Kaltwasserkarspitze - (mindestens) ein Mal im Leben


Publiziert von TobiasG , 30. Oktober 2023 um 16:04.

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Karwendel
Tour Datum:11 September 2023
Wandern Schwierigkeit: T5+ - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Mountainbike Schwierigkeit: L - Leicht fahrbar
Wegpunkte:
Geo-Tags: A   D 
Zeitbedarf: 11:00
Aufstieg: 1900 m
Abstieg: 1900 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Parkplatz an der B2 kurz vor der Grenze

"Kahles, den letzten Rest organischen Lebens unter seiner wandernden Schuttdecke begrabendes Gestein, - ein tausendfach geborstenes Gerüst zackiger Mauern, aus eisigen Schlünden gleich erstarrten Flammen der Unterwelt zu unermesslicher Höhe emporzüngelnd, - und eine Dolchklinge darüber, drohend aufgezückt gegen den Himmel, so thront die Kaltwasserkarspitze über den Weidegründen von Ladiz, im innersten Thalwinkel des Hinteren Riss"

Obwohl ich schon einige Gipfel des Karwendel kenne, dieser von Hermann v. Barth so pathetisch beschriebene markante Zacken fehlt mir noch. Stolz steht sie im Herzen des Karwendel, wirklich leichte Wege gibt es nicht. Ihr Südgrat verleiht ihr eine mächtige Statur (und einen langen Zustieg). Hermann v. Barth hat damals am Gipfel ein Schneesturm erwischt, heute herrscht zum Glück bestes Wetter, weshalb ich mich für diese Tour entschieden habe.

Es scheint einhellige Meinung zu sein, dass man als Freund des Karwendel mal oben gewesen sein muss. Wer bin ich, mich dieser Weisheit zu widersetzen? Start wie immer am Parkplatz kurz vor der Grenze und mit dem Bike ins Hinterautal. Das Bike stelle ich in der Nähe der Abzweigung zur Birkkarspitze ab und zu Fuß geht es vorbei an der Kastenalm und weiter ins Rossloch. Nach nicht allzu langer Zeit überquert man das große Kiesbett (letztes Wasser!!) linkerhand und folgt einem Weg durch die Latschen. Vorbei an einer Feuerstelle, hier dann links bergauf. An einer Abzweigung hält man sich links in Richtung kleiner Heisenkopf. Konditionell folgt nun der anstrengendste Teil: in schier endlosen Serpentinen zeiht der Weg steil nach oben. Insgesamt knapp 800 hm – hört sich nicht so schlimm an, wenn man außer Acht lässt, dass der Hang eine Südostexposition hat und damit quasi ab dem ersten Sonnenschein aufheizt und der Weg durchgehend in den Latschen verläuft. Die prognostizierten 20 Grad fühlen sich wie 30 an und oben angekommen bin ich komplett durchgeschwitzt.

Auf dem Rücken angekommen lichten sich die Latschen und es geht immer am Grat entlang zum großen Heisenkopf. Man hat zwar bereits einen guten Anteil der Höhenmeter, da ist man aber noch lange nicht. Das Gelände wird zunehmend felsdurchsetzter und schuttiger. Etwa ab dem großen Heisenkopf wird es dann etwas ernster, der Weg ist durchwegs mit Steinmandln markiert. Es folgt der berüchtigte Sägezahngrat und beim ersten Anblick schaut der auch ganz schön übel aus. Die Kletterei überschreitet bei optimaler(!!) Wegführung den II. Grad aber nicht, man bewegt sich oft im Bereich I, T 5.

Mit dieser Information im Kopf geht’s an den ersten ernsthaften Aufschwung. Rauf ein IIer, der Abstieg für einen IIer recht sportlich. Ein etwas kritischer Blick ins Gelände verrät, dass man den Zacken laut Steinmandl umgehen hätte sollen. Die Steinmandl sind nicht immer leicht zu sehen, wenn´s schwerer als II ist, ist man falsch. Wie öfter im Karwendel hat man die Wahl, viel in schuttigen Flanken zu umgehen oder am Grat (nicht Normalweg) etwas schärfer zu klettern. Wer einen Karwendel-IIIer beherrscht kann meist direktere Varianten am Grat wählen, die ich deutlich abwechslungsreicher als die Schuttbänder fand, die Schwierigkeit bewegt sich meist im II. Grad. Das brüchige Gelände verlangt einem in jedem Fall große Vorsicht ab, es ist hier stellenweise ziemlich ausgesetzt und ein Abrutschen kann schnell tödlich enden, wie zwei tragische Unfälle 2020 gezeigt haben.

Man kommt dann an einer recht markanten Scharte in die Westseite vorbei, dem späteren Abstiegsweg. Ab hier kommt noch der letzte Aufschwung. Hier soll wohl auch die Schlüsselstelle sein. Da ich am Grat schwereres geklettert bin, vermochte ich eine solche nicht wirklich auszumachen. Schwerer als II ist sie nicht. Am Gipfel bietet sich einem ein grandioses Panorama. Die Kaltwasserkarspitze steht recht frei und wird nur von der westlich gelegenen Birkkarspitze überragt. Östlich schließen die mächtigen Sonnenspitzen das Becken aus Moser- und Kühkar ab. Aufziehende Wolken haben mir Leider einen Blick auf die Falken und das Vorkarwendel nördlich verwehrt. Südlich erstreckt sich die Gleiersch-Halltal-Kette. Mittlerweile hat die Kaltwasserkarspitze auch wieder ein schönes Kreuz, das hoffentlich auch bleibt, nachdem Spinner das letzte abgesägt haben. Ein Blick ins Gipfelbuch verrät, dass die Kaltwasserkarspitze trotz Kreuz weit von der befürchteten Degeneration zum Modeberg entfernt ist. In aller Regel wird man hier allein sein, soweit ich mich erinnere, dürften es zur Zeit meiner Tour noch keine 20 Einträge 2023 gewesen sein. Definitiv eine Tour für Einsamkeitsliebhaber.

Leider ziehen Wolken herein und ich mache mich auf den Weg. Den Abstieg ins östliche Birkkar würde sich bei Nebel sicher deutlich schwieriger gestalten. Zunächst geht’s auf selbem Weg zurück bis zur Scharte und dann in diese. Es ist weder sonderlich ausgesetzt noch klettertechnisch schwierig aber dafür ein ziemlicher Verhau (T5+, kurze Stellen bis II). Auch hier gibt es Steinmandl, die den Weg zuverlässig weisen. Man folgt diesem Weg kletternd und rutschend bis zur östlichen Hochjöchlspitze, wo es geländetechnisch nochmals eine kleine Verschnaufpause gibt. Der Abstieg in Richtung Hochjöchel verlangt nochmal Konzentration, da es wieder steil und brüchig wird (T5+, II). Für T6 war es nach meinem Empfinden entweder klettertechnisch nicht schwierig oder ausgesetzt genug. Das Gelände darf aber keinesfalls unterschätzt werden.

Ins östliche Birkkar geht es dann zunächst nochmal etwas steiler hinab, wobei man aufpassen muss, dass man nicht einen der steilen Abbrüche erwischt. Sobald man das große Schuttbecken erreicht hat, sind die technischen Schwierigkeiten der Tour überwunden. Der lange Abstieg führt einen zunächst weglos durch das östliche Birkkar, das aufmerksame Auge wird einige Fossilien entdecken. Im Kar sollte man sich eher mittig/rechts halten, bis man dann unter dem Südgrat der Birkkarspitze ins westliche Birkkar Richtung Adlerweg quert (der Pfad liegt mittlerweile höher, als in der AV-Karte). Unschwierig dann zum Talgrund und der Rest ist Formsache.

Zusammenfassend kann ich nur bestätigen, dass die Kaltwasserkarspitze zum Pflichtprogramm für einsamkeitsliebende Karwendelenthusiasten gehört. Der Weg ist abwechslungsreich und die Aussicht grandios. Wie schon vielfach gesagt, ist er aufgrund seiner Länge und der durchgehenden Sonnenexposition konditionell fordernd. Der Sägezahngrat ist technisch nicht sonderlich anspruchsvoll, das brüchige und stellenweise exponierte Gelände verlangen aber absolute Trittsicherheit und Vorsicht. Was den Abstieg angeht, hat eine Rundtour natürlich einen eigenen Charme und der Weg durch die Felswüste des östlichen Birkkar ist landschaftlich beeindruckend. Ich habe den Abstieg in dieses zwar als leichter empfunden, als Erzählungen und Berichte dies teils vermuten lassen. Schön ist er aber nicht, der Rückweg über die Sägezähne wäre wohl weniger mühsam. Später am Tag dürfte der Abstieg ab dem kleinen Heisenkopf auch nicht mehr so in der Sonne liegen. Alles in Allem eine sehr schöne Tour, die man mal gemacht haben sollte und durchaus eine Wiederholung wert ist.

Tourengänger: TobiasG


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