Huayna Potosi


Publiziert von frmat , 19. August 2013 um 15:42.

Region: Welt » Bolivien » Cordillera Real
Tour Datum:26 Juli 2013
Wandern Schwierigkeit: T3 - anspruchsvolles Bergwandern
Hochtouren Schwierigkeit: WS
Wegpunkte:
Geo-Tags: BOL 
Zeitbedarf: 3 Tage
Aufstieg: 1500 m
Abstieg: 1500 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Privattransport zum Basislager am Zongo-Pass
Unterkunftmöglichkeiten:Hütten im Basecamp Hütte im Campo alto Rocca

Der Wunsch einmal auf einem 6000m hohen Berg zu stehen ist selten so einfach zu realisieren, wie am bolivianischen Huayna Potosi. Alle Agenturen in La Paz bieten die Besteigung an. Auch wenn es sich um ein wenig aufwendiges Unterfangen handelt möchte ich zunächst auf einige Dinge hinweisen:

- Kein anderer Berg in Bolivien wird so sehr unterschätzt wie der HP. Auch wenn es technisch nicht anspruchsvoll ist, bleibt es eine vergletscherte Hochtour auf einen 6000er!
- Die Höhe bringt manchen zur Umkehr. Die Gipfelerfolgszahlen liegen bei 20% (2-Tagestour) bis zu 90% (3 Tagestour). Bei unserer Besteigung erreichten etwa 50% der gestarteten Touristen den Gipfel.
- Technisch leicht bedeutet 90% Schneewandern, allerdings ist der Gipfelgrat über 100Hm schmal und ausgesetzt. Viele kämpfen dort mit ihren Reserven. Es braucht sauberes Steigeisengehen in großer Höhe. Insgesamt empfand ich den HP als technisch anspruchsvoller als die Gouter-Route auf den Montblanc.
- Ein Großteil der Kunden steht am ersten Tag zum ersten Mal auf Steigeisen. 2 Tage später den Gipfelgrat zu gehen finde ich zumindest fragwürdig. Die Bergführer, die ich darauf ansprach, meinten, dass es eigentlich unverantwortlich sei. Aber die Touristen bringen nunmal das Geld ran...
- Alle Ausrüstung kann bei den Agenturen geliehen werden. Sie ist meist alt, aber in ordentlichem Zustand. Dennoch war ich froh, mein eigenes Equipment dabei zu haben. Auch lassen sich in La Paz gute und schlechte Kopien aller namhafter Ausrüster zu wahnwitzigen Spottpreisen kaufen. Eine "Mammut"-Daunenjacke z.B. für 80€ ;)

Nun zur eigentlichen Besteigung selbst. Um mich noch besser an die Höhe zu gewöhnen entschied ich mich im Vorfeld einen 3-Tagestrip für insgesamt 124$ zu buchen. Dabei nutzte ich wieder die Dienste der sehr guten Agentur "Travel Tracks".

Freitag, 26.7.13
Um 10h wurden wir vor der Agentur abgeholt. Wir, das waren Hermann und ich aus Deutschland, sowie Jao und Mauricio aus Brasilien. Wir verstanden uns auf Anhieb gut, waren recht sportlich und hatten mehr oder weniger Bergerfahrung. Mit einem klapprigen Minibus gings zunächst nach El Alto, auf dessen Markt wir die letzten Einkäufe erledigen konnten. El Alto ist das "Armenviertel" von La Paz und mittlerweile größer als La Paz selbst. Der Strom der Zuwanderer aus den ländlichen Gebieten versiegt auch hier nicht. Auf dem Markt ist alles erhältlich und man kann sich von Obst über Schokolade hin zu Klopapier mit allem eindecken, was man auf der Tour brauchen könnte.
Nach insgesamt etwas mehr als 3h erreichten wir schließlich das Basislager am Zongo-Pass, wobei kurz vorher in Milluni noch Wegzoll bezahlt werden musste. Der dortige Friedhof mahnt zur Vorsicht. Während der ganzen Fahrt "wächst" der Huayna Potosi mehr und mehr in den Himmel, ein wirklich wunderschöner Berg! Am Zongo-Pass gibt es zahlreiche Übernachtungsmöglichkeiten. Natürlich kann man zelten, ist jedoch durch heutzutage mehrere einfache Bergsteigerhütten nicht mehr notwendig.
Während sich die anderen Teilnehmer nach dem Mittagessen zum Gletscher aufmachten um erste Erfahrungen auf Steigeisen zu machen, entschloss ich mich für eine gemütliche Wanderung in Richtung Laguna Canada. Dazu folgt man zunächst der Straße hinab Richtung See, dann an der Staumauer nach rechts über einen schönen, teils aber sehr ausgesetzten Wanderweg entlang eines kanalisierten Wasserlaufs. Als Tagestour lassen sich auch die schönen Aussichtsfünftausender Cerro Grincuni und Cerro Charquini besteigen. Nach einiger Faulenzerei in der Sonne ging ich gemütlich zurück zum Basecamp

Samstag, 27.7.13
Heute stand der Aufstieg ins Hochlager auf dem Programm. Wir alle schliefen ganz gut hier auf immerhin 4700m. Auch die Temperaturen in der Hütte waren erträglich. Dennoch zog es uns erst spät am Vormittag hoch in Richtung Highcamp.
Nach 15min vereinigen sich die Wege von der Staumauer und direkt vom Pass an einer kleinen Hütte. Dort zahlt man auch die 10 Bolivanos Eintritt für den HP. Von dort führt der Weg über blockiges Gelände auf eine markante Moräne, der man einige 100m folgt. Den letzten Aufschwung zum Highcamp bildet wieder Blockgelände, welches bei uns verschneit war und durch die Steilheit Steigeisen nötig machte. Im Schneckentempo und mit einigen Pausen benötigten wir etwa 2 1/2h vom BC ins HC. Auch hier auf 5130m steht eine Hütte mit einigen Lagern. Die Hütte ist zwar praktisch aber rundherum wirklich grauselig verdreckt, mit Exkrementen und allem was man nicht sehen und riechen mag. Dementsprechend macht es wenig Spaß vor der Hütte in der Sonne zu sitzen... Zudem war sie hoffnungslos überbelegt und garnicht gemütlich. Ca. 300m höher hat es am sog. "Campo Argentino" weitere Übernachtungsplätze, allerdings benötigt man dort ein Zelt. Gut akklimatisierte Bergsteiger können auch vom BC in einem Zug zum Gipfel durchsteigen und auf das HC verzichten. Das hab ich mir allerdings konditionell nicht zugetraut.

Sonntag, 28.7.13
Gipfeltag! Heute war es soweit, es ging los zum Gipfel. Meine bisher höchstgelegene Nacht hatte ich gut überstanden und ich war recht zuversichtlich, dass wir es schaffen können, als um Mitternacht der Wecker klingelte. Frühstück in Form von Tee und Keksen stand schon im Vorraum bereit. Alles Equipment wiederzufinden glich in dem Gewusel aus Stirnlampen, Steigeisen und Gurten einem kleinen Wunder...
Gegen 1:15h zogen wir schließlich als die beiden ersten Gruppen des Tages los. Und schon der Anfang hat es ganz schön in sich. 300m zieht eine steilere Flanke hinauf zum Campo Argentino und lässt die Kälte damit schnell vergessen. Ab dort schließt sich eine lange Rechtsquerung an, bis die Route zur sog. "Schlüsselstelle" führt. Diese - eine ca. 20m hohe 70° steile Wand - war dank des Trittschnees aber prima zu begehen. Nach ca. 3h standen wir auf der sog. "Pala", einem langen Grat, der Richtung Gipfel leitet. Es schloss sich eine gefühlt elendig lange Querung entlang der Flanke an. Mittlerweile ging es mir auch nicht mehr allzu gut, brauchte ich doch wegen der Müdigkeit und der Höhe öfters eine kleine Pause. Manchmal taumelte ich leicht, mir war schwindelig. Die Akklimatisation war wohl noch nicht perfekt. Endlich, nach 4 1/2h tauchten einige Felsen auf. Sie markieren den Beginn des Gipfelgrats. 3 Seilschaften stiegen vor uns in den ausgesetzten Grat ein. Kurzzeitig überlegte ich mir mich auszuseilen. Mein brasilianischer Partner wankte noch mehr und da er zum ersten Mal in seinem Leben Steigeisen trug, war ich mir der Sicherungsmöglichkeiten durch unseren Führer unschlüssig. Aber 6000m sind nicht der Ort um Diskussionen anzufangen. Also hielt ich meinen Mund und konzentrierte mich so gut es bei dem eisigen Wind nur ging. Immer wieder geriet der Aufstieg nun ins Stocken. "Warum ausgerechnet hier?" dachte ich mir angesichts der Höhenmeter, die es beiderseits bergab ging. Für lächerliche 80m brauchten wir nochmal 45min und doch raste das Herz hier in über 6000m. Aber irgendwann war es soweit. Der Grat knickte nach rechts ab, die anderen Gruppen standen. Höher gings nicht mehr und ich war unendlich froh nicht mehr weiter zu müssen. Wir standen auf dem Gipfel des Huayna Potosi. Und ich war glücklich auf meinem ersten 6000er stehen zu dürfen. Was für ein Gefühl! Dazu ging gerade die Sonne auf. Im eisigen Sturm konnte ich nur für einen Moment die Handschuhe ausziehen um einige Fotos zu machen. Und dennoch waren die Hände sofort bitterkalt. Nach und nach erreichten weitere Gruppen den Gipfel. Da dieser nur wenig Platz bietet stiegen wir nach kurzer Zeit wieder ab. Die Ausweichmanöver am Grat sorgten noch einmal für Spannung. Ab der Flanke war es nur noch ein 2-stündiger Schneehatsch zurück ins Highcamp und nach einer langen Pause der Abstieg zurück ins Basislager am Zongo-Pass.
Schon nachmittags waren wir wieder zurück in La Paz und konnten endlich mit Bier auf diesen schönen Gipfel anstoßen.

Fazit: Für mich ist der Huayna Potosi ein wirklich toller Berg mit interessanter Route. Die zahlreichen Begeher verbunden mit der mäßigen Hygiene mindern das Erlebnis etwas. Dennoch ist es eine wirklich schöne Gletschertour auf einen markanten Gipfel der Königskordilliere, Schwierigkeit WS, T3.

Tourengänger: frmat


Minimap
0Km
Klicke um zu zeichnen. Klicke auf den letzten Punkt um das Zeichnen zu beenden

Galerie


In einem neuen Fenster öffnen · Im gleichen Fenster öffnen

WS+
25 Mai 11
Huayna Potosi · a1
WS
4 Jun 13
Huayna Potosí · madu
T3 WS+ I
27 Jul 21
Huayna Potosi 6088 m · MrEnergiz
T3+ WS+ I
18 Okt 15
Huayna Potosí (6088m) · Kottan
WS
20 Jun 15
Huayna Potosi · mannvetter
WS
ZS
18 Jun 15
Pico Italia · mannvetter

Kommentare (2)


Kommentar hinzufügen

a1 hat gesagt: Huayna Potosi
Gesendet am 19. August 2013 um 21:36
Hallo frmat

Gratulation zum Huayna Potosi. Dieser Berg, La Paz und alles drumherum begleiten einem ein Leben lang, so kommt es mir vor. Leichte 6000er im herkömmlichen Sinn gibt es nicht. 6000m oder 4800m wie in den Alpen, das sind von der Höhenanpassung her zwei ganz verschiedene Welten.

Weiterhin viel Spass in den Bergen und machs gut,
Joachim

frmat hat gesagt: RE:Huayna Potosi
Gesendet am 19. August 2013 um 22:10
Herzlichen Dank a1 für die Gratulation! Ich gebe sie gerne zurück für deine tollen Touren und natürlich den HP! Du hast recht, 6000m ist wirklich anstrengend. Aber umso schöner wenn man oben steht ;)


Kommentar hinzufügen»