Rotspielscheibe, Fagstein, Windschartenkopf und Schneibstein - eine ruhige Rundtour im Hagengebirge


Publiziert von maxl , 1. Oktober 2014 um 16:53. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Deutschland » Alpen » Berchtesgadener Alpen
Tour Datum:28 September 2014
Wandern Schwierigkeit: T3+ - anspruchsvolles Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: D   A   april 
Zeitbedarf: 9:30
Aufstieg: 1600 m
Abstieg: 1600 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Parkplatz Hinterbrand (2€/Tag). Die breite Dürreckstraße dorthin zweigt am Kreisverkehr am Obersalzberg gen Süden ab.
Unterkunftmöglichkeiten:Carl-von-Stahl-Haus vom DAV oder wenige Meter drunter das Schneibsteinhaus

Wochenende ist's, prächtig-herbstliches AKW hat's, alles stürmt richtung Berge. Was also tun? Sich in die Schlange der Touristen einzureihen und im Gänsemarsch irgendeinen Gipfel hochzukeuchen ist unser Ding nicht, da sind sich Dani und ich ziemlich einig. Also muss eine ruhige Unternehmung in den Berchtesgadener Alpen her, der Bergwelt bei Dani's neuem Wohnort, die will schließlich anständig erkundet werden. Es ist gar nicht so leicht, eine Tour ohne Massenandrang zu konzipieren, und phasenweise war uns auch zu viel los, bei lauten Menschenmassen geht die gute Stimmung unweigerlich ein wenig verloren. Allerdings konnten wir gerade gen Abend hin noch einige ruhige Naturerlebnisse - insbesondere die Begegnung mit einem Steinbockrudel samt Jungtieren - genießen, die ihresgleichen suchen. Und wenn dann die Sonne auch noch direkt hinterm Watzmann untergeht, Bergsteigergherz, was willst du eigentlich mehr...?!?

Wild entschlossen, diesen traumhaft schönen Sonntag also so lang wie möglich draußen zu verbringen, finden wir uns gegen halb neun am riesengroßen Parkplatz Hinterbrand ein, einem ungewöhnlich und luxuriös hoch gelegenen Ausgangspunkt, vergleicht man ihn mit den meisten anderen in den Berchtesgadener Alpen. Ziel ist heute das weitläufige und in großen Teilen unerschlossene Hagengebirge. Wir starten also auf dem breiten und schon gut bevölkertem Fahrweg, der in richtung der Straße weiter gen Süden führt. An der Jennerbahn-Mittelstation geht's vorbei, wenig romantisch hier. Danach führt der Weg leicht bergauf, schließlich wieder ebenso mild bergab, der Abzweig zur Königsbachalm wird rechts liegengelassen. Stattdessen biegen wir links auf den sausteilen Fahrweg ab, der hinauf zum Stahlhaus führt. Diesen verfolgen wir nun noch einige Höhenmeter, bis in einer weiten Linkskurve nach rechts ein kleiner Karrenweg zur Königstalalm abzweigt. Dieser führt in ein verwachsenes, uriges Tälchen, bald in rustikalen Serpentinen hinauf, bis man auf wunderschönes Almgelände stößt. Dort liegt die schöne Königstalalm, sehr zu empfehlen, authentisch und schon ziemlich abseits des Touristentrubels. Hier, nach 80min Gehzeit (T1) gönnen wir uns ein erstes kleines Päuschen.

Ab jetzt hat's statt den monotonen Fahrwegen nur noch urige, schöne Steige. Von der Königstalalm führt ein solcher recht deutlich in den Wald hinein. Auf guten Spuren geht's lediglich etwas glitschig dahin, wir halten uns rechts, und gelangen schließlich aus dem Wald heraus in einen mäßig steilen Wiesenhang. Dieser wird leicht ansteigend gequert, bis man in einem schwach ausgeprägten Schärtchen direkt vor den Abbrüchen der Rothspielscheibe steht. Bevor man diese gewinnt, sollte man allerdings unbedingt den kurzen Abstecher zum Farnleiten mahen, einem milden Grasrücken und unglaublich schönen Aussichtspunkt, der freilich gen Norden in ungangbaren Wänden endet. Gute halbe Stunde ab der Königstalalm, T2. Auch hier gibt's ein Päuslein. Nicht zuletzt sieht man hier oben den Weiterweg gen Rothspielscheibe ganz gut. Dieser stellt den schwierigsten Teil der Tour dar. Es geht, von der Scharte zwischen Farnleiten und der Scheibe startend, ordentlich steil einen bewaldeten Buckel hinauf, bis sich steile Wände in den Weg stellen. Die Spuren weichen nach rechts aus, um durchaus ausgesetzt den Aufschwung zu überlisten (kurz mal T3+). Kurz darauf kommt man am Vorgipfel der Rothspielscheibe heraus. Jetzt muss man hinab in die Einschartung, woselbst der leichte Anstieg von der Priesbergalm hinaufzieht. Jenseitig geht's wieder hinauf, kurz recht steil (T3+), danach über milde Wiesen zum weitläufigen und mit einem äußerst merkwürdigen Gipfelkreuz versehenen Gipfelrücken der Rothspielscheibe. Ein schönes ruhiges Plätzchen hier mit phantastischer Aussicht - schadenfroh schaut man zum Jenner rüber, wo Platzkarten verteilt werden. Gut 20min dauert der Gipfelanstieg ab der Scharte von der Farnleitenwand, weitgehend durch T3-Gelände, unbedingt Vorsicht anzuraten ist hier bei Nässe!

So, hier oben fläzen wir uns erstmal in die schöne Gipfelwiese und genießen die Stimmung. Auch das nächste Ziel, der Fagstein, ist schon gut einzusehen. Um ihn zu erreichen, geht's von der Scheibe gen Südosten auf dürftigen, aber mit Stoamanndln markierten Pfadspuren hinab. In der Scharte zwischen Rothspielscheibe und Fagstein gelangen wir in Karstgelände, die Route ist aber immer noch mit Steinmanndln, gelegentlich sogar mit roten Punkten angezeigt. Bald verzweigen sich die Spuren, links ginge es hinab gen Königstalalm. Wir nehmen die rechte Variante, steigen abwechlsungsreich durch den Karst dahin und schließlich wieder recht deutlich bergan, um die Scharte zwischen Windschartenkopf und Fagstein zu erreichen. Die Markierungen orientieren sich hier zum Höhenweg, der vom Schneibstein an südwärts führt (im Winter die Kleine Reibn), wir hingegen zweigen nach rechts ab, um in mehr oder weniger beliebigen Routenführung hinauf zum Fagstein zu gelangen. Dürfige Pfadspuren, Schuttreissen, griiffige Felsstufen aus Karst, man kann sich die Route aussuchen. Nach gut anderthalb Stunden ab der Rothspielscheibe sind wir auf dem Fagstein (T3), allerdings in gemütlichem Tempo und mit reichhaltigen Pausen, um die Gruppen vor uns abziehen zu lassen. Eine Stunde Gehzeit dürfte genügen.

Auch hier oben gibt's natürlich eine ausführliche Rast. Bei dem Panorama.... denn nicht nur die beeindruckende Watzmann-Ostwand steht direkt gegenüber, auch die Fernsicht ist heute gigantisch gut, ein Traumtag für die Berge! Nach einem schönen Stünderl hier oben robben wir uns wieder zur Scharte hinunter, überquerenden den Touristen-gesäumten Wanderweg möglichst rasch (*flucht*) und spazieren jenseitig durch schönes Grasgelände steil aber harmlos wieder bergan. Am besten steuert man die Scharte zwischen dem bekreuzten Windschartenkopf und dem unbedeutenden Schlumkopf daneben an, aus dieser Scharte sind's nur noch wenige Meter durch etwas felsigeres Gelände hinauf zum Gipfel des Windschartenkopfs. A knappes Stünderl vom Fagstein ist's hierher, nicht schwerer als T3. Dieser Gipfel ist auch fast nur von Einheimischen besucht, die Touristenscharen strömen unterhalb auf dem Wanderweg vorbei. Gut so. Auch hier begeben wir uns in die Waagerechte und dösen sogar ein wenig weg. Aber eilig haben wir's schließlich nicht, denn je später es wird, desto ruhiger wird es.....

...und es wird ruhig! Keine Menschenseele ist mehr unterwegs, so beschließen wir, weiterzuziehen, und visieren zunächst die Abstiegsroute vom Windschartenkopf an. Diese führt durch die steile Flanke gen Nordosten hinab, steil, aber erstaunlich leicht (T3) und wiederum durch Steinmanndln angezeigt. An einem Schild am Wanderweg kommen wir hinaus und haben nun noch den letzten Anstieg zum Schneibstein vor uns. Entspannt schlendern wir dahin, haufenweise Gamsen sind in der Nähe, keine Menschen mehr, toll! Wir plaudern gerade über Steinböcke, denn der Dani hat noch nie welche gesehen, bis wir staunend und erfreut plötzlich tatsächlich welchen begegnen! Ein ganzes Rudel grast seelenruhig direkt unterm Schneibstein-Gipfel, hegt und pflegt seine Kinder und begegnet uns mit einer unglaublichen Ruhe! Begeistert pirschen wir uns ein wenig heran, knipsen, was das Zeug hält und genießen dieses phantastische Naturerlebnis in vollen Zügen. Die Menschenmassen von vorher sind vergessen, ausgeglichen und glücklich spazieren wir die letzten Meter hinauf zum weitläufigen Gipfelplateau des Schneibstein, wo uns schon eine warme Abendstimmung erwartet. Eine (erklärtermaßen sehr gemütliche) Stunde vom Windschartenkopf haben wir gebraucht, im Anstieg nur noch T2. Für mich ist's schon der zweite Besuch hier oben, vor drei Jahren habe ich meinen Cousin samt Freundin hier raufgeschleppt.

Eine dreiviertel Stunde verbringen wir oben nun noch, um das immer schönere Licht genießen zu können. Um zwanzig vor sieben verabschiedet sich die Sonne, und zwar genau hinter der (von Dani kürzlich überschrittenen) Watzmann-Mittelspitze. Wahnsinn. Jetzt wird's frisch und dunkel, so sammeln wir unsere sieben Sachen zusammen und watscheln gen Stahlhaus auf dem Normalweg hinab. Der obere Teil geht recht zügig, da man ihn auf dem gut gestuften Wiesenhang flott herunterkommt, unten wird's dann ob des Schlammes und der abgeriebenen Steine auf dem Weg etwas mühsamer, zuletzt hat's noch ein paar kleine steilere Stellen (vielleicht gerade T3). Kurz vor halb acht, nach einer knappen dreiviertel Stunde ab Schneibstein, kommen wir in letztem Licht zum Stahlhaus. Jetzt müssen die Stirnlampen aus dem Rucksack. Zunächst geht's ein paar Meter auf dem Fahrweg gen Schneibsteinhaus hinab, eine der zwei Abzweigungen gen Jenner nach rechts wähle man nun, um leicht ansteigend in den Sattel zwischen Jenner und Brett zu gelangen. Ab hier verliert sich der alpine Charakter nun vollends, eine Teerstraße empfängt einen auf der anderen Seite. Was soll's, schließlich sehen wir eh nix mehr. In vielen Kehren spazieren wir in nun völliger Dunkelheit hinab, nach einer viertel Stunde etwa durchaus verdutzt, denn nahöstliche Klänge umschmeicheln unsere Ohren. So stellt man sich die Nacht am Berg nicht vor: aus der Mitterkaser-Alm schallt laute Musik, die die Ruhe der Nacht durchaus etwas stört. Die türkischen Rhytmen sind allerdings keinen Deut schlimmer als die zümmmmmpfige Umpftata-Blasmusik, die vorhin vom Königssee heraufgeweht ist. Ach ja, Steinböcke sind doch in vielerlei Hinsicht so viel würdevollere Kreaturen als Menschen.

Aber die Laune vermiesen lassen wir uns nicht mehr. Außerdem strahlen zum Weg - der weitgehend im Winter die Skipiste darstellt - die Lichter aus dem Berchtesgadener Talkessel hinauf, das ist schon auch toll. Unten könnte man eine weit ausladenede Kehre des Fahrwegs auf einem Steig abkürzen, das schenken wir uns allerdings, am Ende finden wir mit unseren Funzeln den Weg nicht. Auch der Fahrweg führt uns schließlich sicher und wohlbehalten retour auf den vorher genutzten Weg von Hinterbrand. Wieder vorbei an der Jennerbahn-Mittelstation, dann noch ein paar letzte Anstandshöhenmeter, und schon sind wir wieder zurück am Parkplatz, knapp 2h ab Stahlhaus. Viertel nach neun ist's inzwischen, 12 1/2 Stunden waren wir also draußen, können deshalb auch mit Fug und Recht behaupten, diesen wunderbaren Sonntag gebührend genutzt zu haben. Carpe Diem - na gut! Zwar mit einer Tour, die ohne die reichlichen Pausen auch in 9h zu machen wäre, aber die mit den Pausen ja um soooo viel schöner ist. Denn auch der tief in mir sitzenden Faulheit muss mal Tribut gezollt werden, und dafür eignet sich ein solcher Tag am Berg doch schließlich ganz ausgezeichnet...!

Tourengänger: maxl, Hade


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Kommentare (4)


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Chiemgauer hat gesagt: "Es ist gar nicht so leicht, eine Tour ohne Massenandrang zu konzipieren"
Gesendet am 5. Oktober 2014 um 19:03
Das kann ich so nicht stehen lassen, denn im Raum BGL gilt es nur wenige Gipfel zu meiden und man hat durchwegs seine Ruhe. Und selbst überlaufene Gipfel, können zum größten Teil einsam bestiegen werden, wenn man was wann und wie ;-)
Gruß, Hans

maxl hat gesagt: RE:"Es ist gar nicht so leicht, eine Tour ohne Massenandrang zu konzipieren"
Gesendet am 6. Oktober 2014 um 00:40
klar, je besser man sich auskennt, desto leichter wird's dann. Alles in allem ging's dann ja auch - aber ich fand's scho überraschend, dass selbst zwischen Rotspielscheibe und Fagstein schon einiges los war...

Chiemgauer hat gesagt: RE:"Es ist gar nicht so leicht, eine Tour ohne Massenandrang zu konzipieren"
Gesendet am 6. Oktober 2014 um 20:06
Mittlerweile gibt es schon mehr Leute, die die Einsamkeit suchen, daher muss man kreativer sein, als diese, bei der Tour- und Routenwahl ;-)
Ansonsten hast schon recht, dass man erst einige Touren in einem Gebiet machen muss, bevor man genug Eindrücke für kreative Touren gesammelt hat.
Gruß Hans

maxl hat gesagt: RE:"Es ist gar nicht so leicht, eine Tour ohne Massenandrang zu konzipieren"
Gesendet am 6. Oktober 2014 um 22:19
...am besten immer zum Sonnenuntergang irgendwo oben sein, da ist fast immer nix mehr los, wenn nicht grad ne riesen Hütte in der Nähe ist:-)


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