Angeblicher "Sieg"-Schriftzug bei Sonthofen


Publiziert von Nik Brückner , 27. September 2013 um 10:26.

Region: Welt » Deutschland » Alpen » Allgäuer Alpen
Tour Datum:16 August 2013
Wandern Schwierigkeit: T2 - Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 
Zeitbedarf: 3:00
Aufstieg: 550 m
Abstieg: 550 m
Strecke:9,5km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Nach Hochweiler über Hinang (von Sonthofen aus über die OA 4 hierher)
Kartennummer:AV-Karte BY 3

In Sonthofen scheint so ziemlich jeder das Gerücht zu kennen, das besagt, dass die Nationalsozialisten in die Hänge unterhalb der Sonnenköpfe und oberhalb der Orte Hochweiler und Hinang in riesigen Buchstaben das Wort "Sieg" hineingerodet oder -gepflanzt hätten. Auch das allwissende Netz kennt diese Gerüchte, allerdings findet man nur an wenigen Stellen etwas dazu, und das leider nur sehr undifferenziert: zum Beispiel hier und hier. Gästen gegenüber ist man mit Auskünften darüber leider ziemlich zurückhaltend. Fragt man im Ort nach, etwa im Verkehrsbüro, so erhält man nur die Auskunft, dass man die Stelle im Wald als Auswärtiger unmöglich entdecken könne - tatsächlich ist das "Wort" aber ohne weiteres zu sehen, die Baumstaben sind mit bis zu 400 Metern schließlich groß genug. Zumindest das "S" und das "i" sind ohne weiteres zu lesen, des "e" (oder "E") und das "g" dagegen weniger deutlich.

Eine gute Position dafür ist natürlich die andere Talseite, etwa die Gegend um Hüttenberg, Westerhofen, Bettenried, Ofterschwang. Auch von weiter oben sieht man das "Wort" gut. Und auch ein Blick von der B19 aus lohnt sich, wenn gerade mal wieder Stau ist. Und vielleicht, weil's passt, Not A Good Signs Debütalbum "Not A GOOD Sign" läuft...



Tourenbeschreibung:

Mein Interesse an diesem "Schriftzug" war geweckt, seit mir vor einigen Jahren eine Bedienung in einem Café davon erzählte, und so machte ich mich an einem durchwachsenen Tag auf in die Hänge unterhalb der Sonnenköpfe, um mir das Ganze mal aus der Nähe anzusehen. Ich habe mein Auto im Weiler Hochweiler (nun ja) abgestellt. Von dort ging es zu Fuß hinauf über Wiesen und Bergwald zum Gasthof Sonnenklause (1040m), wo man ebenfalls parken könnte. Von hier aus bin ich dann den Schildern in Richtung Altstädtner Hof gefolgt: Zunächst noch auf einem Fahrweg bergan, dann dort, wo dieser sich an einer Bank nach rechts wendet, links über Wald und Wiesen hinauf zur Gähwinde, einer Wiese, die sich zwischen 1220 und 1540 Metern in deutlicher S-Form durch den Wald windet.

Das Wort "Gähwinde" hat allerdings mit "winden" nichts zu tun, es bedeutet 'Schneewehe, durch starken Wind (über Nacht) zusammen gewehte, aufgetürmte Schneemasse', bezieht sich also wohl eher bzw. ursprünglich auf den Kamm).

Immerhin hat man hier einen schönen Ausblick - mein höchster Punkt an diesem Tag. Aber nur einen halben, wegen der Bergkette über mir.

Im Südwesten geht's los mit dem Elfer und dem Großen Widderstein, davor der kleine und der Bärenkopf. Daran anschließend der Heiterberg,
der Heuberg und das Walmendinger Horn. Dahinter zeigen sich Hochkünzelspitze und Üntschenspitze, es folgen Grünhorn und Ifen.

Im Westen dominieren dann die Hörner und die Nagelfluhkette den Rundblick. Un dim Norden schon endet er, mit dem Grünten und dem hübschen Burgberger Hörnle.


Der Steig führt hier linksseitig am Waldrand die Wiese hinauf, bis er auf einen breiten Weg stößt. Auf diesem habe ich die Gähwinde in Richtung Süden gequert. Der Weg führt in den Wald, dort über einen Bach, und kurz danach aus dem Wald heraus auf die langgezogene Wiese "Kleiner Hof", die sich von 1140 bis 1540 Metern erstreckt und ein "i" bildet, komplett mit Düpferl.

Das Wort "Hof" bedeutet in der Sonthofener Gegend 'gedüngter Platz von mehreren Tagwerken nahe der Sennhütte', etwas weiter, im Tannheimer Tal, bezeichnet man damit einen ebenen Platz vor der Sennhütte, der dem Vieh als Ruheplatz dienen kann.

Auf dem Kleinen Hof bemerkte ich dann zum ersten Mal, dass die neue Alpenvereinskarte "Allgäuer Voralpen Ost" so ihre Probleme hat. Den Hinüberweg zum verstümmelten "E", der Wiese "Großer Hof", musste ich ein Weilchen suchen. Doch auch der ist schnell gefunden und so quert man in Nullkommanichts den Wald und einen weiteren Bach zur dritten Rodung. Das "E" (zw. 1130 und ca. 1460 Metern) ist tatsächlich nur mit Phantasie als solches zu erkennen: Eigentlich ist von diesem nur die Haste zu sehen, Balken sind nicht vorhanden. Allerdings regt eine Aufforstung im oberen Teil des Großen Hofes die Phantasie an: dabei könnte es sich schließlich um einen der Balken gehandelt haben.

Man quert nun den Großen Hof und folgt einem Forstweg schräg hinauf in den Wald, der als Sackgasse gekennzeichnet ist. Die in der Alpenvereinskarte gestrichelt eingezeichnete Fortsetzung dieses Forstwegs ist nur noch mit Mühe und nur an einigen Stellen zu erkennen: Am Ende des Forstwegs nach rechts über einen Bach, drüben auf recht deutlich erkennbarem Pfad wieder hinauf und in lichteren Baumbestand. Hier versagt die Karte schließlich ganz: Von dort auf einem weiteren Forstweg (nicht in der AV-Karte!) in einigen Kehren hinüber zum "G", das eigentlich nur als Ring (zw. 1160 und 1360 Metern) in Erscheinung tritt. Auf dem Weg hinunter zu Pt. 1209m und rechts hinunter, den Schildern zur Sonnenklause (1040m) folgend. Vom Gasthof aus entweder auf dem Aufstiegsweg oder unterhalb, zunächst über den Zufahrtsweg, dann durch den Wald und über Wiesen zurück nach Hochweiler (919m).


Meine "Nachforschungen":

Fragen an einheimische Wanderer blieben leider ergebnislos. Das Spektrum reichte von vollkommen unangemessenen Reaktionen wie "Echt? Cool!" über ein abwiegelndes "ach Sie meinen die Ausholzung, die zufällig aussieht wie Buchstaben" bis hin zu einem gefährlich gezischten "dess wisset mr net". In einer Stadtgeschichte habe ich nichts diesbezügliches gefunden. Das Verkehrsbüro war überhaupt keine Hilfe. Leider war das Heimathaus geschlossen, das wäre sicherlich eine gute Anlaufstelle gewesen. Lediglich in einem Buchladen habe ich zwei sehr freundliche und hilfsbereite Menschen kennengelernt, die allerdings auch nicht so viel wussten, wie sie gerne wüssten.

Ein Blick in Hartmut Happels Buch "N.S. Ordensburg Sonthofen - Nutzung und Bedeutung für Sonthofen - einst und jetzt" half mir jedoch weiter. Dort heißt es auf S. 100: "In den vergangenen Jahren wurde ich regelmäßig auf den Baumbestand unterhalb der Sonnenköpfe angesprochen. Mit etwas Phantasie kann man das Wort "SIEG" erkennen. In den Unterlagen und der damaligen Presse ist auf eine derartige gezielte Anpflanzung kein Hinweis zu finden. Es scheint eine Laune der Natur zu sein."

Nun, wohl eher eine Laune der Weidewirtschaft. Eine Anfrage per Mail beim Heimathaus Sonthofen brachte die letzte Gewissheit: Die äußerst hilfsbereiten Mitarbeiter fanden ein Foto von 1912, auf dem der Hang schon genauso aussieht wie heute. Die Vermutung, es handle sich hier um von Nationalsozialisten in den Hang gerodete oder gepflanzte Buchstaben, ist also ins Reich der Phantasie zu verweisen. Sie hätten sich eh verschrieben.


Fazit:

Es ist ja so naheliegend! Eifrige Nazis, die ja bekanntlich gerne mal Monumentalität mit Größe und Größe mit Bedeutung verwechselten (Bildung hätte da helfen können) roden - z. B. anlässlich des umjubelten (doch doch) Führerbesuches in Sonthofen - das Wort "Sieg" in den Hang. Oder versuchen sich an "Sieg Heil", aber wie bei allem, was die Nazis anpackten (Eroberung der Welt, tausendjähriges Reich, Herrenrasse) sind sie einfach überfordert und kriegen es nicht hin. Dazu die Tatsache, dass sich einige Offizielle der Gegenwart sofort verkrampfen, wenn man sie danach fragt, und natürlich die seltsamen Reaktionen der einheimischen Wanderer. All das vor dem Hintergrund der trutzigen "Ordensburg" - es passt so gut zusammen. Nur zu gern würde man dann amüsiert zusehen, wie die braunen Allgäuer Buchstaben heute von Herden Allgäuer Braunviehs freigefuttert werden. Doch in Wirklichkeit ist nichts dahinter. Ein Zufall des Zusammenspiels von Natur, Axt und Saatgut - die Nazen waren es jedenfalls nicht.

Nicht dass es in Sonthofen nicht genug Altlasten gäbe, mit denen es sensibel umzugehen gilt. Aber große Buchstaben im Wald gehören nicht dazu.

Tourengänger: Nik Brückner


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