Kratzer Hauptgipfel - einer muss den Job ja machen


Publiziert von quacamozza , 14. August 2018 um 13:13.

Region: Welt » Deutschland » Alpen » Allgäuer Alpen
Tour Datum:11 August 2018
Wandern Schwierigkeit: T4+ - Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Mountainbike Schwierigkeit: L - Leicht fahrbar
Wegpunkte:
Geo-Tags: A   D 
Zeitbedarf: 6:15
Aufstieg: 1720 m
Strecke:P Renksteg-Spielmannsau-Kemptner Hütte-Heilbronner Weg-Kratzer-Unteres Mädelejoch und zurück (30,5 km)
Kartennummer:AV-Karte Bayerische Alpen BY 4 1:25 000 Allgäuer Hochalpen Hochvogel, Krottenkopf

Der Kratzer ist eine dreigipflige, vielzackige Felsburg, die nahe der Kemptner Hütte über dem vielbegangenen Heilbronner Weg aufragt. Der markante Berg sorgt zusammen mit dem Krottenspitzengrat bereits bei der Anfahrt ins Oberallgäu für eine tolle Kulisse. Es führt allerdings kein markierter Weg hinauf. Selbst der leichteste Anstieg auf den Westgipfel erfordert in den steilen Schrofen und im Geröll Trittsicherheit. Der Hauptdolomit ist fast ausnahmslos sehr brüchig, so dass man vorsichtig klettern muss.

Von den drei Gipfeln wird üblicherweise nur der Westgipfel (2427m; mit Kreuz und Gipfelbuch) bestiegen, dieser allerdings recht oft. Im Sommer 2018 sind im ein Jahr alten GB bereits 42 Einträge zu finden. Ganz schön viel für einen Weglos-Gipfel. Der Hauptgipfel ist zwar noch einen Meter höher (2428m), aber erheblich anspruchsvoller zu erklettern und erhält zumindest im Sommer so gut wie gar keinen Besuch.

Der Ostgipfel (2401m) ist dagegen unbedeutend. Nachdem ich aber sowohl dem Westgipfel als auch dem Hauptgipfel schon mehrmals Besuche abstattete, war das Ziel für den heutigen Tag der Ostgipfel. Doch auch beim dritten Anlauf klappte es leider nicht. Der Südostgrat wird oft von Steinböcken besetzt und verteidigt, so auch heute, und die kurze senkrechte Bruchstufe dürfte aus der Nähe betrachtet nochmals einen Tick heftiger sein als die Kletterei am Hauptgipfel.


Es ist schon erstaunlich, dass es über den höchsten Punkt eines so auffälligen und bekannten Gipfels bisher keine Tourenbeschreibung im Netz gibt. Auf dieser Seite begnügte man sich lange damit, den Westgipfel "Kratzer" zu nennen. Dabei wird sonst jede noch so unbedeutende Erhebung markiert. Ich habe zwei Jahre lang darauf gewartet, ob sich vielleicht doch mal jemand erbarmt und den Kratzer Hauptgipfel vorstellt.

Im alten AV-Führer wird der Hauptgipfel gar nicht erwähnt. Lediglich Westgipfel und Ostgipfel kommen mit falschen Höhenangaben zu Ehre. Die einzelnen Zacken sollen "in kurzer Kletterei über brüchigen Fels" erreichbar sein. Kein Wort zur Schwierigkeit.

Im neuen AV-Führer werden wenigstens alle drei Gipfel mit richtiger Höhe genannt. Zum Hauptgipfel findet sich der Passus:"...zum Kamm und nach rechts steil auf den Hauptgipfel...". Auch da bleiben viele Fragen offen. 



Vor dem Report zum Hauptgipfel zuerst meine Tourenbeschreibung aus dem Herbst 2015 zum Westgipfel:


Kratzer Westgipfel (2427m) / 10.11.2015 / 29.09.2016 / 11.08.2018:

Da ich heute kein Seil dabei habe, verschiebe ich die Hauptgipfel-Besteigung auf ein anderes Mal.



Zur Schwierigkeit:

T 4+ (steiles Geröll und Schrofen) und I unter dem Gipfel


Zum Zeitbedarf:

P Oberer Renksteg-Materialseilbahn Kemptner Hütte (Radldepot): 45 min radeln
Materialseilbahn-Kemptner Hütte: 1 Std 25 min
Kemptner Hütte-Kratzer Westgipfel: 1 Std 10 min
Kratzer Westgipfel-Unteres Mädelejoch: 1 Std
Unteres Mädelejoch-Materialseilbahn: 1 Std 20 min
Materialseilbahn-P Oberer Renksteg: 15-20 min radeln



Mit dem 1.November hat der Wanderbus seinen Betrieb eingestellt. Man läuft sich einen Wolf, wenn man von Oberstdorf aus trainmanmäßig unterwegs ist. Die Zeit bis Einbruch der Dunkelheit ist ohnehin schon knapp....also: Mountainbike ausm Auto und losradeln.

Die Strecke ist bekannt und nicht zu verfehlen. Bis zur Spielmannsau sind's 5,3 Kilometer. Radldepot nach kurzer steiler Auffahrt von der Oberau an der Materialseilbahn der Kemptner Hütte (1085m) nach genau 7 Kilometern.

Seit einigen Wochen wird auf dem Heilbronner Weg eine Wanderin vermisst. Glücklicherweise bleibt mir ein Leichenfund erspart. An der Materialseilbahn treffe ich zwei Polizeibeamte an, die mich aber nicht befragen. Vielleicht sind die auch aus ganz anderen Gründen hier. Zum Beispiel wird auf dem Weg zur Kemptner Hütte fleißig gebaut. Bagger und andere Baumaschinen stehen rum. Der Wanderweg wird instandgesetzt.

Auf dem Hüttenweg sind mehrere Brücken abgebaut. Da dürfte der Übergang zumindest im Frühjahr wegen der dann herabstürzenden Wassermassen gar nicht mal so ohne sein. Heute gibt's keine Schwierigkeiten beim Überqueren der Bachbette, auch wenn man einmal eine fünf Meter hohe steile Böschung hinuntersteigen muss.

Traumhaft ist die Frühstückspause an der vormittags noch sonnenbeschienenen Kemptner Hütte (1844m). Wenn man diese Location nur als Halligalli-Treffpunkt der E 5-Wanderer kennt, dann weiß man erstmal zu schätzen, wie schön die Berge sein können.

Es ist hier so angenehm, ruhig und warm, dass ich in dieser Woche unbedingt nochmal herkommen möchte. Ich nehme mir die Zeit, den Winterraum ausgiebig zu erkunden. Wofür nimmt man schließlich die Stirnlampe mit? ;-) Dafür muss man eine lange Leiter hochsteigen. Es ist fast die anspruchsvollste Passage der heutigen Tour...innendrin jede Menge Belehrungen und Fotos vom verwahrlost hinterlassenen Winterraum aus dem Frühjahr. Schade, dass so etwas überhaupt sein muss. Auf dem Tisch finde ich heruntergelaufenes Wachs von Kerzen...absolut asig sowas, aber schwarze Schafe gibt es leider überall.


Der Gipfel wird zunehmend zur Nebensache. Auf ca. 2200m verlasse ich den Höhenweg und steige über Schrofen den zunehmend steileren Hang Richtung Westgipfel. Bis auf eine Höhe von 2330m ist der Hang gut gangbar. Danach (bis in eine Lücke hinein) wird's allerdings arg mühsam.
Von der Gratlücke zum Gipfel kann man einige Kletterstellen (I) in den Aufstieg einbauen. Die Wegspur verläuft weiterhin im Steilgeröll. Auf dem Westgipfel des Kratzer (2427m) ist die Aussicht fantastisch. Sehr lohnend im Herbst bei guter Sicht.

Das Gipfelbuch ist trotz Ankündigung des Spenders noch nicht da. Noch muss man sich mit einem kleinen Gastro-Zettelblock begnügen.

Beim Abstieg mache ich noch einen kleinen Schlenker zum Unteren Mädelejoch (1973m). Die Kemptner Hütte liegt bereits im Schatten.



Kratzer Hauptgipfel (2428m) / 29.09.2016 / 11.08.2018

Wie ich seit zwei Jahren weiß, geht's für geübte Kletterer auch ohne Seil. Das musste ich aber erstmal auschecken. 


Zur Schwierigkeit:

Eine Stelle III, sonst II (20 Meter im Vollbruch), extrem steinschlaggefährdet, unbedingt Helm aufsetzen

Übergang zum Westgipfel eine Stelle I-II und Gehgelände bis T 4



Zum Zeitbedarf:

Spielmannsau-Kemptner Hütte: 1 Std 45 min
Kemptner Hütte-Hauptgipfel: 1 Std 30 min
Hauptgipfel-Westgipfel: 25 min
Westgipfel-Kemptner Hütte: 1 Std 5 min
Kemptner Hütte-Spielmannsau: 1 Std 25 min



Heute, an einem schönen Sommertag, fahre ich mit dem Wanderbus in die Spielmannsau. Auf bekanntem Weg geht's hoch zur meistbesuchten Hütte im Oberstdorfer Gebiet, der Kemptner Hütte. Sodann auf dem Heilbronner Weg bis auf 2200m, dann nach rechts, immer die Graszungen nutzend, hinauf in die Scharte westlich des Hauptgipfels (bis hierhin T 4+). Vom Westgipfel aus schauen mir zwei Bergsteiger zu.

Über sehr brüchige Stufen zum Beginn des teils überhängenden Kamins. Durch diesen mit Spreizen anstrengend hinauf (III, erstaunlicherweise passabler Fels) und oben nach rechts über ausgesetzte und sehr brüchige Absätze (Vorsicht vor allem im Abstieg, es ist wirklich alles locker) auf den kleinen Gipfel, der sich in ganz ursprünglichem Zustand befindet, wenn man mal die alte, graue Schlinge unberücksichtigt lässt, die abseits der Route hängt.

Vom Fuß des Hauptgipfels in leichter Wanderung nördlich um den ersten Zacken herum und an den zweiten Zacken. Über leichte Absätze (I, eine Stelle auf dem First I-II) von rechts her über den Zacken hinweg in die Lücke vor dem Westgipfel. Zum Schluss über Steilschutt bzw. leichte Felsen zum Kreuz auf den Westgipfel.

Bleibt nun noch der (vermutlich am schwierigsten zu besteigende) Ostgipfel zu erkunden.

 




Tourengänger: quacamozza


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Kommentare (11)


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Nic hat gesagt:
Gesendet am 14. August 2018 um 13:22
Cool! Endlich warst oben. Gratulation! Der Ostgipfel bleibt wohl vorerst ein Projekt. Vielleicht was für Andy84 ;-)

Gruß Nico

quacamozza hat gesagt: RE:
Gesendet am 14. August 2018 um 13:31
Ja, den Ostgipfel soll ruhig mal jemand anderes posten. Du wärst ja auch ein heißer Kandidat dafür ;-)
Wie man diesen Bruch bloß absichern will...

Lieben Gruß
Ulf

Kommunist hat gesagt: RE:
Gesendet am 31. Juli 2020 um 22:22
Beim Ostgipfel geht man über eine brüchige Kante, kurz etwa 3- und musst danach kurz ins steile, norseitige, augesetzte Schrofengelände ausweichen (T6). Klettertechnisch ähnlich / etwas leichter wie der 3er Kamin zum Hauptgipfel.
Den Hauptgipfel kann man übrigens deutlich einfacher kriegen, wenn man auf der Nordseite ein Geröllfeld östlich des von der beschriebenen Kamins raufgeht. Dann kommt man bis 10m vor den HG raus und hat noch kurz leichte Kletterei zu bewältigen. Trotzdem ist der schönste Anstieg der von dir beschriebene.

quacamozza hat gesagt: RE:
Gesendet am 11. August 2020 um 17:02
Danke für die Info!
Klingt ja wenigstens machbar.
Wir waren diesen Sommer auch wieder auf West- und Hauptgipfel. Neue Abseilschlinge ist uns aufgefallen. Haben wir gleich mal genutzt.
Ehrlich gesagt habe ich auf einen weiteren Zustieg von Norden keine große Lust mehr. Vielleicht mal aus dem Lechtal, von da dann den Rest erkunden.

Pedro2 hat gesagt: RE:
Gesendet am 7. August 2022 um 22:46
Schön ist neben subjektiv auch noch relativ und für jeden was anderes, schön brüchig beschreibt die Anstiege am Hauptgipfel meines Erachtens besser. Meine Formulierungsempfehlung lautet sensationell brüchig, was ubiquitär für den Kratzer zutrifft, wobei die letzten Hm zum Westgipfel größtenteils akzeptabel abgeklettert sind.
Der Hauptgipfel, ich bevorzuge Mittelgipfel, da laut meiner GPS-Messung gestern beide gleich hoch sind bzw. sich nur im Zentimeterbereich unterscheiden, ist unangenehm zu besteigen. Ulfs Beschreibung möchte ich hinzufügen, dass sich die IIIer Schlüsselstelle luftig an einem Klemmblock abspielt, der hoffentlich weiterhin satt sitzt. Es gibt lohnendere, entspanntere IIIer.
Das beschriebene Geröllfeld östlich des Kamins diente mir als Abstieg (Steilrinne mit Abschlusswand finde ich zutreffender). Die obersten 5-6 m kann man als zusammengebackenen fast senkrechten Harakiribruch im II. Grad beschreiben und das erleichtert nicht gerade die Einschätzung, welcher Anstieg der einfachere ist. Vielleicht übertreibe ich auch ein wenig.. aber wie eingangs geschrieben, schön ist relativ und so auch die Wahrnehmung von Felsqualität, Schwierigkeitsgrad,..
Was hat mich auf den Gipfel gelockt? Einfache Antwort, der AVF. Einerseits mit der Höhenangabe (+ 1 m gegenüber dem Ostgipfel) und andererseits mit der diffusen Beschreibung ohne Schwierigkeitsangabe ("nach rechts steil auf den Hauptgipfel"), welche im Nachgang Skepsis an einer Begehung durch den Autor aufkommen lässt. Ebenso wage ich zu bezweifeln, dass der Haupt- bzw. Mittelgipfel im Winter bei hoher Schneelage *wesentlich* einfacher ist.
Abschließend wäre es schon interessant zu wissen, welcher der beiden Gipfel tatsächlich der höhere ist. GPS ist dafür aber (noch) zu ungenau und ein Nivellement (noch) zu aufwändig.

Kauk0r hat gesagt:
Gesendet am 14. August 2018 um 21:27
Danke für deine Beschreibung Ulf, ich war überrascht, dass von euch Allgäuspezialisten noch keiner dazu was gepostet hat :D...beim ersten Mal stand ich unter einem nassen Gipfelklotz bei trübem Wetter, da hab jchs gar nicht probieren wollen und beim zweiten Mal kam ich ebenfalls bei zweifelhaftem Wetter vom Heilbronner Weg, da gings auch nur kurz zum Kreuzgipfel. Nun weiß ich, dass der Versuch umsonst gewesen wäre, III geht halt nicht ;).

Gruß!
Kauk

quacamozza hat gesagt: RE:
Gesendet am 14. August 2018 um 22:00
Hallo Kauk,

es gibt ein paar Gipfel, z.B. Rappenköpfle, Wolfebnerspitzen oder eben der Kratzer, da war ich schon mehrmals oben und habe trotzdem nichts geschrieben. Ich poste nicht jede Tour.

Den Hauptgipfel könntest Du im Winter mit hoher Schneelage angehen, dann dürfte das wesentlich einfacher sein.

Noch zu den Gipfelbüchern: Am Sonnenberg sind nach wie vor keine Einträge drin, am Liechelkopf dagegen ist sehr viel los (seit Juni).

Gruß zurück
Ulf

Kauk0r hat gesagt: RE:
Gesendet am 15. August 2018 um 21:12
Danke für die Gipfelbuchkontrolle!

ADI hat gesagt:
Gesendet am 14. August 2018 um 22:33
Astrein recherchiert!
Gratulation

VLG.....

ADI

Andy84 hat gesagt:
Gesendet am 19. August 2018 um 08:56
Schöne Tour. Steht au schon lang auf meiner Liste. Aber konnt mich nie dazu aufraffen ;-)

quacamozza hat gesagt: RE:
Gesendet am 19. August 2018 um 20:00
Der nächste Skitourenwinter kommt bestimmt ;-)


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