Steinalpenscharte (2678 m) - Erkundungstour für etwaige Dreischuster-Aspiranten


Publiziert von gero , 17. Oktober 2011 um 17:56.

Region: Welt » Italien » Trentino-Südtirol
Tour Datum:15 Oktober 2011
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Zeitbedarf: 8:30
Aufstieg: 1290 m
Abstieg: 1290 m
Strecke:Antoninsstein - Dreischusterhütte - Steinalpenkar - Steinalpenscharte - gleicher Abstieg
Kartennummer:Freytag & Berndt WKS 3 (Pustertal - Bruneck - Drei Zinnen)

Eine weitere Tour in der Dolomitenlandschaft der Dreischustergruppe - folgt mir auf die Steinalpenscharte in Nachbarschaft der vor einer Woche beschriebenen Schusterlahn.

Hinsichtlich der Zufahrt zum Parkplatz Innerfeldtal siehe meine Beschreibung beim Hochebenkofel.

Nach einer absolut sternklaren Nacht hat es kalte -6 Grad, als Walter und ich am Parkplatz Antoninsstein (1500 m) losmarschieren. Wieder einmal geht es die asphaltierte Forststraße in einer halben Straße zur Dreischusterhütte (1626 m) und dort beim Fahnenmast der AVS auf schmalem Steig hinauf zum Beginn der Schusterlahn, kurz bevor diese steil aufwärts zieht.

Nun beginnt Neuland für mich: wir queren das riesige Geröllfeld leicht fallend (Orientierung: oberer Rand der vereinzelten Latschenbüsche) zum untersten Sporn des Nordwestgrates der Dreischusterspitze. Man steht hier in einer kleinen Mulde unter Felswänden (ca. 1780 m), am Rand eines schmalen Schuttstromes, der grabenartig aus einer Schlucht herausquillt.

Es geht 50m über deutlichen Steig aufwärts, dann folgt bereits die Schlüsselstelle der heutigen Tour: es gilt, den etwa 20 m tief eingeschnittenen Graben zu queren. Dies geschieht an seinem obersten Ende (Steinmann, schwache rote Markierung): über sehr harten, rutschigen Mergel geht es steil hinunter und jenseits genauso unangenehm wieder hinauf - die Felswände, entlang derer man sich bewegt, bieten einige Griffe und entschärfen die Situation etwas.

Nach dem Graben folgt steiles Latschengelände; durch Latschengassen geht es mehr oder weniger gerade hinauf. Der Steig ist in den Latschen prima ausgehauen, trotzdem halten wir uns an einigen Absätzen immer wieder an den widerstandsfähigen Wurzeln und Ästen fest. Dieses Latschenfeld, das länger ist als man zunächst meint, erschließt den untersten Rand des Steinalpenkares: dort hat das anstrengende Steigen durch die Latschengassen ein Ende, wir stehen auf einem kleinen Felskopf (ca. 2050 m) hoch über dem Innerfeldtal und haben uns in den vergangenen 2 Std. schon beträchtlich anstrengen müssen. Diese Stelle ist ein schöner Rast- und Brotezeitplatz.

Steil und anstregend geht es danach auch weiter: immer wieder von kleineren Steinmanderln und verblaßten roten Punkten markiert, zieht die Spur aufwärts in das Steinalpenkar hinein. Die Vegetation wird immer spärlicher, und nachdem wir zwei geröllige Absätze hinter uns gelassen haben, kommen wir am Fuß der noch fast 500 m hohen Geröllreiße an, die zur Steinalpenscharte hinaufleitet.

Wie auch in der benachbarten Schusterlahn befinden wir uns hier in einer urwüchsigen Felslandschaft; auf der einen Seite flankieren die Wände, Rinnen und Zacken der Steinalpentürme das Kar, auf der anderen Seite die himmelhohen, wilden Fluchten der Dreischusterspitze. Das Kar wird im hinteren Grund von den Flanken des Gsellknoten abgeschlossen - keine Chance für uns, einen dieser unzugänglichen Gipfel zu erreichen, alles höchst abweisendes Gelände. Im Wissen dieses Sachverhaltes war von Anfang an unser heutiges Ziel die (leidlich) einfach erreichbare Steinalpenscharte.

Wir steigen nun das Geröllfeld aufwärts zur Scharte - ein Schritt vor den anderen, der Untergrund ist wegen der späten Jahreszeit und der frühen Stunde gefroren. Dies macht sowohl den An- als auch später den Abstieg etwas mühsam - das feine, lose Geröll kommt auf dem harten Untergrund ständig ins Rutschen, man muß jeden Schritt konzentriert und kontrolliert setzen. Zudem ist das Steinalpelkar länger, als es aussieht; aber endlich stehen wir in greifbarer Nähe unter der Scharte, unter den Nordwänden der Dreischusterspitze. Hier und da ziehen Rinnen, Gräben, Schluchten herunter ... nicht zu lange verweilen, es könnte steinschlägig sein. Heute bleibt aber alles ruhig; um 11:30 Uhr ist die Steinalpenscharte (2678 m) erreicht. 4 1/2 std. für knapp 1200 Hm - der unerwartet mühsame Aufstieg bei ungünstigen (weil gefrorenen) Verhältnissen rechtfertigt die reichlich lange Aufstiegszeit.

An der Steinalpenscharte ist dann "meine" Welt zu Ende: gen Osten fallen steile Flanken, Rinnen und Absätze ins Fischleintal ab. An sich führt dort ja ein anspruchsvoller Steig hinunter - aber nicht heute, nicht bei diesen Verhältnissen, hier und da liegt trotz südostseitiger Lage Schnee. Und nach oben geht es sowieso nicht weiter - die Dreischusterspitze übersteigt unser Können bei weitem, und zum Gsellknoten hinüber gibt es ebenfalls keine Möglichkeiten für uns.

Ein bißchen erkunde ich noch das Gelände in unmittelbarer Umgebung der Scharte - ein paar Steinmanderl führen nach Süden auf Bändern Richtung Weißlahn. Das Gelände ist aber nicht gut einsehbar, und ich kann auch nicht erkennen, wo es zur Dreischusterspitze hinaufgeht.

Eine kurze Rast, ein kurzes Aufwärmen in der Sonne - aber schon vertreibt uns ein relativ kalter Wind. Hinunter geht es auf gleichem Weg; erst ganz unten, nach erneutem Überqueren der grabenartigen Schlüsselstelle bei Kote 1780 m, steigen wir direkt zum Parkplatz Antoninsstein ab, statt zur Dreischusterhütte zurückzugehen. Dieser ebenfalls geröllige Abstieg ist aber für den Aufstieg nicht empfehlenswert.

Fazit: wie die benachbarte Schusterlahn ein Steig in die Einsamkeit der Dreischustergruppe - vorbehalten erfahrenen Alpinisten mit Trittsicherheit und Geländeblick. Der Nachteil besteht (zumindest in der kalten Jahreszeit) in der Tatsache, daß die Tour bis zum Nachmittag im Schatten liegt. Im Sommer mag dies als Vorteil gelten.

Tourengänger: gero


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Geodaten
 7955.gpx Vom P Antoninsstein auf die Steinalpenscharte

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Kommentare (4)


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ThomasE hat gesagt: Den Aufstieg aus dem Fischleintal
Gesendet am 25. August 2015 um 16:05
... geht glaube ich keiner mehr. Vor ein paar Jahren habe ich mich dort mal hochgemüht. Selten so viel suchen und probieren müssen. Dennoch, die Steinalpenscharte ist ein Traum

gero hat gesagt: RE:Den Aufstieg aus dem Fischleintal
Gesendet am 1. September 2015 um 17:31
Servus Thomas,

hört sich spannend an! Oben an der Scharte sah ich einige Spuren, die wohl aus dem Fischleintal heraufkommen. Näheres weiß ich auch nicht - außer der Beschreibung von Visentini habe ich dazu nichts vorliegen ...

Gruß vom gero

ThomasE hat gesagt: RE:Den Aufstieg aus dem Fischleintal
Gesendet am 3. September 2015 um 17:14
Ja, der Visentini. Ein unbezahlbares Buch. Habe mich auch nach seinen Worten hochgemüht. Leider jedoch besagten 'Soldatenfriedhof' am Einstieg nicht gefunden. Sehr lange weglos durch (trockene) Bachbetten und Schrofen. Visentini's Beschreibung ist aber unlogisch. Ueber das Fischleintal Rauf ist okay, runter moechte ich da nicht... PS: Du machst übrigens ganz tolle Beiträge, Gero!!!

gero hat gesagt: RE:Den Aufstieg aus dem Fischleintal
Gesendet am 3. September 2015 um 17:46
Hi Thomas,
vielen Dank für Dein Lob! Ich bemühe mich immer, Beiträge SO zu schreiben, daß ICH damit als Leser etwas anfangen könnte. Also Infos zur Gegend, zur Wegfindung, zu Gehzeiten, zu Schwierigkeiten ..... für den Normalbergsteiger.

Ich habe aus Visentinis Büchern (ich hab sie alle) sehr viele Anregungen entnommen - auch wenn sie inzwischen in die Jahre gekommen sind, gelten die wesentlichen Beschreibungen natürlich immer noch. Z.B. an den Hauptsteigen durch die Sextener Berge ändert sich auch innerhalb von 30 Jahren nichts.

Früher habe ich bei meinen Tourenbeschreibungen auch immer Links zu seinen Büchern gemacht, sie später aber alle wieder entfernt. Nicht daß man mal irgendwelche Copyright-Schwierigkeiten bekommt. Da werden ja die unglaublichsten Anschuldigungen an den Haaren herbeigezogen, um jemandem ein paar (oder mehr) Euro aus der Tasche zu ziehen.

Also nochmals beste Grüße vom gero


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