Schreckhorn SW-Grat
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Besteigungsbericht:
Schreckhorn 27 - 28.07.2020
Meine vorrangigen Tourenziele für das Jahr 2020 habe ich ausschließlich auf die mir noch fehlenden Schweizer Viertausender gelegt, um diese bald möglichst komplettieren zu können.
Nach der erfolgreichen Besteigung des Groß-Grünhorns soll nun dieses Ziel weiterverfolgt werden.
Daher bietet es sich an, die Überschreitung von Schreck- und Lauteraarhorn als zweite Tour des Jahres in Erwägung zu ziehen. Auch diese beiden Gipfelziele liegen tief mitten in der großen Gletscher-Arena des Berner Oberlandes (BO) und sind nur mit langen Anmarschwegen erreichbar.
Für die Anreise aus dem Wallis nach Grindelwald benötigen wir in Folge der Dauerbaustelle im Lötschbergtunnel etwas mehr Zeit als vermutet.
Die Parkplatzsuche in Grindelwald gestaltet sich dann auch noch herausfordernd so dass wir erst gegen 11 Uhr den Zustieg zur Schreckhornhütte beginnen können.
Der Hüttenweg ist im ersten Abschnitt bis zum „neuen“ Gasthaus Bäregg ein beliebter Wanderweg und entsprechend gut frequentiert.
Danach wird es spürbar ruhiger und der Weg steigt zunächst nur mäßig an. Dennoch sind zusätzliche Höhenmeter zu machen, da infolge des abrutschenden Moränengesteins auf der linken Talseite der Weg wohl erst kürzlich wieder verlegt werden musste. An manchen Stellen zeigen sich jedoch bereits wieder große Risse im Erdboden die signalisieren, dass der ganze Hang langsam, aber stetig talwärts rutscht. Hier könnte in nächster Zeit eine erneute Verlegung des Hüttenweges drohen.
Die Mittags-Sonne heizt uns mächtig ein und der Schweiß fließt ergiebig über Rücken und Beine.
Um 15 Uhr erreichen wir dann die Schreckhornhütte und nutzen die Gelegenheit, die feuchten Klamotten in der warmen Nachmittagssonne zu trocknen.
Die Lage der Hütte ist sensationell und die Aussicht von der Terrasse ein Genuss für jeden Bergliebhaber.
Nach einer großen Portion Rösti „Schreckhorn“ erkunden wir noch die Wegfindung für den Folgetag, denn hier ist es nicht trivial, den richtigen Kurs in der Dunkelheit zu steuern.
Der Wetterbericht für den Folgetag ist zweigeteilt. Der Vormittag ist durchgängig gut, jedoch mit starkem Wind in hohen Lagen. Für den Nachmittag kündigt sich von Westen eine ausgedehnte Gewitterfront an, die das BO gegen 15 Uhr erreichen soll.
Die geplante Überschreitung beider Berge mit langem Rückweg zur Hütte wäre somit sehr wahrscheinlich nicht realisierbar. Die endgültige Entscheidung werden wir aber erst auf dem Schreckhorn treffen. Einen etwaigen Notabstieg vom Verbindungsgrat zum Lauteraarhorn wollen wir nicht riskieren.
Das Nachtessen wird pünktlich um 18:30 Uhr serviert und schmeckt ausgezeichnet.
Überhaupt muss ich dem gesamten Hüttenteam ein grosses Kompliment aussprechen. Hier herrscht ein sehr freundschaftlich, kameradschaftlicher Umgangston und man ist bemüht den Gästen den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten.
Da für das Schreckhorn bereits um 02:00 Uhr geweckt wird, verziehen wir uns recht zeitig ins Schlaflager. Sogar mir gelingt es dann irgendwann in den Schlaf zu sinken und um 02.00 sitzen wir schon beim Frühstück.
Es folgt ein zügiger Abmarsch gemeinsam mit 3 weiteren Zweier-Seilschaften gegen 02:20 Uhr bei sternenklarem Himmel und wir steigen über loses Geröll und Moränenschutt hinab in die Dunkelheit, um den flachen Gletscher zu erreichen.
Nach ca. einem Kilometer geht es dann links weg vom Eis, hinein in ein Blockgebiet, später über glatte Platten und über mehrere Rinnen hinweg recht steil eine Fels- und Schuttrippe hinauf in Richtung Gaag.
Dieser Weg schlängelt sich scheinbar endlos und steil den Rücken zum Gaag hinauf, bevor dann der Rand des oberen Gletscherbeckens erreicht wird.
Hier muss auch der Abzweig Richtung Strahlegg-Pass liegen, aber ich habe im Dunkeln nichts davon bemerkt.
Ab hier sind die Steigeisen erforderlich, um an den Bergschrund zu gelangen, der den Zustieg zur „Rampe“ ermöglicht.
Der Schrund ist zwar größtenteils offen, aber über eine Schnee-Brücke noch passierbar und so erreichen wir die untersten Felsen und beginnen mit dem Aufstieg über die Rampe an ihrer linken Seite.
Zunächst folgt man der linken Rampenkante bis zur ausgeprägten Schulter auf ca. 3800m. Die Ersteigung der Rampe ist weg- und zeitintensiver als ich vermutet hatte. Der Fels ist fest und griffig, aber das Gelände ist steil und exponiert. Tiefblicke auf die linke und rechte Gratkante sind schon eindrucksvoll und mahnen zu voller Konzentration.
Dann beginnt der eigentliche SW-Grat und dieser steilt auch ab der Schulter mächtig auf. Die Felsen sind aber auch hier durchweg gut griffig und fest und die klettertechnischen Schwierigkeiten übersteigen den III-Grad meiner Auffassung nach nicht.
Kurz vor Erreichen des Vorgipfels flacht der SW-Grat ab und der Hauptgipfel wird sichtbar. Nun muss nur noch der recht schmale und ausgesetzte Verbindungsgrat zum Hauptgipfel überschritten werden, bevor sich dann das firntragende Gipfelplateau unproblematisch betreten lässt. Einzig der sehr starke Wind mahnt hier zu besonderer Vorsicht, denn der Grat ist höchsten 30cm breit.
Es kursieren einige abweichende Besteigungs-Zeiten im Netz. Ich kann nur sicher sagen, dass wir für den gesamten Anstieg von der Schreckhornhütte bis zum Gipfel genau 5 Stunden benötigten. Das ist auch die reine Marschzeit, denn abgesehen vom An- und Ausziehen der Steigeisen haben wir bis zum Gipfel keine Pausen gemacht.
Wir suchen eine etwas windgeschütztere Stelle am Gipfel auf um uns eine zweite Jacke überzuziehen und etwas zu essen.
Ein erneuter Wettercheck mit dem Handy bestätigt die bereits erwartete Wetterentwicklung. Die Gewitterfront kommt und am Westhimmel sind davon auch schon erste Anzeichen sichtbar.
Wir entscheiden uns daher gegen die Fortsetzung der Tour in Richtung Lauteraarhorn und wählen den sicheren Abstieg entlang der Aufstiegsroute zurück zur Schreckhornhütte. Die anderen Seilschaften machen es ebenso und im Nachhinein kann ich sagen, dass es die absolut richtige Entscheidung war.
Das Abklettern über den SW-Grat ist an einigen Stellen schon sportlich da steil und mit eindrücklichem Tiefblick verbunden. Später seilen wir an den vorbereiteten Abseilständen meist ab und erreichen so recht bald wieder die Schulter oberhalb der Rampe.
Auch auf der Rampe gibt es eine Abseilstrecke, um schnell und sicher hinunter zurück auf den Gletscher zu gelangen.
Weiter geht es nun über den Bergschrund zurück in den Schnee, in großem Bogen rum die offenen Spalten herum in Richtung Felsrücken Gaag zurück.
Hier pausieren wir windgeschützt, wechseln die Jacken, verstauen Steigeisen und Helm und verpflegen uns mit Kohlenhydraten und Flüssigkeit.
Der weitere Abstieg erfolgt fast genau auf der Aufstiegsroute und so erreichen wir die Schreckhornhütte bereits wieder am späten Vormittag gegen 11.30 Uhr pünktlich zum Mittagessen.
Der Rückweg hinunter ins Tal fordert dann im ersten Strecken-Abschnitt eneut unsere Aufmerksamkeit an den exponierten Stellen, welche mit Ketten, Drahtseilen und Leitern abgesichert sind.
Den ersten Regenguss bekommen wir dann ca. eine Stunde nach Verlassen der Hütte als Erfrischung auf die durchgeschwitzten Klamotten.
Gerade rechtzeitig im allerletzten Moment schaffen wir es noch hinein ins Gasthaus Bäregg bevor ein heftiges Gewitter über Grindelwald niedergeht. Dieses warten wir geduldig ab und nehmen dann die letzten Kilometer bis zur Pfingstegg-Bahn in Angriff.
Um 16.00 sitzen wir trocken im Auto bevor auf der Fahrt Richtung Wilderswil der Himmel erneut alle Schleusen öffnet und sich ein weiteres, heftiges Gewitter über dem BO entlädt.
Sehr froh, am Gipfel des Schreckhorns die richtige Entscheidung getroffen zu haben, fahren wir zurück ins Wallis, wo sich das Wetter ebenfalls gewitterhaft zeigt.
Die Wünsche und Ziele des Bergsteigers sollten immer den körperlichen Fähigkeiten und den aktuellen Verhältnissen am Berg angepasst werden. Ein Beharren darauf, Geplantes zu 100% zu verwirklichen, sollte das Gespür für Gefahren nicht trüben.
Gruss garaventa

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