt (hier). Angesichts eigenem Bildmaterial (hier, hier und hier) will ich mir die steilgrasige WESTSEITE des Diedamskopfes ansehen und wennmöglich gleich direkt unter die Bergschuhe nehmen. Sollte da nicht eine formidable, noch moderate, völlig unbekannte Steilgrastour an der nördlichen Westflanke möglich sein? Kaum vorstellbar, dass das bisher keinem aufgefallen ist...

Dank einiger anspruchsvoller Touren zuvor fühle ich mich dem Unbekannten genügend gewachsen. Das Studium meiner und anderer Bilder lassen eine grobe Einschätzung dessen zu, was mich erwarten könnte. Also los. Ob es tatsächlich möglich ist, das kann ich nur vor Ort entscheiden.

ANMARSCH
Parkieren tue ich oberhalb der Talstation der Bergbahn in Schoppernau. Dort beginnt auch gleich der markierte Weg nach Schönenbach, dem ich folge.
Zunächst oberhalb des Ortsteils Rehmen querend, dann über Stock und Stein durch Bergwald, später Wiesen und entlang des Rhemer-Bachs und den 3 Stoggenalpen gelange ich zuletzt weglos zum weitläufigen Wandfuß der westseitigen Steilabbrüche oberhalb von Oberer Stoggen- und Stoggertenalpe.

EINSTIEG
Es bieten sich 2 oder 3 Stellen an, wo ich einen Versuch starten kann, den Riegel aus bewaldeten Steilrippen mit den ebenso steilen und mergligen Tobeln dazwischen zu überwinden, um den darüber liegenden Steilgrasdachrücken zu erreichen. Die am weitesten sdl. liegende trifft weit außerhalb meiner geplanten weiteren Aufstiegsroute eher auf den oberen WSW-Rücken, die "Direkte" gehe ich an und steige bis zum Ansatz hoch. Ab da ist die mir zu extrem, zu  steil (>60 Grad?, zudem noch sehr sehr feucht...hmmm..)

Meine WAHL fällt schließlich auf die bereits im Vorfeld als ziemlich wahrscheinliche Lösung eingeschätzte Zustiegsvariante über "eins weiter" links, wobei ich nicht bis zum Nordrücken zum Mohrenkopf Richtung Almisgguntenalpe weiterquere, sondern den ersten breiteren und etwas flacheren Einschnitt in etwa in nw. Ausrichtung des Ziels oberhalb der Abbrüche ansteuere.

RINNE und MERGEL
Wo 'ne Gams hochkommt, da komme ich auch hoch! Die sind zwar ein wenig anders dahin gekommen, als wo ich schließlich hochkraxle, aber zumindest weiss ich, dass ich von da, wo ich die sah, auch notfalls wieder runterkomme - irgendwie. Ein paar Stellen sind wegen Feuchtigkeit, dichtem Bewuchs (unten) und abschüssigem Mergel, sowie Steilschrofen (oben) schon ziemlich angriffig.
Bei einigen wenigen kurzen Passagen wünschte ich mir noch härtere kantigere Schuhe, kann mir jedoch mit dem Kratzen von halben Trittspuren mit Hilfe scharfkantiger Steine behelfen. Ausrutschen darf ich hier, schon im Angesicht des größeren Absatzes oberhalb des Steilriegels, auf gar keinen Fall, das ginge gaaaanz böse aus... (bis ~T6-, bis II, heikel)

STEILGRAS
Meine Kür folgt als Belohnung nach großzügiger Pause. Hier lasse ich Bilder sprechen.

ABSTIEG
Für Gemütliche am einfachsten mit der Bahn, deren Bergstation nur wenig unterhalb des Gipfels liegt.
Da ich noch genügend Zeit habe und Lust zum Verweilen vorhanden ist, flaniere ich zunächst zum "Ostgipfel", fotografiere dort und am Grat noch ausgiebig. Leider verhindern die Wolken im Gipfelbereich einen Blick auf meinen Anstiegsweg von Osten her.
Nach Gipfel- und wunderschönen Steinfiguren dort (Kein Buch oben, das wäre innert 2 Tagen voll) wende ich mich dem Südgrat zu.
Eine kurze recht steile Passage unterhalb der Startrampe für die Gleitschirmflieger schreckt wohl alle anderen ab. So bin ich hier, nur wiederum ca 50m vom Gipfel weg, völlig alleine.
Der Südgratrücken ist alsbald schwach bepfadet (ein Einqueren von Osten über eine Skipistentrasse ist möglich), er führt im Folgenden herrlich aussichtig und mit wenigen Stufen über einige unbenannte Höcker bis westlich oberhalb der Bergbahn-Mittelstation. (ca T3+). Hier steige ich zu dieser und über die Untere Diedamsalpe (JAUSEPAUSE mit Milch) zurück zu meinem AP.

FAZIT
Tolle Kombi, dabei erstaunlich moderat, den Zugang zum Grasdach schätze ich schwieriger ein als das Grasdach selbst.
Hier könnte man noch nördlicher ausholen und sich die tw. sehr heikle Rinnenpassage über schwache Gamswechsel vom Nordrückern her ersparen (ohne Gewähr!).
Noch direkter -wo ich zuerst drunter stand- könnte es auch gehen, dann aber GESCHÄTZT eher Richtung III und 60Grad oder noch steileres Gras. Dafür bräuchte es trockene Verhältnisse und/oder Steigeisen/Pickel. Alleine war mir das zu heikel.

Die herrliche Grasgratflanke ("Grasdach") ab ca. 1820m Höhe bis zum Gipfel ist durchgehend steil, aber nirgends extrem, natürlich steilgrastypsich immer von "den Verhältnissen" abhängig. Ich hatte zwar noch Nässe, das war aber dank guter Büschel und meist ausreichender Stufigkeit kein Nachteil, recht angenehm zu greifen.
Wer also des Steilgrasens süchtig und mächtig ist und ganz neue(?), zumindest bisher fast unbekannte und noch gemäßigte Herausforderungen sucht, dem sei meine Tour wärmstens empfohlen. Ev ist das Ganze auch "nur" T5+

(Nähere Infos ggf gerne noch per PN)

PS: Die Gebirgsgruppenzuordnung des Diedamskopfs ist offenbar unklar. Betrachtet man die Talschaften kommt eigentlich nur der Bregenzerwald in Frage und weniger das Allgäu. Spielt aber keine wichtige Rolle.
Meine Zeitangaben sind wie immer mit Pausen und Fotografieren.



Tourengänger: Nyn


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Kommentare (4)


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Nic hat gesagt:
Gesendet am 9. August 2020 um 14:54
Ich wundere mich über die vielen Wolken. Wir hatten in den Lechtalern Kaiserwetter...Schöne Tour!

VG Nico

Nyn hat gesagt: RE:
Gesendet am 9. August 2020 um 15:15
Danke und Hallo Nico.
Das Lechtal ist nach meiner Erfahrung oft sonniger als der BW oder das Allgäu.
Bei mir hing's etwas drinne - das störte mich aber nicht sehr, da ich Hitze wenig vertrage.

alpstein hat gesagt:
Gesendet am 9. August 2020 um 15:57
Interessante Tour, schade nur wegen des Nebels. Auf dem Foto sieht man die Flanke etwas besser

Von meinen früheren Aufenthalten in Au weiß ich aus Erzählungen, dass an den steilen Westhängen vom Diedamskopf im letzen Jhdt. noch Bergheu gemacht wurde. Einen Einheimischen kenne ich, der damals in den 70er Jahren nach dem Dienst am Skilift, dort auch mit den Skiern runtergefahren ist, was mir immer unheimlich vorkam.

Gruß
Hp

Nyn hat gesagt: RE:
Gesendet am 9. August 2020 um 16:09
Danke für den Link und die erstaunlichen Infos, Hans-Peter
Was die Brettel-Akrobaten schon früher so alles runterskierten -omg- RESPEKT!


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