Schwabenalpenkopf 2687m - Gebrochene Männer


Publiziert von georgb , 6. September 2021 um 15:34.

Region: Welt » Italien » Trentino-Südtirol
Tour Datum: 4 September 2021
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: IV (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Zeitbedarf: 8:00
Aufstieg: 1200 m
Abstieg: 1200 m

Jahre sind vergangen seit meinem gescheiterten Versuch auf den Schwabenalpenkopf, aber aus meinem Kopf ist er nie verschwunden. Oft schon habe ich Manuel von ihm vorgeschwärmt und endlich ist er bereit, mich zu dem magischen Berg zu begleiten. Dass die alte Beschreibung von Goedeke (SG II und eine Stelle III) nicht mehr ganz zutrifft, ist uns natürlich bewusst, aber was uns heute erwartet, wird unsere Vorstellungen bei Weitem übertreffen!?
An der Dreischusterhütte beim Espressodoping sind wir noch guter Dinge und traben locker zum Wildgrabenjoch. Dort zieht ein seilversicherter Graben zur Aussicht auf die Drei Zinnen. Wir haben heute nur wenig Sinn für den einzigartigen Anblick, unser Augenmerk liegt gegenüber beim Schwabenalpenkopf. Wir steigen auf einem deutlichen Pfad zum Einstieg und sichten Fußspuren in der westlichen Zugangsrinne, hier war vor Kurzem schon mal ein Mensch, das gibt uns Zuversicht. Tatsächlich stehen sogar Steinmänner herum, na dann!?
Trotzdem ist uns nicht ganz wohl, nach meinen vagen Informationen gibt es zumindest 4er Stellen und schon das erste Wandl fordert uns. Manuel steigt voran, setzt ein paar mobile Sicherungen und findet sogar alte, wacklige Schlaghaken. Ich folge ihm zaghaft. Zunächst lässt sich die Schlucht gut spreizen, aber dann steht ein abdrängendes Stück im Weg und ich suche nach Griffen. Als Nachgänger für mich noch machbar, aber hier ist die alte Goedekeeinschätzung schon passé, unter IV- geht nichts.
Doch das sollte die Schlüsselstelle gewesen sein, weiter oben geht es ja angeblich im 2er Gelände zum Gipfel und es fehlen nicht viel mehr als 30 Höhenmeter? Am Stand angekommen atme ich erleichtert durch, doch ein Stück ums Eck stockt mir der Atem erneut. Wir stehen vor einer abgerissenen Wand, die senkrecht nach oben zieht, wo ist hier der SG II? Tatsächlich stecken ein paar alte Eisenteile aus dem Ersten Weltkrieg in der Wand, vermutlich waren hier einst Leitern montiert!?
Doch von der alten Steiganlage sind nur die Halterungen übrig, der Rest ist abgebrochen und der Fels löst sich allmählich auf. Das ist anspruchsvollstes, heikles Klettergelände, mit IV ist es hier nicht mehr getan. Das ist weit über meinen Möglichkeiten, der Schwabenalpenkopf ist für uns offensichtlich nicht erreichbar. Manuel will es nicht wahrhaben und sucht nach einer Linie, vergeblich, auch nicht zum etwas niedrigeren Südgipfel. Ich bezweifle, dass unsere Vorgänger hier weitergestiegen sind. Zumindest haben sie einen Abseilstand an einer Sanduhr über der Einstiegsschlucht gebaut und den nehmen wir dankbar an.
Selbst der Abseiler ist nicht Standard und wir arbeiten sehr konzentriert, um heil unten anzukommen. Als gebrochene Männer stehen wir beim Stockdepot, demütig müssen wir unsere Grenze anerkennen und den Schwabenalpenkopf als unerreichbar abhaken. Die Drei Zinnen hüllen sich passend dazu in Wolken und ein paar Regentropfen platschen auf unsere gesenkten Häupter.
Wir trotten unter dem Gwengalpenkopf vorbei zurück zur Dreischusterhütte und umrunden so zumindest den unnahbaren Schwabenalpenkopf. Auf der Terrasse finden wir ein nettes Plätzchen und lassen Strauben mit Preiselbeermarmelade antanzen, was für ein außergewöhnlicher Genuss. Für ein paar Minuten vergessen wir unsere Schmach und schmatzen vor Begeisterung.
Erst auf dem Heimweg überkommt die gebrochenen Männer wieder Traurigkeit, ein Tag ohne Gipfelerfolg ist schwer zu verdauen, da helfen auch die besten Strauben nur bedingt ;-

Nachtrag:
Später habe ich erfahren, dass tatsächlich vor einigen Jahren ein gravierender Bergsturz am Schwabenalpenkopf geschehen ist. Genau an der Stelle, wo wir abbrechen mussten, deshalb ist der Übergang zum Gipfelturm heutzutage kaum noch möglich und die alte Wegbeschreibung von Goedeke hinfällig!

Tourengänger: Manuel, georgb


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Kommentare (1)


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Atomerwin hat gesagt: Schwabenalpenkopf, ich auch
Gesendet am 21. Juli 2023 um 19:21
Hallo Georg, scheinbar haben wir ähnliche Vorlieben. Hab vor ein paar Jahren mich auch oben abwimmeln lassen. Gestern war ich fest entschlossen. Vor der Kriegstellung geht bereits eine Schlucht in den Berg. Die endet in einer Sackgasse zwischen steilen Wänden. Direkt an der Stellung (neben der Kaverne) ist die richtige Schlucht. Da wo die zwei Holzbalken verklemmt sind. Ihr seid dort den Kamin hinaufgeklettert. Die Originalroute ist krass, darauf war ich aber als Alleingänger angewiesen. Am Ende der Schlucht führt ein enger Spalt nach oben. Dort muss man sich durchwinden. Ich bin tatsächlich nicht der Schlankeste, hab es aber geschafft. Dann war ich in einer Art Atrium. Die Abseilstelle an der Sanduhr habe ich direkt entdeckt. Rechts (östlich war eine steile Wand. Ich traute mich alleine nicht hinaufzukkettern. Vermutlich 3


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