Kreuzberg V (Westgrat / Nordwand)


Publiziert von Bergamotte , 15. Oktober 2019 um 12:36.

Region: Welt » Schweiz » St.Gallen
Tour Datum:13 Oktober 2019
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: Alpstein   CH-SG   CH-AI 
Zeitbedarf: 4:45
Aufstieg: 1500 m
Abstieg: 1500 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:PW bis Parkplatz Nasseel
Unterkunftmöglichkeiten:Berggasthaus Bollenwees
Kartennummer:1115 Säntis (R. 134, 161, 175, 151, 152)

Genau wie Kreuzberg II, den ich vor drei Jahren begangen habe, wird Kreuzberg V eigentlich nur durch Kletterer besucht. Der Clubführer wie auch ein Bericht von Alpin_Rise lassen jedoch den Schluss zu, dass der Gipfel auch dem ambitionierten und vor allem schwindelfreien Alpinwanderer offensteht. Das wollte ich heute verifizieren. Die gute Nachricht vorweg: Ich konnte sogar zwei Routen begehen und damit zum ersten Mal einen Kreuzberg überschreiten. Der recht beliebte Westgrat ist technisch einfach. Aber zugegeben, wer die extreme Ausgesetztheit seilfrei ertragen will, braucht ein gerüttelt Mass an Selbstvertrauen... Die kaum bekannte Erstbegeher-Route durch die Nordflanke hingegen ist eine klassische T6 - wild, aufregend und abenteuerlich.

Um 8:30 geht's los vom Parklpatz Nasseel, nachdem ich mich auf der Anfahrt noch verfahren hatte. Aber Hauptsache ich gerate in den Kreuzbergen nicht ab der Route... Der Aufstieg in die Saxerlücke (1650m) verläuft zügig, auch wenn ich mich das schwere Schuhwerk und Gepäck nicht mehr gewohnt bin. Denn natürlich trage ich zur Sicherheit das ganze Abseilmaterial mit. Damit die Tour nicht allzu kurz ausfällt, wähle ich nicht den direkten Zustieg, sondern die Variante über den langgezogenen Rücken vom Roslenfirst (2151m). Man geniesst von hier immer wieder tolle Ausblicke in die mittlere Alpsteinkette. Und weil ich schon mal hier bin, schaue ich noch kurz auf dem Mutschen (2122m) vorbei. Dieser erhält heute, an diesem prächtigen Herbstsonntag, ausgiebig Besuch.

Einen Riegel verdrückt und dann gilt's ernst. Ab Mutschensattel ist der Einstieg nach kurzer Querung rüber vom Wanderweg schnell erreicht. Über Felsschrofen - an einer Stelle hängt sogar ein kleines Halteseil - erreiche ich eine grasige Rampe, die zuletzt über eine Felsrinne direkt ins Felsenfenster führt. Doch aufsteigen möchte ich durch die Route der Erstbegeher in der Nordflanke, auch wenn der Führer hierfür nur wenig schmeichelhafte Worte übrig hat. Diese zweigt linkerhand direkt von der Rampe ab (kaum zu verfehlen). Die steinschlägige Rinne lässt sich zuerst ganz leidlich begehen (T6-/II). Doch plötzlich steilt das Gelände stark auf. Im Aufstieg könnte ich die III- Kletterei noch meistern. Aber was, wenn ich oben nicht weiterkomme? Denn die im Führer erwähnte Querung sowie die Schlussrinne sehen von unten einfach grauselig aus. Und ob Haken stecken weiss ich nicht. Das ist mir alles zu unsicher und ich entscheide mich für den Wechsel auf die Westgrat-Route, über die ursprünglich abseilen wollte.

Zurück auf der Rampe erreiche ich das markante Felsfenster ohne grössere Schwierigkeiten (obere T5). Aus dem Fenster rechts hoch über einen grasdurchsetzten Hang zur Grathöhe. Dort erstmal leer schlucken: seilfrei über diesen Grat!? Aber schlussendlich entpuppt sich der Weiterweg als ganz tolle Kletterei in griffigem und bombenfestem Fels. Die II+ im Führer geht in Ordnung, sicher nicht schwieriger. Was keine Geiss wegschleckt: Die Route ist extrem ausgesetzt; solche Tiefblicke sind selbst für einen erfahrenen T6-Gänger wie mich grenzwertig. Nach einigen Minuten legt sich der Grat zurück und man kann recht angenehm zum höchsten Punkt vom Kreuzberg V (2052m) queren. Freude und Stolz macht sich breit. Die Mittagsrast kann ich entspannt, denn ich könnte ja problemlos wieder über den Westgrat abseilen. Doch natürlich denke ich bereits an der Nordwand rum, denn von oben sieht die Route harmloser aus als von unten.

Deshalb der Routenbeschrieb nun in umgekehrter Reihenfolge... Die Schlussrinne, welche kurz vor dem Gipfel endet, ist sehr steil, aber der Fels griffig und gut gestuft. Anschliessend folgt die Querung rüber in die Hauptrinne, wo ich zuvor weiter unten abgebrochen hatte. Das abschüssige Band lässt sich angenehmer begehen als befürchtet, man bewegt sich teils gar geschützt hinter Felsplatten. Etwas heikel ist der Ausstieg auf den Sporn (gehobene T6), im Aufstieg sicher angenehmer. Von hier steige ich nicht direkt in die Hauptrinne ein, sondern folge zunächst weiter dem Sporn. (Die Hauptrinne endet oben übrigens auch in einem Felsenfenster). Anschliessend direkt die Rinne abwärts, typisches T5 bis T6-Gelände. Die gute Nachricht: Es steckt ein (sehr alter) Haken und oberhalb der Schlüsselstelle befindet sich gar eine (etwas veraltete) Abseilstelle. Darauf muss ich nicht zurückgreifen, denn im Abstieg kann ich mich ganz angenehm die enge Rinne runterklemmen. Im Aufstieg wäre das deutlich anspruchsvoller gewesen (III-). Dann stehe ich bereits wieder auf der grasigen Rampe und mache mich zufrieden an den Rückweg nach Nasseel. Somit fehlen mir noch KI und KVI - als überzeugter Alpinwanderer lasse ich es dabei bewenden.

Hinweis: Die Beschreibung der beiden Routen im Clubführer von 1999 ist detailliert und exakt. Weitere Infos benötigt man prinzipiell nicht. Die Bewertung II+ für den Westgrat geht in Ordnung, wobei die Schwierigkeiten dort nicht technischer, sondern mentaler Art sind. Korrekturbedarf sehe ich hingegen für die Nordwand: Mit II ist die vergessene Route der Erstbegeher zu tief eingestuft. Dafür fühlt man sich in der engen Hauptrinne subjektiv geschützter. Und im Gegensatz zu Manfred Hunziker erachte ich diese Variante als durchaus empfehlenswert. Ja, der klassische Kletterer wird hier nicht glücklich, aber der anspruchsvolle T6-Aficionado findet alles, was sein Herz begehrt.

Zeiten
1:15  Saxerlücke
0:50  Roslenfirst
1:10  Kreuzberg V
1:30  Nasseel

Meine weiteren Kreuzberg-Touren
*Kreuzberg II
*Alpstein #3: Kreuzberge - Mutschen - Gätterifirst - Chreialpfirst

Tourengänger: Bergamotte
Communities: T6


Minimap
0Km
Klicke um zu zeichnen. Klicke auf den letzten Punkt um das Zeichnen zu beenden

Galerie


In einem neuen Fenster öffnen · Im gleichen Fenster öffnen


Kommentar hinzufügen»