Matterhorn, 4478m
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Wo soll ich nur beginnen? Nach wie vor bin ich aufgewühlt, überwältigt von Emotionen, während ich diese Zeilen schreibe. Ich kann es immer noch kaum glauben, dass ich tatsächlich auf dem Gipfel des Matterhorns stand, dem Berg der Berge! Ich werde noch einige Zeit benötigen, um das Ganze zu verdauen …
Eigentlich wollte ich ja gar nie auf diesen Berg steigen: zu viele Leute, dadurch Steinschlaggefahr, zu gefährlich, Gehässigkeiten am Berg – das muss nicht sein! Aber während der letzten zwei Jahre wurde ich von verschiedenen Seiten ermutigt; ich zog irgendwann die Möglichkeit in Betracht. Dass für eine solche Tour nur ein Bergführer in Frage kam, war auch klar. Es musste jemand sein, der nicht dauernd auf die Uhr schaut („wir sind zu langsam!“), eine ruhige Art ausstrahlt; jemand, in den ich vollstes Vertrauen habe.
Bereits letzten Herbst hatten wir einen Termin vereinbart, jedoch fiel zu besagtem Zeitpunkt schon zu viel Schnee. Ein neuer Termin war gefunden und je näher dieser rückte, desto nervöser wurde ich. War ich dieser Tour überhaupt gewachsen? Ist es nicht doch zu gefährlich? Darf ich mich überhaupt einem solch‘ grossen Risiko aussetzen? Ist das nicht doch verantwortungslos der Familie gegenüber? Viele Fragen, die mich beschäftigten und welche gewisse Zweifel aufkommen liessen.
Das Thema ist nun vom Tisch. Yes, I did it! Von einer Genusstour zu sprechen, wäre in meinem Falle aber ziemlich verfehlt. Es war eher eine Leidenstour, welche mich mental und körperlich ans Limit brachte. Letztlich war es eine Willensleistung. Das Wichtigste war jedoch: kein Steinschlag, keine brenzlige Situation, gesund wieder unten. Doch nun der Reihe nach …
Hüttenzustieg
Die Tour auf den Pollux vom Vortag hatte ich gut verdaut; heute soll’s auf die Hörnlihütte gehen. Am Morgen konnte ich mich noch etwas im Hotel ausruhen, am Nachmittag traf ich meinen BF. Zusammen fuhren wir zum Schwarzsee hoch, von da weg zu Fuss auf schönem Wanderweg hoch zur Hörnlihütte (3260m). Das Matterhorn hat man immer vor Augen, der Berg wird immer imposanter, je näher man kommt.
Die Hütte war nur mässig belegt, was mich schon mal beruhigte – dadurch war zumindest halbwegs gewährleistet, dass am Berg keine Hektik aufkommen würde. Die neue Hütte ist sehr schön geworden; was aber auch Zeit wurde – die alte Hütte war für Zermatt eher eine Schande … Über die Übernachtungs-Preise lasse ich mich hier nicht aus, dies wurde bereits andernorts zur Genüge getan.
Etwas Prominenz hatte sich am BF-Stammtisch versammelt, u.a. war auch Simon Anthamatten da. Zum Nachtessen gehört ein Schluck Rotwein, da war der BF und ich uns einig ("das regt die Blutkörperchen an ..."). Nach dem Nachtessen machten wir noch eine Reko-Tour am Einstieg, welche sicher wichtig war. So konnte ich mich schon mal mit dem Gelände vertraut machen, indem wir zunächst die Fixseile hochkletterten und danach noch bis zum 1. Couloir weitergingen. Puh; Test bestanden ...!
Zurück in der Hütte war nochmals Wasserhaushalt nachfüllen angesagt. Bald legte ich mich ins Bett, aber von Schlafen konnte natürlich keine Rede sein. Ich war zu aufgeregt, ging in Gedanken die Route durch, musste an vieles andere denken. Irgendwann döste ich dann doch noch etwas …
Gipfeltag
03.15 Uhr; die Ersten wuselten durch die Gänge, Hektik kam auf. Obwohl die offizielle Weckzeit „erst“ um 03.30 Uhr ist, hält sich kaum einer dran – vermutlich können auch andere nicht schlafen … So schlimm wie in der alten Hütte ist’s zum Glück nicht mehr, wo die Gäste bereits am Frühstückstisch von ihrem BF angeseilt wurden und wo man einander mit der Stirnlampe gegenseitig ins Gesicht geblendet hat, während man am Brot kauen war …
Also einigermassen gesittetes Frühstück, wenngleich es schwierig ist, um diese Uhrzeit überhaupt etwas zu essen. Danach wurden die „Startpositionen“ eingenommen nach der bekannten Hierarchie. Heute waren „nur“ ca. 50 Leute unterwegs, vergleichsweise war also nix los … Der Hauptharsch war bereits weg, als wir uns ebenfalls zum Einstieg begaben. Es sah zwar auf den ersten Blick chaotisch aus, aber mein BF beruhigte mich, das würde sich gleich ergeben.
So war es dann auch: nach lediglich ca. 5 Min. Wartezeit waren wir an der Reihe mit dem Einstieg an den Fixseilen. Die Griffe und Tritte kannte ich ja bereits vom Vorabend und so war es auch nicht schwierig, diese erste Passage zu meistern. Und wie mein BF schon voraussagte, waren wir nach kurzer Zeit alleine unterwegs. Wir kamen recht gut voran, mit dem Gelände bekundete ich keine Mühe. Aber schon nach einer Stunde fühlte ich mich platt; war’s das bereits? Ein erster Gedanke an eine mögliche Aufgabe …
Ich verlor die Orientierung; waren wir noch im „Faulen Eck“? Erst bei der „alten Hütte“ oder doch bereits beim „Gebiss“? Die Solvay-Hütte kam einfach nicht näher, ich brauchte eine Pause … Dann der schöne Sonnenaufgang, die ersten Sonnenstrahlen auf dem Gipfel; unvergesslich! Schliesslich erreichten wir die Mosley-Platte und kurz darauf (endlich) die Solvay-Hütte (4003m). Wir benötigten ca. 2 ½ Std. bis hierher; zumindest für mich absolut im Fahrplan, aber viel besser fühlte ich mich damit immer noch nicht; sollte ich hier nicht besser umkehren?
Mein BF tat nicht dergleichen: durchschnaufen, etwas trinken, weiter geht’s! Irgendwo in der Nähe des unteren roten Turms zogen wir die Steigeisen an. Wir fanden eine gute Trittspur auf der Schulter an. Über Fixseile gelangten wir zum „Dach“, während die ersten wieder abstiegen.
Ich keuchte und schnaufte wie wild; das pack‘ ich nicht mehr! Mein BF ganz cool: es ist nicht mehr so weit … Dann, ich hatte innerlich wohl das 4. Mal aufgegeben, sah ich von weitem eine Statue – der heilige Bernhard! Jetzt schien der Gipfel in Griffweite zu sein und jetzt glaubte ich auch an die Möglichkeit, es doch noch zu packen. Die letzten Meter, der BF liess mir den Vortritt, dann stand ich tatsächlich auf dem Gipfel des Matterhorns (4478m)!!
Nun brachen bei mir alle Dämme, Emotionen pur – es ist mir unmöglich, die Situation, die Gefühle an dieser Stelle zu beschreiben … Als ich mich wieder gefasst hatte, beschritten wir auch noch den ziemlich ausgesetzten Verbindungsgrat zum Italienischen Gipfel. Nochmals Gratulationen; auch hier waren wir alleine auf dem Gipfel. Nach einer kurzen Trinkpause kehrten wir auch bereits wieder zum Schweizer Gipfel zurück und sogleich begann der definitive Abstieg.
Wie ich erst zu Hause festgestellt habe, hatte ich auf dem Gipfel nur zwei, drei Fotos gemacht; ich war wohl zu überwältigt vom Ganzen und war mit meinen Gedanken bereits wieder beim Abstieg …
Für mich war klar, dass jetzt der schwierigere Teil folgte: ein langer Abstieg bei bereits grosser Müdigkeit, wo jedoch die Konzentration trotzdem keine Sekunde nachlassen darf. Bei den steilen Firnpassagen durfte ich in der Falllinie direkt am Seil absteigen – sicher eine Erleichterung. Trotzdem benötigte auch das Seilhandling jeweils seine Zeit, sodass man nicht unbedingt von einem Zeitgewinn sprechen konnte.
Mittlerweile waren wir mit einer anderen 2er-Seilschaft parallel unterwegs; schön, dass man sich jeweils gegenseitig half zu sichern. Auch wenn dies gar nicht der (früheren?) Matterhorn-Gepflogenheit entspricht, wo in der Hochsaison offensichtlich jeweils rücksichtslos vorgegangen wird, fand ich das sehr sympathisch.
Endlich wieder bei der Solvayhütte angelangt, musste ich nochmals kräftig durchschnaufen und trinken; auch der Abstieg war ziemlich anstrengend … Die Hörnlihütte sieht man eigentlich schon von weitem, aber sie will einfach nie näher kommen …
Der restliche Abstieg wurde nun sehr zäh: ich wurde langsamer, war in den Felsen nicht mehr so flink und sicher wie noch im Aufstieg, benötigte mehr Pausen und lechzte nach Wasser. Mein BF beobachtete dies mit etwas Sorge, denn zu Recht meinte er „je länger der Abstieg, desto mehr Energie & Konzentration werden benötigt“ … Trotzdem war ich nicht in der Lage, zu beschleunigen – in diesem Moment sagte ich mir „egal, wie lange es dauert, Hauptsache sicher runter!“.
Schön war, dass wir wiederum alleine unterwegs waren, weder hinter noch vor uns war eine Seilschaft unterwegs, was das Ganze punkto möglicher Steinschlag doch viel sicherer machte. Nach einer gefühlten Ewigkeit hatten wir endlich wieder das 1. Couloir erreicht; der restliche Weg war jetzt bekannt und das Ende dieses Abstieges absehbar. Zum Schluss noch die Fixseile runterhangeln – danach ein grosses Durchschnaufen; geschafft!!!
Zurück in der Hütte waren schon die meisten Matterhorn-Besteiger am Aufbrechen, wiederum grosse Hektik (weshalb, kapierte ich erst später …). Ich musste zuerst mal viel Wasser & Cola nachschütten. Nachdem sich mein BF verabschiedet hatte, packte auch ich meine Sachen zusammen.
Tal-Abstieg
Ich ging irgendwie selbstverständlich davon aus, dass die Bahnen in der Hochsaison bis ca. 17.30 Uhr fahren würden. Dennoch trödelte ich nicht und stieg zügig ab. Von weitem sah ich die Gondeln noch fahren. Als ich mich jedoch dem Schwarzsee näherte, sah ich plötzlich nur noch ein paar einzelne Gondeln; die werden doch nicht …
Doch, genau – um 17 Uhr stellten die Bahnen ab, ich war 10 Min. zu spät … Mist! Ich lief ja eigentlich bereits den ganzen Tag am Limit; jetzt auch noch nach Zermatt absteigen? Ja genau, es blieb mir wohl nichts anderes übrig …
2 Std. später kam ich in Zermatt an, um 20.15 Uhr fuhr mein Zug – die letzte Verbindung nach Hause. Doch oh weh; in Visp fuhren keine Züge – mir blieb heute wohl nichts erspart … Wir mussten nach Brig, von dort dann doch wieder über Visp … - kurzum, wir waren 9 Personen, die letztlich um ca. 00.40 Uhr in Zürich „gestrandet“ waren. Mit den von der SBB organisierten Taxis ging’s endgültig nach Hause, wo ich letztlich kurz vor 02.00 Uhr ankam …
Fazit:
Ein Lebenstraum wurde erfüllt! Natürlich gibt es viele andere schöne und interessante Berge, aber das Matterhorn bleibt eben immer das Matterhorn … Wenig Leute am Berg, keine Hektik, friedliche Atmosphäre und einander helfen, perfekte Bedingungen – es hat heute einfach alles gepasst!
Ein ganz grosses Dankeschön möchte ich an Germi richten: ohne Dich hätte ich es nicht geschafft; mit Deiner sympathischen, ruhigen Art hast Du es verstanden, mich immer wieder neu zu motivieren – MERCI! Danke für Deine Nachsicht, dass ich im Abstieg nicht mehr so flink war und mehr Pausen benötigte. Danke auch generell für Deine Geduld, denn ich weiss, Du wärst lieber 1 Std. eher unten gewesen … MERCI!
Bemerkungen:
Die Besteigung des Matterhorns ist primär eine Kopfsache. Natürlich muss auch die Kondition stimmen (wo ich offensichtlich Mängel hatte …). Es mag technisch schwierigere Berge geben als das Matterhorn, aber wohl an keinem anderen Berg ist man 8-12 Std. (je nachdem) geistig und körperlich derart gefordert.
Die Zermatter „Norm“ bzw. „Richtwertzeit“ beträgt offensichtlich 8 Std. (4 Std. Aufstieg / 4 Std. Abstieg). Dass dies für mich nicht gelten konnte, war mir von Anfang an klar – ich habe insgeheim mit ca. 10 Std. gerechnet. Dass es am Schluss 11 Std. war, spielt für mich keine Rolle; es war nie ein Rennen gegen die Uhr; Sicherheit geht vor. Drei Stunden länger als die „Norm“; who cares? Dass ich konditionell schwächer bin als andere, weiss ich schon lange; damit muss und kann ich leben …
Ohne BF aufzusteigen; das muss jeder selbst wissen. Gemäss meinem BF "führen viele Wege ins Jenseits ..." Will heissen, es ist extrem schwierig, sich zu orientieren; vermeintliche Wegspuren führen ins Nichts ... Aber was an dieser Sache viel gewichtiger ist: Unkundige gefährden nicht nur sich selbst, sondern v.a. auch andere durch unnötiges Auslösen von Steinschlag.
Zeiten:
Eigentlich wollte ich ja gar nie auf diesen Berg steigen: zu viele Leute, dadurch Steinschlaggefahr, zu gefährlich, Gehässigkeiten am Berg – das muss nicht sein! Aber während der letzten zwei Jahre wurde ich von verschiedenen Seiten ermutigt; ich zog irgendwann die Möglichkeit in Betracht. Dass für eine solche Tour nur ein Bergführer in Frage kam, war auch klar. Es musste jemand sein, der nicht dauernd auf die Uhr schaut („wir sind zu langsam!“), eine ruhige Art ausstrahlt; jemand, in den ich vollstes Vertrauen habe.
Bereits letzten Herbst hatten wir einen Termin vereinbart, jedoch fiel zu besagtem Zeitpunkt schon zu viel Schnee. Ein neuer Termin war gefunden und je näher dieser rückte, desto nervöser wurde ich. War ich dieser Tour überhaupt gewachsen? Ist es nicht doch zu gefährlich? Darf ich mich überhaupt einem solch‘ grossen Risiko aussetzen? Ist das nicht doch verantwortungslos der Familie gegenüber? Viele Fragen, die mich beschäftigten und welche gewisse Zweifel aufkommen liessen.
Das Thema ist nun vom Tisch. Yes, I did it! Von einer Genusstour zu sprechen, wäre in meinem Falle aber ziemlich verfehlt. Es war eher eine Leidenstour, welche mich mental und körperlich ans Limit brachte. Letztlich war es eine Willensleistung. Das Wichtigste war jedoch: kein Steinschlag, keine brenzlige Situation, gesund wieder unten. Doch nun der Reihe nach …
Hüttenzustieg
Die Tour auf den Pollux vom Vortag hatte ich gut verdaut; heute soll’s auf die Hörnlihütte gehen. Am Morgen konnte ich mich noch etwas im Hotel ausruhen, am Nachmittag traf ich meinen BF. Zusammen fuhren wir zum Schwarzsee hoch, von da weg zu Fuss auf schönem Wanderweg hoch zur Hörnlihütte (3260m). Das Matterhorn hat man immer vor Augen, der Berg wird immer imposanter, je näher man kommt.
Die Hütte war nur mässig belegt, was mich schon mal beruhigte – dadurch war zumindest halbwegs gewährleistet, dass am Berg keine Hektik aufkommen würde. Die neue Hütte ist sehr schön geworden; was aber auch Zeit wurde – die alte Hütte war für Zermatt eher eine Schande … Über die Übernachtungs-Preise lasse ich mich hier nicht aus, dies wurde bereits andernorts zur Genüge getan.
Etwas Prominenz hatte sich am BF-Stammtisch versammelt, u.a. war auch Simon Anthamatten da. Zum Nachtessen gehört ein Schluck Rotwein, da war der BF und ich uns einig ("das regt die Blutkörperchen an ..."). Nach dem Nachtessen machten wir noch eine Reko-Tour am Einstieg, welche sicher wichtig war. So konnte ich mich schon mal mit dem Gelände vertraut machen, indem wir zunächst die Fixseile hochkletterten und danach noch bis zum 1. Couloir weitergingen. Puh; Test bestanden ...!
Zurück in der Hütte war nochmals Wasserhaushalt nachfüllen angesagt. Bald legte ich mich ins Bett, aber von Schlafen konnte natürlich keine Rede sein. Ich war zu aufgeregt, ging in Gedanken die Route durch, musste an vieles andere denken. Irgendwann döste ich dann doch noch etwas …
Gipfeltag
03.15 Uhr; die Ersten wuselten durch die Gänge, Hektik kam auf. Obwohl die offizielle Weckzeit „erst“ um 03.30 Uhr ist, hält sich kaum einer dran – vermutlich können auch andere nicht schlafen … So schlimm wie in der alten Hütte ist’s zum Glück nicht mehr, wo die Gäste bereits am Frühstückstisch von ihrem BF angeseilt wurden und wo man einander mit der Stirnlampe gegenseitig ins Gesicht geblendet hat, während man am Brot kauen war …
Also einigermassen gesittetes Frühstück, wenngleich es schwierig ist, um diese Uhrzeit überhaupt etwas zu essen. Danach wurden die „Startpositionen“ eingenommen nach der bekannten Hierarchie. Heute waren „nur“ ca. 50 Leute unterwegs, vergleichsweise war also nix los … Der Hauptharsch war bereits weg, als wir uns ebenfalls zum Einstieg begaben. Es sah zwar auf den ersten Blick chaotisch aus, aber mein BF beruhigte mich, das würde sich gleich ergeben.
So war es dann auch: nach lediglich ca. 5 Min. Wartezeit waren wir an der Reihe mit dem Einstieg an den Fixseilen. Die Griffe und Tritte kannte ich ja bereits vom Vorabend und so war es auch nicht schwierig, diese erste Passage zu meistern. Und wie mein BF schon voraussagte, waren wir nach kurzer Zeit alleine unterwegs. Wir kamen recht gut voran, mit dem Gelände bekundete ich keine Mühe. Aber schon nach einer Stunde fühlte ich mich platt; war’s das bereits? Ein erster Gedanke an eine mögliche Aufgabe …
Ich verlor die Orientierung; waren wir noch im „Faulen Eck“? Erst bei der „alten Hütte“ oder doch bereits beim „Gebiss“? Die Solvay-Hütte kam einfach nicht näher, ich brauchte eine Pause … Dann der schöne Sonnenaufgang, die ersten Sonnenstrahlen auf dem Gipfel; unvergesslich! Schliesslich erreichten wir die Mosley-Platte und kurz darauf (endlich) die Solvay-Hütte (4003m). Wir benötigten ca. 2 ½ Std. bis hierher; zumindest für mich absolut im Fahrplan, aber viel besser fühlte ich mich damit immer noch nicht; sollte ich hier nicht besser umkehren?
Mein BF tat nicht dergleichen: durchschnaufen, etwas trinken, weiter geht’s! Irgendwo in der Nähe des unteren roten Turms zogen wir die Steigeisen an. Wir fanden eine gute Trittspur auf der Schulter an. Über Fixseile gelangten wir zum „Dach“, während die ersten wieder abstiegen.
Ich keuchte und schnaufte wie wild; das pack‘ ich nicht mehr! Mein BF ganz cool: es ist nicht mehr so weit … Dann, ich hatte innerlich wohl das 4. Mal aufgegeben, sah ich von weitem eine Statue – der heilige Bernhard! Jetzt schien der Gipfel in Griffweite zu sein und jetzt glaubte ich auch an die Möglichkeit, es doch noch zu packen. Die letzten Meter, der BF liess mir den Vortritt, dann stand ich tatsächlich auf dem Gipfel des Matterhorns (4478m)!!
Nun brachen bei mir alle Dämme, Emotionen pur – es ist mir unmöglich, die Situation, die Gefühle an dieser Stelle zu beschreiben … Als ich mich wieder gefasst hatte, beschritten wir auch noch den ziemlich ausgesetzten Verbindungsgrat zum Italienischen Gipfel. Nochmals Gratulationen; auch hier waren wir alleine auf dem Gipfel. Nach einer kurzen Trinkpause kehrten wir auch bereits wieder zum Schweizer Gipfel zurück und sogleich begann der definitive Abstieg.
Wie ich erst zu Hause festgestellt habe, hatte ich auf dem Gipfel nur zwei, drei Fotos gemacht; ich war wohl zu überwältigt vom Ganzen und war mit meinen Gedanken bereits wieder beim Abstieg …
Für mich war klar, dass jetzt der schwierigere Teil folgte: ein langer Abstieg bei bereits grosser Müdigkeit, wo jedoch die Konzentration trotzdem keine Sekunde nachlassen darf. Bei den steilen Firnpassagen durfte ich in der Falllinie direkt am Seil absteigen – sicher eine Erleichterung. Trotzdem benötigte auch das Seilhandling jeweils seine Zeit, sodass man nicht unbedingt von einem Zeitgewinn sprechen konnte.
Mittlerweile waren wir mit einer anderen 2er-Seilschaft parallel unterwegs; schön, dass man sich jeweils gegenseitig half zu sichern. Auch wenn dies gar nicht der (früheren?) Matterhorn-Gepflogenheit entspricht, wo in der Hochsaison offensichtlich jeweils rücksichtslos vorgegangen wird, fand ich das sehr sympathisch.
Endlich wieder bei der Solvayhütte angelangt, musste ich nochmals kräftig durchschnaufen und trinken; auch der Abstieg war ziemlich anstrengend … Die Hörnlihütte sieht man eigentlich schon von weitem, aber sie will einfach nie näher kommen …
Der restliche Abstieg wurde nun sehr zäh: ich wurde langsamer, war in den Felsen nicht mehr so flink und sicher wie noch im Aufstieg, benötigte mehr Pausen und lechzte nach Wasser. Mein BF beobachtete dies mit etwas Sorge, denn zu Recht meinte er „je länger der Abstieg, desto mehr Energie & Konzentration werden benötigt“ … Trotzdem war ich nicht in der Lage, zu beschleunigen – in diesem Moment sagte ich mir „egal, wie lange es dauert, Hauptsache sicher runter!“.
Schön war, dass wir wiederum alleine unterwegs waren, weder hinter noch vor uns war eine Seilschaft unterwegs, was das Ganze punkto möglicher Steinschlag doch viel sicherer machte. Nach einer gefühlten Ewigkeit hatten wir endlich wieder das 1. Couloir erreicht; der restliche Weg war jetzt bekannt und das Ende dieses Abstieges absehbar. Zum Schluss noch die Fixseile runterhangeln – danach ein grosses Durchschnaufen; geschafft!!!
Zurück in der Hütte waren schon die meisten Matterhorn-Besteiger am Aufbrechen, wiederum grosse Hektik (weshalb, kapierte ich erst später …). Ich musste zuerst mal viel Wasser & Cola nachschütten. Nachdem sich mein BF verabschiedet hatte, packte auch ich meine Sachen zusammen.
Tal-Abstieg
Ich ging irgendwie selbstverständlich davon aus, dass die Bahnen in der Hochsaison bis ca. 17.30 Uhr fahren würden. Dennoch trödelte ich nicht und stieg zügig ab. Von weitem sah ich die Gondeln noch fahren. Als ich mich jedoch dem Schwarzsee näherte, sah ich plötzlich nur noch ein paar einzelne Gondeln; die werden doch nicht …
Doch, genau – um 17 Uhr stellten die Bahnen ab, ich war 10 Min. zu spät … Mist! Ich lief ja eigentlich bereits den ganzen Tag am Limit; jetzt auch noch nach Zermatt absteigen? Ja genau, es blieb mir wohl nichts anderes übrig …
2 Std. später kam ich in Zermatt an, um 20.15 Uhr fuhr mein Zug – die letzte Verbindung nach Hause. Doch oh weh; in Visp fuhren keine Züge – mir blieb heute wohl nichts erspart … Wir mussten nach Brig, von dort dann doch wieder über Visp … - kurzum, wir waren 9 Personen, die letztlich um ca. 00.40 Uhr in Zürich „gestrandet“ waren. Mit den von der SBB organisierten Taxis ging’s endgültig nach Hause, wo ich letztlich kurz vor 02.00 Uhr ankam …
Fazit:
Ein Lebenstraum wurde erfüllt! Natürlich gibt es viele andere schöne und interessante Berge, aber das Matterhorn bleibt eben immer das Matterhorn … Wenig Leute am Berg, keine Hektik, friedliche Atmosphäre und einander helfen, perfekte Bedingungen – es hat heute einfach alles gepasst!
Ein ganz grosses Dankeschön möchte ich an Germi richten: ohne Dich hätte ich es nicht geschafft; mit Deiner sympathischen, ruhigen Art hast Du es verstanden, mich immer wieder neu zu motivieren – MERCI! Danke für Deine Nachsicht, dass ich im Abstieg nicht mehr so flink war und mehr Pausen benötigte. Danke auch generell für Deine Geduld, denn ich weiss, Du wärst lieber 1 Std. eher unten gewesen … MERCI!
Bemerkungen:
Die Besteigung des Matterhorns ist primär eine Kopfsache. Natürlich muss auch die Kondition stimmen (wo ich offensichtlich Mängel hatte …). Es mag technisch schwierigere Berge geben als das Matterhorn, aber wohl an keinem anderen Berg ist man 8-12 Std. (je nachdem) geistig und körperlich derart gefordert.
Die Zermatter „Norm“ bzw. „Richtwertzeit“ beträgt offensichtlich 8 Std. (4 Std. Aufstieg / 4 Std. Abstieg). Dass dies für mich nicht gelten konnte, war mir von Anfang an klar – ich habe insgeheim mit ca. 10 Std. gerechnet. Dass es am Schluss 11 Std. war, spielt für mich keine Rolle; es war nie ein Rennen gegen die Uhr; Sicherheit geht vor. Drei Stunden länger als die „Norm“; who cares? Dass ich konditionell schwächer bin als andere, weiss ich schon lange; damit muss und kann ich leben …
Ohne BF aufzusteigen; das muss jeder selbst wissen. Gemäss meinem BF "führen viele Wege ins Jenseits ..." Will heissen, es ist extrem schwierig, sich zu orientieren; vermeintliche Wegspuren führen ins Nichts ... Aber was an dieser Sache viel gewichtiger ist: Unkundige gefährden nicht nur sich selbst, sondern v.a. auch andere durch unnötiges Auslösen von Steinschlag.
Zeiten:
- Schwarzsee – Hörnlihütte: 2 ½ Std.
- Hörnlihütte – Matterhorn: 5 Std.
- Matterhorn – Hörnlihütte: 6 Std.
- Hörnlihütte – Schwarzsee: 1 ¼ Std.
- Schwarzsee – Zermatt: 2 Std.
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