Fünf-Gipfel-Tour: Über den Neuen Schmidkunzweg auf die Hörndlwand


Publiziert von ZvB , 12. Juni 2019 um 18:47.

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Chiemgauer Alpen
Tour Datum:10 Juni 2019
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 
Zeitbedarf: 8:00
Aufstieg: 1050 m
Abstieg: 1050 m
Strecke:13,9km
Kartennummer:AV BY18

Zu einem einigermaßen erfüllten Bergsteigerleben gehört mindestens die Begehung des Neuen Schmidkunzweges auf die Hörndlwand. Diese kleine und wenig unscheinbare Felsgestalt wird von Kennern des Gebirges oft auch liebevoll Matterhorn des Chiemgaus genannt. Die Bergkameraden Frank und Berni wollten nach einem ergebnislosen Aufenthalt in den Stubaier Alpen endlich wieder einmal einen richtigen Berg besteigen. Die Sache war daher schnell ausgemacht und der Wetterbericht eigentlich ganz gut ...

Als ich kurz vor sechs Uhr durch Luise Kiesselbachs Tunnel schleiche regnet es in München. Die beiden Kameraden warten schon. Schnell sind sie nebst ihrer müden Gebeine eingeladen und wir fahren einem bewölkten Chiemgauer Himmel entgegen. Den Radiogottesdienst muss ich abschalten. Frank liest uns lieber die Topos aus dem Kletterführer vor...

In Seehaus herrscht schon rege Betriebsamkeit. Wir haben die Wahl zwischen Forststraße oder Bergweg. Der Bergweg zur Branderalm soll nur 1 1/4 Stunden in Anspruch nehmen. Wir schaffen das mit den schweren Rucksäcken, unter lebhaftem Austausch von diversen Grenzerfahrungen und trotz zahlreicher umgestürzter Bäume auch in 50 Minuten. Der Himmel zeigt noch immer sein bestes Grau.

Auf dem Weiterweg zur Hörndlalm werden wir von Regentropfen, die an das Blätterdach klopfen, überrascht. Habe ich so ein Pech oder ist das die Schuld der Kameraden? Egal, wir bewundern die gerade aufkeimenden Farne des Waldes. Sprachlich herrscht jedoch noch tiefster Winter. Für den Berni sind das Firne. Ob er auch seine Laubschrauben dabei hat, um uns an den Eisblumen zu sichern? Botanik und Glaziologie sind bekanntlich eng verwandte Fachgebiete ...

Auf der Hörndlalm wird alles besser. Einer verteilt sein frisch und selbst gebackenes Brot. Der zugekaufte Käse ist köstlich. Wir staunen die Hörndlwand an. Wo geht es da bloß hinauf? Und wo ist überhaupt der Einstieg? Wir haben Glück. Ein vorüberwandernder Trostberger Bergkamerad schenkt uns Trost und zeigt uns den Zustieg zum Berg. Leider bekomme ich von seinen Erläuterungen am wenigsten mit, weil ich mit dem plötzlichen und enorm geübten Tempo kaum Schritt halten kann.
Fazit: Die meisten Zustiegsbeschreibungen kann man einfach in die Tonne treten. Da ist von einzelnen Bäumen im Wald die Rede oder vom Anseilblock. Das taugt alles nichts.
Von der Hörndlalm geht man einfach noch wenige Meter auf dem ausgeschilderten Normalweg entlang. Dann befindet sich rechter Hand ein unübersehbarer Kalkfelsen. Dort biegt man scharf links ab und folgt einer deutlich sichtbaren Pfadspur. Diese endet vor einem einzelnen Felsblock. Links davon befindet sich der Einstieg. So einfach ist das.

Ich darf  muss jetzt vorsteigen. Heute bleibe ich die ganze Zeit am scharfen Ende. Alles hat ein Ende, nur das Seil hat zwei...
Eigentlich habe ich erst zwei Griffe ausprobiert, da habe ich auch schon den ersten in der Hand. Während die anderen beiden noch nach dem Haken zur Sicherung des Vorsteigers suchen, bin ich schon auf dem Weg durch die etwas bröselige und feuchte Einstiegsrinne. Endlich ein rostiger Zwischenhaken. Ich fühle mich deutlich besser. Es folgt Einser- und Gehgelände.
Das Mühsamste ist die Seilarbeit. Der durch die verwinkelte Wegführung erzeugte Zug ist ernorm. Vielleicht zieht aber auch der Kamerad am kalten Ende in die entgegengesetzte Richtung? Egal, wir sind Bergausrüstungsfetischisten und sichern auch die Wanderwege durch! Nur wenn die beiden anderen von Alpinexen faseln, bin ich nicht ganz sicher, ob sie nicht doch von ihren verflossenen Bergfreundinnen sprechen…

Endlich die Schlüsselstelle voraus. Ein abgewetzter Block über einer Verscheidung. Ein Strick baumelt von oben herab. Vor lauter Freude werde ich gegen meinen Willen aus der Selbstsicherung ausgehängt. „Du stehst ja gut!“
Also geht es los. Den ersten Zwischenhaken finde ich nur auf Zurufen von unten. Leicht überfordert finde ich den richtigen Griff am Block nicht sofort. Die Sohle der Approachschuhe (phonetisch Abrutschschuhe) will nicht so recht halten. Ein Griff in die Reepschnur und die Sache ist geschafft. Ja, hinterher sehe ich auch den Hintergriff am Block. Ich werde es mir fürs nächste Mal merken. Meine Kameraden behaupten ich sei grün im Gesicht. Die sollten mal ihren persönlichen Weißabgleich überprüfen oder nicht so lange auf rote Gegenstände starren...pöh.
Über dem bösen Block befindet sich übrigens ein Standhaken, der im Topo nicht verzeichnet ist. Den als Zwischensicherung zu benutzen ist völliger Blödsinn. Spätestens wenn man den anschließenden Kamin hinter sich hat, reibt das Seil nämlich derart unter einer Felskante entlang, dass man kaum noch vorwärts kommt, oder macht der Kamerad am kalten Ende des Seil absichtlich zu?!?

Ich stehe vor einer breiten, gleichförmigen Wand und sehe den Haken nicht. Ich taste darauf sogar wie ein Blinder auf einer Mohnsemmel herum. Da ist nix! Etwas links sehe ich den rostigen Schlaghaken des zweiten IIIer-Aufschwungs. Dann nehme ich halt den. Der Standplatz ist schnell zusammengezimmert. Die Kameraden steigen nach. Aus dem Augenwinkel sehe ich plötzlich etwas Glänzendes. Da ist er ja, der Bohrhaken! Peinlich. Und dann bekomme ich auch noch zu hören, dass ich auch noch den einen oder anderen rostigen Zwischenhaken ausgelassen hätte. Trotzdem muss ich weiter vorsteigen…

Der luftige Stand bei einem Zapfen an der Wand ist ein weiterer Höhepunkt. Dann folgen mit dem exponierten Aufstieg über die Gratkante die beiden schönsten Seillängen des Neuen Schmidkunzweges. Nur das Wetter könnte dem Anlass und der Freude entsprechend besser sein. Der Himmel bleibt grau, obwohl wir am ersten Gipfelkreuz glücklich wie die Honigochsen über beide Ohren strahlen.

Franks Gipfelhunger ist stets unersättlich. Sofort werden zwei weitere Gipfelkreuze auf der eigentlichen Hörndlwand ausgemacht, und dort auf dem Gurnwandkopf stehen noch zwei weitere. Da müssen wir heute auch noch hin. Nun ja, fünf Sechzehnhunderter machen schließlich auch einen Achttausender…

Ein einheimischer Spaßvogel schickt uns dann zu allem Überfluss über einen Umweg auf den Gurnwandkopf. Wir lieben Latschen! Bei schönem Wetter könnte man hier sicher mehr sehen. Über den nordseitigen Normalweg geht es hinab. Letzte Altschneefelder gilt es zu queren. Ein wenig ruppig geht es schon zu.
Beim alkoholfreien Weißbier auf der Branderalm ist das aber schon fast vergessen, spätestens jedoch beim weltbesten Puten-Gemüse-Dürüm in München Giesing (hätten wir doch jetzt bloß eine von den 1860er-Tüten dabei).

Als Ausrüstung genügen ein 50m Einfachseil und fünf Exen plus einigen HMS-Karabinern nebst Schlingenmaterial völlig. Zwei Dinge werde ich beim nächsten Mal anders machen:
1. Kletterschuhe sind an den abgewetzten Stellen angenehm.
2. Den Neuen Schmidkunz nur noch bei AKW, sonst gibt es wieder graue Fotos mit schwarzem Rand.

Tourengänger: ZvB, Paco


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Kommentare (1)


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detlefpalm hat gesagt: Super Geschichte
Gesendet am 13. Juni 2019 um 22:37
Beim Lesen denke ich, ich wär dabeigewesen.....


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