Eine bayrische HIKR-Erstbegehung-der unbekannte Rotkogel(1687m)


Publiziert von trainman , 22. Juni 2013 um 13:05.

Region: Welt » Deutschland » Alpen » Bayrische Voralpen
Tour Datum:20 Juni 2013
Wandern Schwierigkeit: T5+ - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 
Zeitbedarf: 7:00
Aufstieg: 1030 m
Abstieg: 1340 m
Strecke:Spitzingsee-Valepp-Schlagalm-Rotkogel-Valepp-Spitzingsee-Fischhausen Neuhaus Bf(30km)
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Bus zum Spitzingsee
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Zug (BOB) nach Fischhausen Neuhaus
Unterkunftmöglichkeiten:in Spitzingsee oder Fischhausen Neuhaus
Kartennummer:Kompass,Bayrischzell-Schliersee

Südlich des Spitzingsees befindet sich die Schindergruppe, die ein wesentlich alpineres Gesicht hat als die übrigen Grasbuckel der Umgebung. Der Österreichische Schinder wird oft besucht, sein bayrischer Kollege schon seltener und der nördliche Vorposten, der Rotkogel praktisch überhaupt nicht. Beleidigt durch den AV-Führer("touristisch uninteressant") führt er ein einsames, abgeschiedenes Dasein, sein ehemaliges Gipfelkreuz ist stark beschädigt und es gibt keinen Weg auf seinen Gipfel, nicht einmal eine Pfadspur. Diesen Berg wollte ich mir mal aus der Nähe ansehen. Vom Schinder aus sieht der Rotkogel sehr imposant aus, die Wand der Südostseite wirkt abschreckend. Stünde der Berg alleine in der Gegend herum, wäre er vermutlich ein begehrtes Ziel. Der einzige sinnvolle Zugang ist eine steile Flanke aus dem Schinderkar, die zu einer Scharte auf dem Südgrat führt. Vom Schinderweg zweigt man auf 1400m  bei einem roten Pfeil nach rechts ins Gelände ab. Durch eine harmlose Latschenzone erreicht man eine Schuttrinne, die überquert werden muss. Man kann auch ein Stück in der Rinne hochsteigen, aber nicht zu weit, sonst kommt man aus ihr nicht mehr rechts heraus! Jetzt geht es steil den Hang zwischen Rinne und Felswand nach oben. Das grasige Gelände ist mit viel Feinschutt belegt was den Aufstieg erheblich erschwert. Ich habe versucht, ohne meine Stöcke durchzukommen, musste aber im oberen Drittel auf sie zurückgreifen, da die Schuhe keinen sicheren Halt mehr fanden. Das Abstützen mit den Händen wäre zwar möglich, aber die stacheligen Distelgewächse sind dabei sehr hinderlich. Mit den Stöcken ging es dann aber relativ gut, so steil wie manche Grasberge im Allgäu oder den Lechtaler Alpen ist diese Flanke nicht(zwischen 30°  und 40°) Oberhalb hielten sich auch einige Gämsen auf, was mir wegen der Steinschlaggefahr nicht gefiel. Ein eigrosses Geschoss kam kurz darauf herunter, es blieb Gott sei Dank das Einzige. Oben am Südgrat erscheint dann die eigentliche Schlüsselstelle der Route. Ein felsiger steiler Aufschwung in ausgesetztem Umfeld sieht böse aus, Auch hier ist nicht die Steilheit das Problem, sondern wieder der Feinschutt und die Brüchigkeit des Gesteins. Man findet keinen guten Halt und ein Abgang hätte hier schlimme Folgen.(oberes T5).Danach geht es erst mal leichter weiter am ausgesetzten Grat. Kurz vor dem Gipfel aber noch eine unangenehme Überraschung. Der Grat scheint durch sehr dichten Latschenbewuchs nicht mehr begehbar zu sein, eine schwache Spur (Gamswechsel?) führt in die für mich viel zu steile(über 50°,etwas gestuft) Südflanke hinaus. Solche Flanken mag ich gar nicht, also habe ich mich lieber auf den Ringkampf mit den Latschen eingelassen. Meine mitgebrachten Arbeitshandschuhe waren dabei sehr hilfreich. Nachdem ich die Vegetation besiegt hatte wurde ich noch mit ca. 100 weiteren Kämpfern konfrontiert, die mutig und erbittert ihr Revier verteidigten. Die roten Waldameisen hatten unter den Latschen ihren Bau errichtet und krochen an meiner Kleidung hoch. Bald roch es stechend nach Ameisensäure, dabei ist der Einsatz von Chemiewaffen doch allgemein geächtet...
Am Gipfel findet man einen kleinen Steinhaufen, in dem die traurigen, stark verwitterten Reste eines ehemaligen Kreuzes stecken, ansonsten  gibt es weder Vermessungszeichen noch Gipfelbuch. Dafür hat man hier wohl den schönsten Blick auf die beiden Schinder und den grünen Pfaffenkopf mit seiner eleganten Dreiecksform. Die abfällige Bemerkung aus dem AV-Führer ist absolut nicht gerechtfertigt. Wer mit dem Gelände zurechtkommt wird von diesem Berg nicht enttäuscht. Er ist allerdings schon etwas mühsam zu erreichen. ER  ist der wahre "Schinder" in dieser Gruppe, der bayr. und österr.Schinder sind dagegen vergleichsweise komfortabel besteigbar. Die von mir begangene Aufstiegsroute dürfte meiner Einschätzung nach die einzig sinnvolle sein. In allen übrigen Richtungen ist der Berg sehr abweisend, insbesondere der logisch erscheinende Gratübergang zum Pfaffenkopf scheint nicht machbar zu sein(außer eventuell für T6+Enthusiasten)
Der Abstieg bis zur Scharte ist natürlich wie fast immer in heiklen Passagen unangenehmer als der Aufstieg und an der Schlüsselstelle habe ich zwei Versuche gebraucht, um herunterzukommen. Die anschliessende Steilflanke kann man in Schuttrinnen teilweise bequem "abfahren" und erreicht so schnell wieder den Wanderweg im Schinderkar.
Rückmarsch zum Forsthaus Valepp und mangels Bus(Strassenschäden durch Unwetter in diesem Frühjahr) weiter zum Spitzingsee. Nachdem auch dort kein Bus nach Fischhausen-Neuhaus verfügbar war, stieg ich über den Spitzingsattel und das Josefstal nach Fischhausen-Neuhaus  zum Bahnhof ab.
Fazit: Toptour für Freunde wegloser Berge.

Tourengänger: trainman


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Kommentare (6)


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Nic hat gesagt:
Gesendet am 22. Juni 2013 um 13:43
Toller Bericht über einen mir bisher unbekannten Berg. Muss ich mir bei Gelegenheit auch mal anschauen. Gruß Nico

trainman hat gesagt: RE:
Gesendet am 22. Juni 2013 um 15:18
Hi Nic
Dieser Berg dürfte Dir gefallen, Tourismus findest Du da oben sicher nicht und das wird auch so bleiben, da der Zugang doch mühsam ist. Nachdem Du die Viererspitze mühelos gepackt hast, kommst Du leicht hinauf.
Beste Grüsse trainman

ADI hat gesagt:
Gesendet am 22. Juni 2013 um 14:28
unterwegs bei 32°C, Latschen, Hitz.......mi hätt' der Schlag getroffen......ist halt nur was für "Trainman", sicherlich auch noch mit langer Hos'n....so wie i Di kenn'.

Sicherlich bei moderaten Temp. eine nette Tour!

VLG vom Conte di Solano

trainman hat gesagt: RE:
Gesendet am 22. Juni 2013 um 15:07
Natürlich mit langer dunkler Hose und über 7km/h beim Anmarsch von Spitzingsee! Im Steilgelände oben wären die Vorteile aber auf deiner Seite, da kommst Du besser voran als ich. Etwas "Stablseeflanke" gab es auch kurz vor dem Gipfel, das habe ich allerdings durch die Latschen am Grat umgangen.
Beste Grüsse trainman

Gelöschter Kommentar

trainman hat gesagt: RE:
Gesendet am 22. Juni 2013 um 21:47
Wir haben offensichtlich unterschiedliche Temperaturregelungen im Kreislauf. Meine Kälteaversion reicht bis in die frühe Jugend zurück und hat sich seitdem eher noch verstärkt.
Beste Grüsse trainman


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