Zugspitze-Jubiläumsgrat Variante 1: Über die Zugspitze zur Alpspitze


Publiziert von quacamozza , 1. Dezember 2011 um 14:16.

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Wetterstein-Gebirge und Mieminger Kette
Tour Datum:20 Juli 2010
Wandern Schwierigkeit: T5+ - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Klettersteig Schwierigkeit: K4- (S-)
Wegpunkte:
Geo-Tags: D   A 
Zeitbedarf: 8:30
Aufstieg: 1340 m
Abstieg: 1560 m
Strecke:Wiener Neustädter-Hütte-Stopselzieher-Zugspitze-Jubiläumsgrat-Alpspitze-Osterfelderbahn
Zufahrt zum Ausgangspunkt:A 7 Ulm-Kempten-Füssen, dann die B 179 (pickerlfrei) über Reutte-Lermoos zum Bahnhof Ehrwald Zugspitzbahn (996m)
Unterkunftmöglichkeiten:Wiener Neustädter-Hütte im österreichischen Schneekar (2213m; 0043-676-4770925; ab 20.Juni bewirtschaftet)
Kartennummer:AV-Karte 1:25 000 4/2 Wetterstein- und Mieminger Gebirge, Mitte

Der Jubiläumsgrat ist immer wieder eine Überschreitung wert: eine absolut lohnende und immer spannende Tour. Da der Grat ein absoluter Klassiker ist, wird er sehr häufig begangen, leider immer wieder von Aspiranten, die sich trotz der vorhandenen, wenn auch nicht immer gut sichtbaren Markierungen verklettern (heute gab's einen besonders krassen Fall) oder die konditionell und/oder technisch den Anforderungen einfach nicht gewachsen sind.

Insbesondere muss auf die beachtliche Länge von 8,2 Kletterkilometern und das ständige Auf und Ab hingewiesen werden. Da es oft sehr warm wird und keinerlei Verpflegungsmöglichkeit unterwegs besteht, sollten reichlich Getränke mit von der Partie sein. Ich selber nehme fast auf jede Tour 3,5 Liter mit: Diese Menge sollte ausreichend sein. Einer der Hüttenwirte vom Münchner Haus empfiehlt den Leuten 6 Liter, aber da steht dann doch der Vertriebsgedanke im Vordergrund.  

Viele Begeher starten mit der ersten Seilbahn vom Eibsee um 08.00 Uhr oder fahren am Tag zuvor mit der Bahn hoch und übernachten, oder besser gesagt, zwängen sich so gut es geht ins Münchner Haus. Beides entspricht nicht meiner Philosophie eines wenn immer möglichen "by fair means", mal abgesehen davon, dass schon der eine oder andere Bergsteiger wegen Kopfschmerzen (fehlende Akklimatisation?) oder auch wegen der unhaltbaren Zustände im Münchner Haus (permanente Überfüllung, kein Wasser, keine Hygiene, ein schlimmer Mief-Cocktail aus Schweiß, Bier, Essensdunst, Sauerstoffmangel, unfreundliches Personal usw.) auf die Tour verzichten musste. Wie ich nachträglich erfuhr, zogen auch heute wieder zwei Abgehärtete das Biwak im Freien auf der Gipfelterrasse der drängenden Enge der Hütte vor.


Der Aufstieg aus dem Tal verschafft natürlich auch die stärkeren Landschaftseindrücke und eine gelungene Einstimmung. Sehr empfehlenswert ist der Aufstieg am späten Nachmittag vom Ehrwalder Bahnhof "Ehrwald Zugspitzbahn" in 2 Std 10 min auf die Wiener Neustädter-Hütte (2213m). Ordentliche Sanitäreinrichtungen, eine sehr gute Verpflegung und vor allem überaus freundliche Hüttenwirte. Mir wurde neben einem sauberen kleinen Zimmer sogar ein Wecker zur Verfügung gestellt, da ich meinen kleinen Piepser vergessen hatte. DAS nenne ich Gastfreundschaft! Und vor allem: überhaupt keine Hektik...



In den tief dunkelblauen Morgenhimmel stechen die stark verunstaltenden Masten und Gebäude des Zugspitzgipfels hinein, mystisch und irgendwie bedrohlich. Das erste Etappenziel wartet...Um halb 6 beginnt das Abenteuer.
Der Aufstieg durch den Stopselzieher (T 4; Klettersteig WS) hoch zum Münchner Haus (2960m) vorbei an der alten Bergstation ist kürzer und kurzweiliger als gedacht. Ein wunderbarer und angemessener Auftakt für den großen Grat. 

Zeitbedarf: 1 Std 25 min

Doch vor der Gratbegehung genehmigte ich mir ein umfangreiches Frühstück an den Tischen des Münchner Hauses. Ein muffiger Geruch drang aus dem Innenraum der Hütte. Man soll ja niemals nie sagen, aber hier werde ich, wann immer es geht, eine Übernachtung vermeiden.



Ich teile den Jubiläumsgrat in zwei etwa gleich lange Abschnitte. An der seit 2011 neuen, jetzt roten Biwakschachtel zwischen Mittlerer und Äußerer Höllentalspitze (Höllentalgrathütte) ist knapp die Hälfte des Weges von der Zugspitze zur Osterfelderbahn absolviert. Begeher, die den Grat komplett absolvieren möchten, nehmen natürlich die Ausrüstung für beide Teile mit. 



Teil 1: Zugspitze-Höllentalgrathütte

Zur Schwierigkeit:
II (
mehrere Stellen, auch im Abstieg) und viele seilversicherte Passagen, Orientierung manchmal schwierig wegen verblasster oder fehlender Markierungen, Klettersteig C (ZS) auf die Innere Höllentalspitze und Gehgelände bis T 5+

Zur Ausrüstung:

Mit Kletterhelm sieht man nicht nur professioneller aus, sondern schützt sich auch vor Steinen, gerade dann, wenn, wie oft, viele Begeher "am Werk" sind.
Bei optimaler Wegfindung übersteigt die Schwierigkeit den II.Grad nirgends. Deshalb müssen auch kein Abseilequipment und kein Seil mitgenommen werden. In den brüchigen Teilabschnitten, insbesondere in der Geröllrinne und der "glatten Rinne", ist besondere Rücksicht auf andere Bergsteiger angezeigt.

Zum Zeitbedarf:
3 Std 20 min
(wer mehr als 4 Std netto bis zur Biwakschachtel braucht, sollte den Abstieg über den Brunntalsteig zur Knorrhütte in Erwägung ziehen. Hinweis: Die letzte Osterfelderbahn fährt im Sommer um 17.30 Uhr, sie zu erreichen ist also normalerweise kein Problem, aber was ist schon normal...?...und Zeit für das verdiente Hefeweizen sollte auf jeden Fall noch vorhanden sein.


Im Einzelnen:
Von der Terrasse des Münchner Hauses nordseitig durch eine Tür und auf Metallstufen hinab an den Betonsockel der Gipfelbauten. Dann an einem vielfarbigen Warnschild vorbei und eine erste steile Leiter hoch bis knapp unterhalb des Gipfels der Zugspitze mit dem goldenen Kreuz. Den höchsten Punkt kann man von hier aus in 2 min mitnehmen, ansonsten bleibt der Gipfel rechts liegen.

Zunächst immer am Grat bleiben. Der Höllentalaufstieg kommt von links hoch, wir gehen geradeaus weiter (weiße Hinweistafel des DAV zum Jubiläumsgrat). Leicht und locker geht es im Gehgelände abwärts. Nach und nach kommen die ersten leichten Kletterstellen (I). Je näher es an die sich mächtig vor uns aufbauende Innere Höllentalspitze geht, desto anspruchsvoller wird das Gelände. Bereits hier befinden sich einige Seilverankerungen, allerdings auch immer wieder kurze Kletterstellen (II), an denen nur noch alte Ringe und unbrauchbare Ringhaken existieren. Wahrscheinlich gab es hier beizeiten mal Seilverankerungen, die wieder abgebaut wurden.

Die psychologisch und nach vorwiegender Meinung auch technisch schwerste Stelle (meiner Meinung nach "nur" II, häufig wird die Passage aber mit III- bewertet), an der es sich auch gerne mal staut, besteht in einem Abstieg über eine Seillänge in brüchigem, südseitig zum Platt jäh abfallendem Gelände ("glatte Rinne"). Hier haben aber einfach viele Angst vor der eigenen Courage. Trittsicherheit und Klettergewandtheit sind Trumpf, dann gibt es bei guten Verhältnissen keine Probleme.

Eine weitere steile, ausgesetzte, aber kurze Stelle mit einem kleinen Überhang in Abstiegsrichtung ist durch Stifte und Seile entschärft.
Auch mehrere Gegenanstiege sind vor der Inneren Höllentalspitze zu bewältigen.


Achtung! Vor der tiefsten Scharte geht's nicht über den letzten Gratturm, sondern etwa 50 Meter rechts abwärts in eine geröllige Rinne (Markierungen, oben ein Steinmann, den man gerne übersieht) und nachher auf der anderen Seite nach einer längeren Traverse wieder hoch. Hier verkletterten sich zwei Bergsteiger, die über den Grat weiterstiegen. Ich habe sie nachher beim Abseilen (!!!) beobachtet.

Der Aufstieg aus der tiefsten Scharte (2625m) zur Inneren Höllentalspitze (2737m) ist als Klettersteigabschnitt (Schwierigkeit: ZS) zu qualifizieren. Steil und anstrengend geht es hinauf. Die Kondition wie die Armkraft werden auf eine er(n)ste Probe gestellt. Hier hört man oft: "...puh, ist das heftig...".

Oben angekommen darf man nach 2 Std 15 min eine wohlverdiente Pause einlegen. Der Weiterweg zur Höllentalgrathütte ist definitiv wesentlich weniger anspruchsvoll.

In leichter Kletterei (I) geht's hinab zur Abzweigung des Brunntalsteigs zur Knorrhütte (man spricht von "Notabstieg", dabei ist dieser Weg KAUM WENIGER ANSPRUCHSVOLL als der Jubiläumsgrat (T 5, II), vor allem im oberen Teil, bei dem es ausgesetzt über diverse Steilstufen und Leitern hoch und runter geht.


Nun wird die Mittlere Höllentalspitze (2740m) steil, aber einfach (Klettersteigpassagen A/B) überschritten, dann kommt die gefühlt unendliche Weite des Plateaus, an deren östlichem Ende nach einer Dreiviertelstunde vom Abzweig Brunntalsteig mit der Höllentalgrathütte (2684m) der halbe Weg geschafft ist.  



Teil 2: Höllengrathütte-Alpspitze-Osterfelderbahn

Zur Schwierigkeit: 
II
(teilweise beim Abstieg von der Äußeren Höllentalspitze) und Klettersteig D (S-) an der Vollkarspitze und häufig B, dazu Gehgelände bis T 5

Zur Ausrüstung:
Klettersteigausrüstung
(etwas nervig, diese nur für die Vollkarspitze mitzunehmen, aber es ist meines Erachtens sehr sinnvoll) 

Zum Zeitbedarf:
Höllentalgrathütte-Alpspitze: 2 Std 40 min
Alpspitze-Osterfelderbahn: gut 1 Std


Im Einzelnen:
Von der Höllentalgrathütte zunächst steil hoch zur Äußeren Höllentalspitze (2720m), danach wird das Gelände zunehmend wilder. Über zwei kleinere Türmchen drüber (I-II) geht's jetzt fast 200 Höhenmeter hinunter. Man nähert sich so der gelblichen, imposanten Vollkarspitze. Bevor diese in Angriff genommen wird, müssen zunächst noch ein vorgelagerter Zacken (C; ausgesetzt) und dann eine kleine, wesentlich einfachere Wandstufe (B) überstiegen werden.

In unheimlich alpinem Ambiente bewegt man sich auf diesem Abschnitt. Die glatte und steile Wand der Vollkarspitze bäumt sich eindrucksvoll auf. Die ersten Meter sind die schwersten (D), da es kaum Griffe und Tritte gibt, also: hochhangeln an den Seilen, bis es mit weniger Herzklopfen auf den Eisenbügeln weitergeht. Leider hatte ich heute keinen Gefährten, sonst wären ein paar beeindruckende Posing-Fotos fällig geworden.

Auf dem Gipfel der Vollkarspitze (2618m) muss man sich mal umdrehen und den Rückblick in die Scharte genießen-wow!

Mit leichten Kletterintermezzi fährt der Grat fort. Einige kleinere Erhebungen prüfen die konditionellen Fähigkeiten der Begeher, bis man desillusioniert vor einem gewaltigen und schwierig anzuschauenden Aufschwung steht. Doch halt: ein Blick nach rechts, ein Wegweiser. Es geht nicht den knackigen Gipfel hoch (das ist nämlich der Hochblassen). Der Weg verläuft vielmehr in leichtem Gefälle durch die Westflanke des Hochblassen. Mühsam geht es mit Seilhilfe in eine Scharte im Nordgrat, kurz am Grat entlang und dann auf der anderen Seite vollends hinunter in die Grießkarscharte (2463m). 

Die letzten 170 Aufwärtshöhenmeter hinauf zur Alpspitze (2628m) zehren an den Kräften. Ausgemergelt, hungrig und durstig kommen viele auf dem Gipfel an, doch von hier ist es nicht mehr weit bis zur kühlen Erfrischung für die Kehle. Ein Eintrag im riesigen Gipfelbuch ist Pflicht. Die Aussicht ist großartig. 

Auf der Alpspitz-Ferrata (B) geht es dem Ziel entgegen, vielleicht mit müden Beinen, aber immer mit einem Hochgefühl.

Vom Parkplatz der Talstation wartet dann noch ein gut halbstündiger Marsch bis zur Bahnstation Untergrainau, von wo es schließlich zurück nach Ehrwald geht.


Fazit: Der Grat verliert auch bei wiederholter Begehung nichts von seiner Faszination. Eine Tour, die man wirklich einmal im Bergsteigerleben gemacht haben sollte.  





 

Tourengänger: quacamozza


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Kommentare (1)


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F3ttmull hat gesagt:
Gesendet am 11. September 2020 um 09:58
Die Schwierigkeit in der "glatten Rinne" schätze ich ebenso als UIAA II ein, da die Rinne durch Eisenstifte leicht abkletterbar ist, der Übergang auf der Platte nach links lässt sich bei guter Trittsicherheit angenehm bewältigen.


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