Dreischusterspitze (Punta dei Tre Scarperi) 3145 m Normalweg


Publiziert von bergteufel , 21. März 2017 um 14:29.

Region: Welt » Italien » Venetien
Tour Datum:13 August 2016
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: ZS+
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Zeitbedarf: 12:00
Aufstieg: 1500 m
Abstieg: 1500 m
Unterkunftmöglichkeiten:Dreischusterhütte 1625 m

Servus ihr Bergsteiger/innen und die, die es werden wollen.

Sexten Sexten, Sex... einer der schönsten Spielplätze für einen Alpenbergsteiger! Zu den Krönchengipfeln im Gebiet zählt auf jeden Fall die "Dreischuster". Ein stolzes Bollwerk von allen Seiten, wohlklingend ihr Name auf italienisch, oft bewundert, wenig bestiegen. A rassige, a ernste Tour.
Ausgangspunkt: Dreischusterhütte 1625 m im Innerfeldtal. 20 Minuten weg vom Wendeplatz der Shuttlebusse. Hier hat es alles was das Bergsteigerherz für so eine Tour benötigt. Untertags ist die Hütte gut besucht, abends wird es ruhiger und die Wanderhäuptlinge haben das "Sagen". Und es ist wie immer in Südtirol, da schlürfst du den Vino, speist a guads Essen, vergisst die Zeit und kommst ins Ratschen. Alles in erschwinglichem Rahmen, keine Portionsschüsseln auf dem Tisch, kein Halbpensionszwang und .... die Gastfreundlichkeit - oft vergisst man dies Wert zu schätzen. Drum hier mal ein Dank an diese tolle Region.
Der "Dreischuster" ist der Hüttenberg, auch wenn die meisten Bergsteiger den Haunold nebenan besteigen.

Los geht`s, Ziel: Dreischusterspitze (Punta dei Tre Scarperi).

Zustieg: Zunächst hoch zur Steinalpenscharte 2678 m. Direkt hinter der Hütte (bei der Wäscheleine) beginnt der Pfad. Gut ausgeschnitten ziehts durch die Latschen. Wenn du das Geröllfeld erreichst, wanderst du links weiter, querst dieses in Richtung des Gratausläufers der Dreischusterspitze. Um die Felsnase herum und in den Einschnitt zum Bach. Tja und dann, eine zünftige Stelle. Über den Bach und gegenüber irgendwie den Schotterabsatz nach links hoch (Leichtsteigeisen?) zu dem erkennbaren, bei den Latschen beginnenden Steig. Postulat: Wer hier Probleme hat, sollte umkehren. Jetzt steiles Gehgelände hinauf bis zu dem großen Felsklotz, bei dem das Kar beginnt. Im Kar weiter, später näher an der Ostflanke der Dreischusterspitze, auf deutlichen Steigspuren hinauf zur Steinalpenscharte. Hierher 2 bis 3,5 Std, ein echter Konditionstest. Aber auch ein feines Brotzeitplatzerl an der Scharte, es begrüßt einen die Sonne. Hier wird der Blick frei auf die "Sextner Sonnenuhr", die einen bis zum Gipfel begleitet. Wer mehr Infos über den Schartenaufstieg möchte, dem empfehle ich den HikrBericht von Kollege Gero.
http://www.hikr.org/tour/post42441.html

Kletterroute:
Auf schmalem Pfad südwärts weiter, abschüssiges Gelände. Etwas absteigend, dann querend. Wenn das Gelände auffächert, deutlich erkennbar eine dunkelgraue Steinmoräne, ein gutes Stück davor ein gelber Felsklotz und darüber ein kleinerer mit roter Markierung. Hier geht`s los (siehe Bilder Nr. 4 bis 8).
Und es geht gleich ordentlich los. IIer Gelände ansteigen: Nach rechts bis an die Kante, eine Rinne links seitig haltend ansteigen (SGII+, oben der Abseiler), dann rechts queren zu Spalt mit Felsblock (Ministelle III). Weiter auf Band in die Ostseite und sofort links über Schrofengelände (I-II) hoch.
Hinweis: wer auf dem schmalen Band (I, ausgesetzt) weiter quert bis zur ausgewaschenen Wand mit Rinne (glatt, Steinmann?!!) und dort nach oben steigt, der hat es deutlich schwieriger (III).
Beide Routen treffen sich oben bei einem Band. Dieses rechts weiter (Wasserrinne wird gekreuzt). Bei schmaler Rinne (kaminähnlich) links hoch (bis II). Es folgt ein Schotterstreifen, der zur Rampe wird (Gehgelände, Brotzeitplatz). Was jetzt kommt kann man als logisches Bergsteigen bezeichnen (alles I-II garniert mit Gehgelände, viele Steinmänner, nicht ausgesetzt, sehr viel Schotter). Siehe Bild Nr 21. Man schlängelt sich gemütlich hoch, bewegt sich optisch in pures Dolomitenkino. Irgendwo muß ja die "Zackige" ihren Namen herhaben. Genial. Ein Felskopf wird tangiert und dann erreicht man das schmale Band, welches zur Gipfelschlucht leitet (II).
Ein Blick in die Luft zeigt einem die Mächtigkeit des großen Ziels und wie bescheiden man sich darin bewegen darf. Soll heißen, man kann kaum die Augen von dieser gelben Gipfelzackenkrone (links) lassen. Als Krönung steht rechts auch noch der imposante Felszahn, der nahezu gleich hoch ist wie die "Dreischuster". Jetzt Fakten.
In die Schluchtrinne. Losklettern (II), links kommt ein Riss mit maroder Abseilstelle (II bis III-). Alles kein Problem, der Blick fixiert die Schlüsselstelle. Jetzt hellwach. Es kommt ein Sperrriegel, ein Felssporn mittig in der Schlucht, jetzt guit`s: "Butter bei die Fische". Rechts und links umrahmen den Sperrfelsen zwei Kamine. Man nimmt den Rechten. Spreizschritt, Klimmzug, Tritt, oben... so die Theorie. Für mich mindestens eine III (überhängend, siehe Bilder Nr. 26 und 27). Vorteil: man kann die Stelle fast vom Stand aus steigen, nicht ausgesetzt. Keine Sicherungen vorhanden, oben Abseilstelle.
Danach rechts auf schmalem Band (I) um die Felsnase und dahinter ansteigen (Gehgelände). Zurück in die Schlucht. Ab hier wird die Rinne rechts von dem großen Felsturm begrenzt. An seiner Westwand gibt es drei Schlaghaken, die zum Rinnenende leiten.
Wichtig: Linkerhand, am Gipfelsockel der "Dreischuster", zieht eine Rinne hoch, die oben links ein Felsdach hat. Laut AVführer geht es diese Rinne hoch (III, nicht meine Einschätzung), Gipfel erreicht. Dies ist auch die Abseilrinne (Stelle eingerichtet). Dafür haben wir sie genutzt.
Ich bin die Schluchtrinne entlang der Haken weiter hochgestiegen zum Schartenende (II-III-). Was für ein gigantischer Tiefblick, wow! Dann links, scharf an der Felskante Riss hoch (III, sehr ausgesetzt) zum Gipfelplateau. Ziel erreicht.
Dreischusterspitze 3145 m am 13.08.2016. Ein Traumberg. Eine einsame Tour und sehr ernste Bergfahrt. Beeindruckende Kulisse. Und: heute waren wir wieder einmal zu dritt - der Harald, der Berg und ich!
Ein eisernes, altes, verrostetes Gipfelkreuz erwartet einen. Gezeichnet von vielen Blitzeinschlägen. Bitte, bitte nicht gegen diese Alumassenprodukte austauschen.
Gipfelbuch: Wenig Einträge. Meistens Einzelpersonen, bedeutet wohl, der Bergführer trägt sich selten ein.

Abstieg: Abgeseilt wird die Rinne vom Gipfel, 2x in der Schluchtrinne und beim Einstieg. Der Rest wird abgeklettert. 
Ausrüstung: 40m Seil, 2 Friends, Expressen, Schlingen. Pickel und Steigeisen nach Bedarf.
Meine Meinung: Die Schlaghaken am Turm, sind die einzigen auf der ganzen Route. Sie sind so positioniert, daß sie wohl bei Schnee genutzt werden. Ich würde den Hochsommer für diese Tour nehmen, denn Schnee in der Gipfelschlucht kann schnell sehr ernst werden.  Die Gipfelkrone der "Dreischuster" ist wahrlich beeindruckend. Gebraucht haben wir für die ganze Tour 12 Std, die Länge der Tour ist zu beachten. Jetzt kann ich argumentieren, daß ich schon ein alter Mann bin, aber Spaß beiseite, auf der Route bist du als Erststeiger ständig am schauen und suchen, mit Karawanendenken zum Gipfel steigen läuft hier garantiert nicht. Ok, wir hatten gute Wetterbedingungen und haben uns zwei längere Pausen gegönnt, weil wir den Laden im Griff hatten, heißt, daß wir fast die ganze Route seilfrei geklettert sind. Gesichert haben wir nur die Schlüsselstelle und oben die Gratkante. Seilfreies Abklettern bis II+ versteht sich von selbst. Übrigens wird bei Nebel das Spiel bestimmt sehr interessant. Ja, es gibt rote Zeichen auf der Tour, die sind so positioniert, daß du hauptsächlich beim Abstieg die Orientierung behältst (man weiß wohl genau warum, Beispiel siehe Bilder Nr. 11, 17, 34). Dann hat es etliche Steinmänner, die helfen einem wirklich, sie sind qualitativ toll gemacht, bedeutet, derjenige der diese Route pflegt gibt sich wirklich Mühe. Ein großes Danke dafür.
Die Führe berührt den IIIer Schwierigkeitsgrad kaum. Problematisch ist jedoch die Schlüsselstelle und danach richtet sich alles.

Habe mein Bestes bei der Beschreibung versucht (keine Gewähr). Wir hatten beste Bedingungen. Als Literatur hatten wir den AVführer Sextener Dolomiten extrem 2003 (lediglich ein Topo auf Seite 70) ...wem`s hilft und das Buch 3000er in den Alpen - Die Normalwege, Richard Goedeke, Bruckmann Verlag, 2004, ISBN 3-7654-3661-5, Tour 20.

Danke an meinen Freund und Begleiter Harald, einer, der unverwüstlich ist, egal wie lange es dauert. Wir haben 2016 mit dem Langkofel, der Großen Zinne, dem Piz Popena und der Dreischusterspitze, vier Paradegipfel der Dolomiten bestiegen. Diese Touren habe ich euch jetzt auf Hikr eingestellt, vielleicht hilft es dem Einen oder Anderen von euch, wenn er diese Ziele plant. Die Hohe Gaisl, welche ich 2014 gemacht hatte, habe ich auch noch drangehängt. Jetzt gilt`s 2017 erstmal wieder den Gipfelhamster zu machen. 

Quelle: Sextener Dolomiten, Autor: Luca Visentini, Verlagsanstalt Athesia (Bozen), 1983, ISBN 88-7014-319-8
Zitat: "Die Dreischusterspitze ist noch heute mehr ein Berg zum Hinaufschauen; nur wenige Seilschaften gehen ihn an. In der Vergangenheit hat dieser ausnehmend faszinierende Gipfel die berühmtesten Bergsteiger in seinen Bann gezogen; so war die Dreischusterspitze die erste der großen Spitzen in den Sextner Dolomiten, welche diese "Eroberer" aufs Korn nahmen. Paul Grohmann, Franz Innerkofler und Peter Salcher stiegen von der Ostseite am 18. Juli 1869 zur Spitze auf. Innerhalb eines Monats schafften diese drei auch noch die Erstbesteigung des Langkofels und der Großen Zinne. Grohmann war von der Schönheit dieses Berges beeindruckt und beschrieb in seinen Erinnerungen diesen Aufstieg sehr ausführlich." (Buch Seite 23, Zeile 1-8)
Zitat:" Ein großartiger Berg, der höchste und imponierendste in den Dolomiten um Sexten. Er ist als einer der letzten Berge in den Alpen noch von einem Hauch geheimnisvoller Einsamkeit umwoben. Er wird nur selten bestiegen, weil der Zugang sehr langwierig ist, weil seine Flanken brüchig sind und weil er eine Art psychologischer Barriere aufgerichtet hat. Die Große Zinne mag zwar in der ganzen Welt bekannt und Traum von Tausenden von Bergsteigern sein, doch sind es in Wirklichkeit Berge wie die Dreischusterspitze, die noch die alte Faszination ausüben; das Unbekannte in ihnen und die Wildheit reizen zur Erforschung. Der Gipfel ist also wenig bekannt, ausgenommen die herrliche Aussicht aus dem Tal herauf. Wer wagt auch, ihn zu besteigen?..... Deshalb ist die Dreischusterspitze etwas für jene Bergsteiger, die den Berg um des Berges willen bezwingen wollen." (Buch Seite 36)
Welch wahre Worte von Luca Visentini, den ich, ob seines enormen Dolomitenwissens sehr schätze.

Fazit: Der "Dreischuster", eine Traumtour in den Dolomiten.

Habe die Ehre. Berg Heil.
Der Bergteufel   

Nachtrag: Wir haben 08/2017 den Dreischuster nochmal bestiegen, hier der Bericht:
http://www.hikr.org/tour/post123798.html
Leider habe ich dabei festgestellt, daß einige der roten Markierungen und Steinmänner unkenntlich gemacht wurden. Besonders im Zustiegsbereich. Die Alpinschule Sexten !!! hatte 2016 den Berg für andere Bergsteiger hergerichtet, bedeutet wesentliche rote Punkte und tolle Steinmänner (eine starke Leistung) - den Bergführern ein großer Dank dafür. Leider pocht der Hüttenwirt der Dreischusterhütte auf "sein Hausrecht" und strotzt vor Stolz, wenn er erzählt: "Die von der Alpinschule sind doch Verrückte, markieren mir meinen Berg..." und dann ist er stolz, ob der Tat, einige der Markierungen entfernt zu sehen. Bedenkt das bitte, wenn er ihm begegnet. Auch ihm einen großen Dank dafür, wenn ein Anderer Schwierigkeiten bekommt. Ewig gestriges Denken gibt es heute immer noch, aber leider auch das Internet, dies mitzuteilen. Deshalb, schaut euch die Zustiegsbilder genau an.
Und noch was: die Schlaghaken in der oberen Schluchtrinne sind entfernt. Der Normalweg ist eindeutig, hoch bis zur Scharte und am kurzen Ostgrat (SGIII) hoch zum Gipfelplateau. Die Rinne direkt hoch zum Gipfel wird nicht mehr gemacht.

Tourengänger: bergteufel


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Kommentare (7)


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georgb hat gesagt: teuflisch gut
Gesendet am 21. März 2017 um 15:17
Respekt bergteufel, diese 4 Berichte sind nicht zu toppen, erstklassige Führerliteratur. Bessere Beschreibungen findest du nirgends, nichtmal annähernd. Goedeke braucht jetzt niemand mehr, es genügt bergteufel auf hikr.org!
Grüße Georg

Andy84 hat gesagt: RE:teuflisch gut
Gesendet am 21. März 2017 um 15:31
Da kann ich dir nur zustimmen.
4 klasse Touren auf geniale Gipfel, und dazu noch allerbestens beschrieben und bebildert. Chapeau !!!

ADI hat gesagt: RE:teuflisch gut
Gesendet am 22. März 2017 um 11:08
Tja....Georg....auf geht's.....hatte eigentlich gedacht von Dir bald einen 3-Schuster-Bericht zu lesen.....

;-))

VLG!

georgb hat gesagt:
Gesendet am 22. März 2017 um 11:44
die hikr-Erstbegehung gebührt dem bergteufel, und das zu recht!

Cubemaster hat gesagt: Einfach genial!!
Gesendet am 21. März 2017 um 16:11
Glückwunsch zu der tollen Tour und vielen Dank für die ausführliche Beschreibung in Text und Bildern! Auf so einen Bericht habe ich schon lange gewartet...

Ich hätte ein paar Fragen: Das letzte Stück von der Scharte zum Gipfel scheint ja heftig zu sein, wenn du schreibst "III, sehr ausgesetzt". Aber du schreibst auch, dass Haken dorthin leiten, dann kann man sich an der ausgesetzten Stelle auch an Haken sichern? Ich nehme an, es sind Schlaghaken und keine Bohrhaken?
Ist die Rinne durch die ihr vom Gipfel abgeseilt habt auch so ausgesetzt, oder ist sie einigermaßen gestuft?

Viele Grüße und Berg Heil!

georgb hat gesagt: Hoi Rudi
Gesendet am 27. Oktober 2018 um 20:58
hab deinen Nachtrag gelesen! Der Dreischuster gehört dem Land Südtirol und sonst niemandem. Sollte es stimmen, dass der Wirt Markierungen entfernt, macht er sich strafbar. Ganz abgesehen davon ist das Anmaßung und grenzt an psychische Störung. Seltsam, die Hütte wirkt eigentlich sympathisch!?
Ich grüße dich ganz herzlich, Georg

bergteufel hat gesagt: Markierungen
Gesendet am 28. Oktober 2018 um 18:52
Servus Georg,
da waren wir sprachlos, der Gunter, Georg und ich, als der Wirt so über die Alpinschule her zog und dann wohl wissend und erfreut kund tat, daß an der Route jetzt alles wieder in einem normalen Rahmen ist.
Du warst ja selbst dabei, wie ich tags zuvor verblüfft nach den "neuen" Zeichen, bei dem diffusen Wetter was wir hatten, Ausschau hielt. Schade auch, daß die 3 Schlaghaken in der Rinne weg sind, bei Schnee wären die bestimmt hilfreich.
Dir alles Gute, herzlichen Gruß Rudi


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