Kühkar-Moserkar-Rauhkarlreibn


Publiziert von Wagemut , 11. August 2016 um 12:52.

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Karwendel
Tour Datum: 8 August 2016
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A   D 
Zeitbedarf: 13:00
Aufstieg: 2714 m
Abstieg: 2554 m

Nachdem der letzte Gipfel der Alpen erstbestiegen war, verlegte man sich darauf, besondere Wege auf die Berge zu finden. Die Idee (oder Vision) von einer Tour steht heute oft im Vordergrund von Bergunternehmungen. So auch an diesem langen Tag im schönen Karwendel. Die Umrundung von Großem Kühkar, Moserkar und Rauhkarl sollte es werden und ich war gespannt, wieviel sich davon in die Tat umsetzen ließe...

Wie es sich gehört, startet die Tour am kostenlosen Parkplatz vor Scharnitz. Mit dem Rad fahre ich bis zum Abzweig ins Roßloch bei der Kastenalm und verstecke mein Radl in den Latschen. (45 min.)  

Aufstieg zur Südlichen und Nördlichen Sonnenspitze:

Auf der Kastenalm ist noch nicht ganz Tag. Die Sonne verbirgt sich noch irgendwo hinter den Sonnenspitzen. Gemütlich geht es an der Kastenalm vorbei - ein Reh hüpft über den Weg - zum Eingang des Moserkares. Die Kühe haben sich am Beginn des Pfades versammelt und versperren mir den Weg. Ob sie mich vorbeilassen? Zu dieser frühen Stunde ist die Tierwelt schon recht aktiv. Es zwitschert und kreucht und fleucht überall. Der Steig ins untere Moserkar ist wunderbar angelegt und leitet in angemessener Steigung nach oben. An der Kreuzung der Bäche vom Gr. Küh- und Rauhkar trinke ich mich nochmal gut sitt (neudeutsch für nicht mehr durstig sein) und fülle die Trinkflaschen. Vor der Kreuzung der Bäche kommt von rechts, von den Ausläufern des Südgrats der Sonnenspitze, ein weiterer Graben herunter. Wer gute Augen hat, sieht im Grabenbett einen Brocken mit einer roten Beschriftung. Ja, tatsächlich ist der Aufstieg zu den Sonnenspitzen hier kurz bezeichnet. Wohlan denn! Rein in den Graben und aufgestiegen!

Der Graben oder die Rinne ist ein wahrer Klettergenuss! Auf ausgewaschenem Fels geht es viel auf Reibung ziemlich direkt empor. Wer gut kraxeln kann, verzichtet auf ein Ausweichen nach links oder rechts und hält sich immer in der Rinne. Sie verläuft zunächst Richtung Osten, knickt dann langsam nach Ost-Nord-Ost um und führt zwischen dem letzten Ausläufer des Sonnenspitze-Südwestgrats, 2299m, und dem Punkt 2050 (siehe AV-Karte; im Panico-Führer "Eulenkopf" genannt) westlich davon nach oben. Schließlich nimmt die schöne Rinne doch ein Ende. Um nicht mühsam über Schutt weiterzusteigen, hält man sich jetzt schräg rechts entlang von Felsbändern Richtung Südwestgrat. Auf dem Grat geht es dann bis zur Südl. Sonnenspitze.

Kurz vorm Gipfel treffe ich auf Didi, der bereits eine lange und nervenaufreibende Tour hinter sich hat. Denn er ist im Alleingang von der Laliderer Spitze zur Nördlichen Sonnenspitze, wobei er letztere über die Ostkante (V. Grad!) bezwungen hat. Da hätte ich ihm eher die Steilrinne (III+) anempfohlen!:-) Damit Didi sich am Ende seiner Tour nicht noch versteigt, was bei anstrengenden Touren keine Seltenheit ist, weise ich ihm noch kurz den Weg zur Abstiegsrinne. Dann verabschieden wir uns. Ich hoffe, dass er gut runtergekommen ist!
Für mich geht es weiter auf dem Grat, den ich mittlerweile schon recht gut kenne. Den Aussagen anderer, dass es sich bei dem Übergang zur Nördl. Sonnenspitze max. um einen IIer handelt, kann ich mich nur anschließen! Der AV- Führer bewertet hier falsch bzw. wurde nicht entsprechend aktualisiert. Überhaupt frage ich mich, in wieweit Touren für den Führer nachgegangen werden..(ca. 3 h 30 min von der Kastenalm bis zur Nördlichen)

Abstieg Nördl. Sonnenspitze, Aufstieg Kühkarlspitze.

Für den Abstieg verweise ich auf ADIs Bericht. Vor Jahren bin ich über die Westflanke rauf und habs in Teilen als ziemlich brüchig empfunden. Heute hält es sich in Grenzen. Die Wahrnehmung hängt schon sehr von der Tagesform ab. Allerdings ist das Gelände im Abstieg nicht so gut zu überschauen. Nach dem Abschnitt mit dem schönen festen Fels, komme ich etwas zu weit rechts nahe des nördlichen Steilabbruchs raus. Überall sind kleine Teile des zerschollenen Flugzeugs zu finden.
Zum Südgrat der Kühkarlspitze quere ich im Kar relativ waagrecht hinüber und über diesen zum Gipfel. Eine wundersame Mondlandschaft; nur die widerstandfähigesten Blumen wachsen hier! (45 min)

Abstieg  Kühkarspitze, Aufstieg Moserkarspitze.

Vom Gipfel geht es mühelos den Südgrat ein Stück hinab, dann quere ich ins Kleine Kühkar hinüber. Zwei kleine Schneefelder mit Schafen darauf locken mich. Den Tieren gilt dabei nicht mein Hauptinteresse, sondern der potenziellen Wasserquelle. Denn, da die Tageshitze auf dem Zenit ist und mir das Hirn wegbrezelt, muss ich unbedingt schauen, dass ich soviel Schnee wie möglich in meine Flaschen bekomme. Also wird erst mal fleißig Schnee in die Flasche gestopft, bis sie fast voll ist und ein paar Schlucke Wasser aus der anderen Flasche dazugegeben (erleichtert das Schmelzen) Dann binde ich das Ganze außen an den Rucksack. Den Rest soll die Sonne erledigen!
Ganz neugierig sind die Schafe näher gekommen und haben mir bei der Arbeit zugeschaut. Die Viecher sind auch nicht blöd! Zum einen kühlen sie sich am Schneefeld ab und außerdem geht sicher der eine oder andere Floh im Fell drauf.
So, ein bisschen was steht aber noch auf dem Plan. Deswegen Rucksack gepackt und nahe an den Ostgrat der Moserkarspitze heran. Der erste Abbruch des Grats wird südlich umgangen. Gleich dahinter geht es durch eine bröselig-brüchige Rinne zum Grat und Gipfel. Von einem "plattigem Grat" (O-Ton AV-Führer) ist nichts zu bemerken, zumindest nicht, wenn mit "plattig" plattiger Fels gemeint ist.:-) (1h)

Abstieg Moserkarspitze, Aufstieg Unbenannter Gipfel

Der Abstieg ins Moserkar geht fast auf gleiche Weise vonstatten wie der von der Kühkarlspitze. Erst am Südgrat ein Stück hinab und dann in der Westflanke hinab ins Kar. In einer Schneemulde fülle ich noch mal Schnee nach und mache mir mit einer Bandschlinge eine Schleuder um den Schnee schneller zu verdichten.
Der Ostgrat des Unbenannten Gipfels sieht gänzlich unattraktiv aus. Deswegen erfolgt auch hier eine Querung zum Südgrat, über den man den Gipfel mit 2 (!) Kreuzen erreicht. Eines steht recht schäpps da. Scheint aber doch gut zu halten. (1 h)

Abstieg Unbenannter Gipfel, Aufstieg Rauhkarlspitze

Der Abstieg vom Unbeannten Gipfel ist der bisher unangenehmste. Auch hier ist es möglich den Südgrat soweit abzusteigen, bis man ohne größere Schwierigkeiten ins Rauhkarl absteigen kann. Da ich aber nicht so viel Höhenmeter "verlieren" will, halte ich mich an die Routenbeschreibung "Übergang von der Östl. zur Westl. Moserkarscharte". Also steige ich über den NW-Grat ein Stück ab, halte mich dann etwas links unterhalb der Grathöhe und quere nach rechts in ein brüchige Scharte. Da mir die folgende Steilrinne zu gach ist, halte ich mich gleich etwas links über unangenehme, steile mit Schutt bedeckete Platten abwärts und biege weiter unten rechts ins Kar ein.
Ich visiere das Gelände zur Rauhkarlspitze. Viel Schutt liegt hier rum. Das könnte mühsam werden! Bei genauerem Hinsehen, kann man aber im Schutt immer wieder feste Brocken sehen, die einem den Aufstieg erleichtern könnten. An die halte ich mich und es klappt erstaunlich gut. Auch der Schutt ist nicht so rutschig wie ich es erwartet habe. Stetig arbeite ich mich zur Grathöhe hoch und habe bald den Ostgipfel der Rauhkarlspitze erreicht. Der Gipfel ist offensichtlich zu rauh, deswegen gibt es kein Gipfelbuch (1 h 15 min)

Abstieg Rauhkarlspitze, Aufstieg Kaltwasserkarspitze


Es bewahrheitet sich mal wieder: Das Empfinden ist von der Tagesform abhängig. Als ich vor Kurzem auf der Rauhkarlspitze war, hab ich den Abstieg über die Westflanke als nicht zu unangenehm empfunden. Doch jetzt nach 6 bestiegenen Gipfeln lässt die Konzentration schon etwas nach. Und man muss wirklich sagen die Flanke ist sehr schuttig und brüchig.
Mein Tipp gegen störende, nicht sachdienliche Adrenalinstöße: Nicht den fallenden Steinen hinterherschauen. Nicht in den Stein hineinversetzen oder direkt in die Gefühlswelt des Steins eintauchen, sonst fällt man gleich hinterher. Lieber auf die eigenen Füß und Händ schauen und langsam weiter krabbeln.:-)
Wie in meinem Rauhkarlbericht beschrieben, quere ich von der Scharte zunächst nahe an den Felsen abwärts, halte mich in der Folge aber diesmal tiefer, da der Einstieg zum sog. "Grauen Kamin" (siehe AV-Führer "Aus dem Rauhkarl durch den Grauen Kamin" [Südostflanke und Ostgrat], III) jetzt wegen des weggeschmolzenen Schnees 3 m weiter unten möglich ist. Zunächst stemme ich ein Stück in einem Kamin hoch, steige dann nach rechts aus und gelange über festen Fels zu einer verschneidungsartigen mit linksseitiger, glatter Platte versehenen Stelle. Hier ist der eigentliche Einstieg, wenn man von der Scharte auf dem Schutt direkt unter den Felsen quert. Nun gehe ich den Grauen Kamin an. Es ist klassische Stemmarbeit und wie ich vermutet habe teilweise so eng, dass einem der Rucksack hängenbleibt. Mit Biwakgepäck wärs nur schwer machbar. Der Kamin ist sehr schön zu klettern und heute endlich weitgehend trocken. Am Ausstieg steckt ein Klemmblock, den man beherzt anpacken muss, um sich raufzuwuchten.
Nach dem Kamin legt sich das Gelände zu einer Rinne zurück, die zum Ostgrat der Kawaka zieht. Auch hier warten noch einige Kletterstellen! Und Vorsicht, da die Route wohl nicht oft gemacht wird, gibt es sehr viel brüchige Brocken, die einem nicht auf den Fuß fallen sollten.:-)
Am Ostgrat mit gelegentlichem Ausweichen in die Südflanke zum Gipfel. Nach ziemlich genau 13 Jahren wars mal wieder Zeit auf diesem wunderschönen Gipel zu stehen und die Rundschau zu genießen (1 h)

Abstieg über die Sägezähne und Heißenköpf

Für den Abstieg möchte ich z.B. auf diese Berichte verweisen: kardirk und mabon
Auf dem Grat heißt es noch einmal gut aufpassen. Inzwischen bin ich etwas müde; die Flaschen sind längst leer getrunken und ich hab ein paar Mal praktische Steinmandl übersehen. Letzlich bringe ich den felsigen Abschnitt gut hinter mich und der lange Abstieg steht bevor. Es ist zwar sehr unbescheiden, aber ich wäre dafür, dass nochmal jemand den Steig weiter freischneidet, damit man ein bisschen mehr die aufrechte Haltung einnehmen kann. :-)
Im unteren Moserkar hatsche ich im Schneckentempo zum Moserkarbach. Denn ein Erfrischungsgetränk ist jetzt dringend vonnöten...(1 h 30 min)
Von der Kastenalm mit dem Rad zurück zum Parkplatz. (1 h)

Fazit: Sehr lange Tour im schönen Karwendel, an die ich mich an langen Winterabenden gerne zurückerinnern werde! Grauer Kamin zur Kaltwasserkarspitze III. Sonstige Übergänge I-II. Abstiege von Nördl. Sonnenspitze, Unbenannter Gipfel und Rauhkarlspitze bedürfen des routinierten Umgangs mit brüchigem Gestein. Reine Geh- und Fahrzeit 11 h 45 min.
 

Tourengänger: Wagemut


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Kommentare (10)


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Nic hat gesagt:
Gesendet am 11. August 2016 um 13:07
Gratulation zur Hammertour! So viele viele tolle Gipfel in einem Zug! Klasse! Wäre schon froh wenn ich es endlich mal auf die Kaltwasserkar schaffe. Die is schon lange geplant. Ohne Bike hab ich bisher immer aufgeschoben.

P.S. Setze doch Wegpunkte damit dieser geniale Bericht nicht verschwindet.

Gruß Nico

Wagemut hat gesagt: RE:
Gesendet am 11. August 2016 um 15:06
Merce! Habs sehr genossen in dieser großartigen Landschaft unterwegs zu sein!

Viele Grüße,

Joseph

ADI hat gesagt:
Gesendet am 11. August 2016 um 17:15
wer ko, der ko!
Gratulation......eine satte Leistung!!!

Beste Grüße!

ADI

Wagemut hat gesagt: RE:
Gesendet am 11. August 2016 um 19:18
Satt triffts ganz gut! Wobei i demnächst doch mal Lust auf die Eiskarln hätt.

kardirk hat gesagt:
Gesendet am 11. August 2016 um 19:06
Krasse Tour,
Deine Kondi hätt ich mal gerne.
Da steht ja wohl bald mal die Gesamtüberschreitung der Karwendelketten an.
Auch von der Tiefkar zur Wörnerspitze müsste dir liegen.
Respekt.

Vg Dirk

Wagemut hat gesagt: RE:
Gesendet am 11. August 2016 um 19:20
Danke! Die Überschreitung der Hauptkette ist in Planung!:-)

Andy84 hat gesagt:
Gesendet am 11. August 2016 um 21:30
Hi Joseph,

Wirklich klasse Tour. Ich muss glaub doch mal ins Karwendel schauen.

VG Andy

Wagemut hat gesagt: RE:
Gesendet am 11. August 2016 um 23:02
Servus Andi,

warst no gar ned im Karwendel? Würd sich schon mal lohnen, würd ich sagen! Wobei, es gibt so viele schöne Berg, da wird man im Leben nicht fertig!:-) Die Lechtaler interessieren mich schon ewig. Da hab ichs aber bis jetzt auch noch nicht hingeschafft.

Wenns magst, geh ma mal was mitnand im Karwendel! Da gibts noch viel zu sehen!

Viele Grüße,

der Joseph

Gelöschter Kommentar

Wagemut hat gesagt: RE:
Gesendet am 12. August 2016 um 20:56
Servus Markus,

ja, der Kamin hat mich schon gewurmt, weil er dauernd feucht war. Aber nach dem dritten Versuch in diesem Jahr hats endlich geklappt.:-)

Viele Grüße vom Joseph


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