Krottenspitzengrat - längster Grat des Allgäus


Publiziert von quacamozza , 17. Juli 2018 um 17:36.

Region: Welt » Deutschland » Alpen » Allgäuer Alpen
Tour Datum:12 Juli 2018
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: IV (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: D   A 
Zeitbedarf: 12:45
Aufstieg: 2100 m
Strecke:P Renksteg-Spielmannsau-Kemptner Hütte-Fürschießersattel-Krottenspitze-Öfnerspitze-Oberes Mädelejoch-Kemptner Hütte-Spielmannsau-P Renksteg (25 km)
Kartennummer:AV-Karte Bayerische Alpen BY 4 1:25 000 Allgäuer Hochalpen Hochvogel, Krottenkopf

Der gut 1 Kilometer lange Krottenspitzengrat ist eine der großen Grattouren in den Allgäuer Alpen. Die auffälligen Gipfel des Krummen Turms und der Krottenspitze prägen das Profil des Grates. Bereits bei der Anfahrt nach Oberstdorf fallen die beiden gegenläufig geneigten Spitzen auf.

Manche stufen den Grat als "leichten Klassiker" ein. Das mag, wenn man nur auf die technischen Schwierigkeiten des Grates abhebt, die den IV. Grad nicht überschreiten, noch zutreffen. Wenn man sich die Gesamtanforderungen anschaut, ist das allerdings eine verharmlosende Untertreibung. Man sollte nämlich auch die inklusive Zu- und Abstieg beachtliche Länge, die fehlenden Rückzugsmöglichkeiten und insbesondere die enorme Brüchigkeit des Gesteins nicht vernachlässigen. Gerade die schlechte Gesteinsqualität kann auf Dauer schon richtig nervig werden.

Ein weiterer Punkt ist die Sicherungstechnik. Man kann unmöglich alle 28 Seillängen durchsichern, wenn man die Tour an einem Tag schaffen will. Ohnehin muss man selbst an schwierigeren Passagen noch den einen oder anderen Standplatz selber bauen. Der ständige Wechsel von leichten und anspruchsvollen Abschnitten erfordert eine geübte Seiltechnik und ein gutes Auge fürs Gelände.
Gedanken machten wir uns außerdem um die gut 40 Meter lange Abseilstelle vom Krummen Turm, die bisher nur unzureichend eingerichtet war.

In letzter Zeit wurde die Route vom "königlichen" hikr LudwigII, der in einem eigenen Blog interessante, lesenswerte, manchmal auch streitbare Geschichten zum Besten gibt, nach und nach teilsaniert. Was wir nicht wussten: vier Tage vor unserer Begehung wurde dann auch die Abseilstelle vom Krummen Turm entschärft, indem nach 25 Metern ein Zwischenstand mit Stahlkette gebohrt wurde. Für alle weiteren Begehungen reicht also jetzt ein 50-Meter-Einfachseil aus. Wir hatten uns schon beim Aufstieg zum Krummen Turm über die Existenz neuer Bohrhaken gewundert und uns oben gefragt, warum unser Seil aus dem Vorjahr nicht mehr vorhanden war.



Zur Schwierigkeit:

bis zum Krummen Turm eine Stelle IV-, mehrere Stellen III+ und III, außerdem eine kürzere Abseilstelle ca. 10 Meter, zuweilen stark ausgesetzt, insgesamt brüchig, an der IV er Stelle aber kompakt
Abseilstelle vom Krummen Turm gut 40 Meter in die Scharte zwischen Krummen Turm und Krottenspitze
weiterer Aufstieg über den Plattenschuss auf die Krottenspitze: stellenweise IV, meist II-III und sehr anspruchsvolles Gehgelände T 6 durch Bruch und über schuttbedeckte, abschüssige Platten; durch den Riss in den Platten soll es einfacher sein (II)

Überschreitung der Öfnerspitze: teilweise markierte Kletterei I-II, weiterhin brüchig
Weiterweg zum Muttler: kurze Kletterei II-III und Gehgelände bis T 5, alternativ ist ein Abstieg aus der Scharte zwischen Öfnerspitze und Muttler nach Osten über steiles Geröll möglich (oben T 5+)



Zum Zeitbedarf:

P Renksteg-Materialseilbahn Kemptner Hütte: knapp 20 min mit E-Bike
Materialseilbahn-Kemptner Hütte: 1 Std 35 min
Kemptner Hütte-Fürschießersattel: 1 Std
für den Grat bis zur Krottenspitze je nach Seilverwendung und Fitness stark schwankende Begehungszeit: wir brauchten 6 Std 30min
Krottenspitze-Öfnerspitze: 20-25 min
Öfnerspitze-Oberes Mädelejoch-Kemptner Hütte: 1 Std 30 min
Kemptner Hütte-Materialseilbahn: 1 Std 15 min
Materialseilbahn-P Renksteg: 15 min radeln



Ich beschränke mich auf die Beschreibung des eigentlichen Grates inklusive des Zu- und Abstiegs von der Kemptner Hütte.

Von der Hütte über den gut markierten Wanderweg Richtung Prinz-Luitpold-Haus in einer Stunde in die breite, grüne Einsattelung des Fürschießersattels (2208m). In der Flanke unterhalb des Krottenspitzengrates ist Trittsicherheit notwendig.


Vom Fürschießersattel geht es über Gras, später Schrofen unschwierig auf die ersten Kuppen.
Ein erster Abstieg führt hinunter zu einer Geröllrinne, die man quert. Auf der anderen Seite wartet die erste Kletterstelle (III-), ein steiles Wandl. Insgesamt eine etwas unangenehme Passage. In leichter Kletterei und über einen Schrofenhang hinauf zum ersten Steilaufschwung. Durch den an der rechten Seite hinaufziehenden Riss (IV- und III, 2 ZH, oben SH, schwierigste Stelle unten im ersten Drittel). Weiter unschwierig über Blockwerk auf den ersten Turm (2326m).
Einen auffälligen Zacken rechts umgehen und über Geröll, zum Schluss über eine steile Stufe abseilend (kann auch abgeklettert werden, II+) in eine tiefe Lücke (SH). Schwierig hinauf auf den Plattensockel (kurz III+) und weiter durch sehr brüchiges II er Gelände (Vorsicht) von rechts nach links aufwärts. Oben wird das Gestein glücklicherweise wieder besser. Dafür sind zwei kurze Steilstufen (III+) zu überwinden. Über flachere Platten (III, guter Fels) hoch, bis es auf dem Scheitel des Turms einfacher wird. Über einen Schrofengrat leicht absteigend zur letzten längeren Wanderpassage. Über Gras aufsteigend gewinnt man den höchsten Punkt des zweiten Turms (2382m).
Kurz hinunter zu einer alten, weißen Köpflschlinge. Entweder kurz abseilen oder abklettern auf den Verbindungsgrat, dann auf diesem bis zu einem Absatz. Hier am besten 8 Meter abseilen. Auf dem zerborstenen Grat unschwierig weiter und über Schrofen zu einem 15 Meter hohen Abbruch vor der zweiten tiefen Gratlücke. Über diesen Abbruch abseilen (eingerichtete Abseilstelle).

Als nächstes kommt der große Aufschwung mit dem markanten Felsfenster bzw. dem darüber befindlichen Klemmblock an die Reihe. Wir halten uns links der Gratkante und steigen zunächst über Geröll, dann steile Absätze hoch. Rechts über uns erblicken wir das Felsenfenster. Oberhalb von diesem erreichen wir wieder die Grathöhe und klettern über den scharfen, aber festen letzten Teil (III) auf diesen Aufschwung.
Die nächste Viertelstunde begleiten uns auffällig rotbraun gefleckte Felsen. Auf der Gratschneide gibt es kurze Kletterstellen unterschiedlicher Schwierigkeit (bis III-). Es folgt eine gut 10 Meter hohe Steilstufe, über die man abseilen oder links ausholend abklettern (oben II-III) kann. Auf der anderen Seite folgt der letzte Turm vor dem Krummen Turm. Zunächst in einer langen Geröllrinne links des Grates aufsteigend auf die Kante und in schöner, steiler Kletterei (III) auf diesen Turm. Über unangenehmes Geröll hinunter in die Scharte vor dem Krummen Turm.

Den unteren Teil kann man nicht direkt erklettern. Daher quert man leicht absteigend nach rechts in eine markante Schlucht. An den Beginn der Felsen hochsteigen und in einer Seillänge (III+) sehr steil hoch, oben nach links auf den sehr ausgesetzten Grat mit atemberaubendem Tiefblick. Nun unter einem Überhang in die Nordseite queren (III-) und in weniger schwieriger Kletterei zurück auf die Grathöhe, die man kurz unterhalb des Gipfels erreicht. Eine kurze, leicht überhängende Stufe (III+) führt uns vollends auf den Gipfel des Krummen Turms (2477m). Auf dem schmalen Grat schnell hinüber zum ostseitigen Abbruch des Krummen Turms und zur Abseilstelle

Der alte AV-Führer empfiehlt hier allen Ernstes, die 45 Meter unter anderem durch "steile Einrisse" abzuklettern. Das waren noch wilde Hunde damals, die einen guten III er im steilen und stark ausgesetzten Bröselgelände runter sind. Wir wählen natürlich die sicherere Abseilvariante in die Scharte vor der Krottenspitze (2388m).

Über die teilweise geröllbedeckten Platten geht es in zwei Seillängen (meist II-III, Stellen IV) an den senkrechten Gipfelaufschwung. Oben erwartet uns Gehgelände unangenehmster Art bei der Querung auf eine Schulter. Rechts eines Felsenfensters geht es (wieder in steilem Geröll) etwas abwärts um einen Vorsprung herum zur großen Geröllrinne. In dieser steigen wir hinauf zu nassen, aber einfach zu kletternden Felsen. Etwas rechts haltend erreichen wir den Gipfelgrat, auf dem wir in Kürze auf dem Gipfel der Krottenspitze (2551m) ankommen. 



In I bis II er Kletterei mit 100 Höhenmetern Gegenanstieg hinüber zur Öfnerspitze und auf deren teilweise rot markierten Südwestgrat in die Scharte vor dem Nordostgipfel des Muttlers. Aus der Lücke links um einen Zahn herum und über Geröll an die breite Wand des P. 2393. Über die Wand (II-III) direkt auf diesen Vorgipfel. Schräg links knapp unter der Grathöhe über Gras und Schrofen in die Lücke vor dem Muttler (2324m) und wiederum nach links hinunter zum Wanderweg. Über das Obere Mädelejoch (2033m) zurück zur Kemptner Hütte.


Landschaftlich ein wirklich beeindruckender Grat mit tollen Ausblicken. Leider führt der oft brüchige Hauptdolomit doch zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Gesamterlebnisses. Vor allem das letzte Stück zur Krottenspitze ist einfach nur heikel und mühsam. Daher drängt sich der Grat meiner Meinung nach eher nicht zu einer Wiederholung auf.

Tourengänger: Stefan, Ulf 





Tourengänger: quacamozza


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Kommentare (9)


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georgb hat gesagt: Respekt Ulf
Gesendet am 17. Juli 2018 um 21:47
Das ist großes Kino!!!

quacamozza hat gesagt: RE:Respekt Ulf
Gesendet am 18. Juli 2018 um 14:22
Hallo Georg,

danke für Deine Nachricht.

Von der konditionellen Seite betrachtet ist die Tour erste Liga, alpinistisch ist sie von Westalpengraten aber noch weit entfernt.

Gruß
Ulf



Nic hat gesagt:
Gesendet am 17. Juli 2018 um 22:09
Ich gratuliere zur schönen Tour Ulf! Freut mich für dich, dass es endlich gelappt hat. Im August greifen wir an. Bis demnächst.

Gruß Nico

quacamozza hat gesagt: RE:
Gesendet am 18. Juli 2018 um 14:24
Hi Nico,

ja, wurde wirklich mal Zeit, diesen Grat zu gehen.

Heute vor einem Jahr waren wir im Lechtal. Da können wir im August gerne weitermachen.


Grüßle zurück
Ulf




Kauk0r hat gesagt: Super!
Gesendet am 18. Juli 2018 um 16:50
Krottenspitz-Grat behikrt! Mich wird der nie aus der Nähe sehen, aber gelesen hab ichs gerne ;)!

Tuppie hat gesagt: Danke...
Gesendet am 19. Juli 2018 um 18:56
... für diesen großartigen Bericht - ein seltenes Juwel in der Allgäu-Sektion von hikr. Genau wegen solcher Berichte solltest Du dieser Plattform erhalten bleiben.

Gruß
Thomas

P.S.: wer braucht schon Westalpengrate, wenn man im Allgäu sein kann ;-)

quacamozza hat gesagt: RE:Danke...
Gesendet am 21. Juli 2018 um 17:00
Hallo Thomas,

hin und wieder stelle ich sogar eine neue Tour aus dem Allgäu vor ;-)

Ehrlich gesagt vermisse ich die ganz großen Touren auch gar nicht. Die verbinde ich vor allem mit Schlafmangel, langer Anfahrt und viel Stress auf den Hütten.

Gruß zurück
Ulf

foxy6666 hat gesagt: Sehr schön ...
Gesendet am 20. Juli 2018 um 12:15
Hallo Ulf, sehr schöner Bericht. Bin den Grat letztes Jahr mit meinem Sohn gegangen. Fand den eigentlich hervorragend. Klar hat es bröslige Abschnitte, aber an den entscheidenden Stellen ist er fest. Noch eine kleine Anmerkung zum Schlussaufstieg auf die Krottenspitze. Wenn man aus der Scharte nach dem Krummen Turm auf der großen Felsplatte in einem Absatz/Riss bis zur Rinne quert, die etwa mittig der Felsplatte von oben herabzieht und dann die Rinne direkt empor steigt, hat man eigentlich keine IVer Stellen mehr, sondern größtenteils II mit ein paar IIIer Stellen. Sichern war in der Rinne zwar auch schwierig, aber ging eigentlich recht gut zu klettern.
Schönen Bergsommer wünsch ich noch.

quacamozza hat gesagt: RE:Sehr schön ...
Gesendet am 21. Juli 2018 um 17:17
Ja, ich hatte den alternativen Aufstieg durch die Rinne bereits erwähnt, aber die Sicherungsmöglichkeiten sind da (wie Du sagst) schon eingeschränkt.

Am zweiten Turm ist einiges lose, da ist vor kurzem wohl durch Blitzeinschlag ein ordentliches Felspaket ausgebrochen.

Ja, die schwierigen Stellen sind passabel fest, aber dazwischen empfand ich das Klettern nicht immer als spaßig. Ist halt Allgäuer Fels. Die Bezeichnung "brüchig" im AVF ist, denke ich, insgesamt schon zutreffend.

Wünsch Dir auch allzeit erfolgreiche und unfallfreie Unternehmungen.


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