Unnahbar, steil und düster fällt die rund 300m hohe Nordwand vom Gipfel des Gantrisch zum Gurnigel ab. Sie bildet die Gewohnte Ansicht des Gantrischs und ist markanter Punkt im Panorama der Berner Voralpen. Die Wand ist steil, hat einen stark grasigen Charakter und der Fels ist allgemein brüchig. Kein Wunder also, wurde sie trotz eindrucksvollem Bild und guter Erreichbarkeit erst 2006 zum ersten mal durchstiegen. Mittlerweile konnte ich die Wand bereits zweimal
durchsteigen. Dabei und bei einer Rekotour über den Nordgrat ist mir eine neue Linie aufgefallen, die vielleicht nicht ganz so elegant, dafür direkt durch den westlichen Wandteil zum Gipfel leitet. Auch sie führt meist über sehr steile, kaum absicherbare, heikle und felsdurchsetzte Gras- und Moospolster und kann, wenn überhaupt, nur dem erfahrenen und mit solchem Gelände vertrauten Alpinisten empfohlen werden.
Vom Wandfuss steige ich zu einem Vorsprung in Falllinie des Gipfels. Hier kann ich mir einen guten Überblick verschaffen und noch einmal die bei der Reko auserkorene Linie überprüfen - Danach geht's ans Eingemachte. Über ein mässig steiles Schneefeld erreiche ich mit einer steilen, brüchigen Rinne den Beginn der Schwierigkeiten. Die ersten Meter danach sind heikel und führen über die typischen Gras-und Moospolster der Wand. Hier entdecke ich zu meiner Rechten die bereits von unten ausgemachte, solide Grünerle wieder, was meine doch recht angespannten Nerven etwas beruhigt. Zwar wäre hier ein Rückzug mit heiklem Abklettern noch möglich aber das Bäumchen böte nun mittels Abseilen doch eine entspanntere Rückzugsmöglichkeit.
Anschliessend anhaltend steil in einer Rinne und dann nach links haltend aufwärts. Eine Rampe führt zur Schlüsselstelle, die den oberen von zwei Felsriegeln an seiner schwächsten Stelle überwindet. Zwei beherzte Züge beinahe senkrecht hinauf und die Hauptschwierigkeiten sind geschafft (wobei das letzte Wanddrittel immer noch zwischen 55° und 60° steil ist). Es folgt eine schöne Querung in das grosse und oben breite Couloir, das den westlichen vom östlichen Wandteil trennt. In der rechten Flanke desselben steige ich nun zügig zum Gipfelplateau und weiter zum höchsten Punkt. Mittlerweile ist der Gipfel des Gantrisch eingenebelt.
TOPO The green snake
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Aufgrund der, gerade imVergleich zur "fadegraden" klassischen Nordwand, schlangenartigen Linienführung meiner neuen Route und des stark grasigen Charakters des Terrains, habe ich der Route den Namen "The green snake" gegeben. Wie bereits angetönt führt sie über steiles und kaum oder nur schwer absicherbares Gelände. Zwei bis drei kleine und mittlere Friends, ein paar Keile und Schlaghaken gehören aber trotzdem an den Klettergurt. Steigeisen und mindestens ein Eisgerät sind in dieser Route ein Muss!