Vorfrühling im Bärtobel (Hörnli Westwand)


Publiziert von Fico , 13. März 2011 um 12:10.

Region: Welt » Schweiz » Zürich
Tour Datum:12 März 2011
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-SG   CH-TG   Zürcher Oberland   CH-ZH 
Zeitbedarf: 5:00
Aufstieg: 570 m
Abstieg: 660 m
Strecke:Steg-Bärtobel-Hörnli-Silberbüel-Holestei-Grat/Groot-Fischingen
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Steg
Zufahrt zum Ankunftspunkt:cff logo Fischingen
Kartennummer:LK 1093 (Hörnli)

An einem schönen Vorfrühlingstag wie diesem Samstag zieht es den Wanderer hinaus in die freie Natur. Oben in den Bergen liegt noch viel Schnee. Was ist da naheliegender als eine Tour aufs Hörnli? Zugegeben, mein eigentliches Ziel ist nicht das Hörnli, es ist vielmehr der Grat in dessen Westwand, der mich wie magisch anzieht. Zudem lockt auf dieser Tour, versteckt in einer Felsspalte, eine geheimnisvolle Büchse, worin sich das mystisch anmutende Wandbuch befindet - fast wie die Büchse der Pandora. Soll ich nach ihr suchen und sie öffnen?

Eine T4-Tour habe ich bereits gut hinter mich gebracht. Die T6-Berichte auf hikr.org hingegen lesen sich für mich, wie wenn man mit einen Fuss - wenn nicht im Jenseits, dann doch im Abgrund stünde. T5 läge dazwischen, die Versuchung ist gross. Soll ich das Schicksal herausfordern oder mich doch besser mit einer Welt begnügen, in der ich mich einigermassen sicher bewege? Anfänglich hin- und hergerissen, entschliesse ich mich, die Herausforderung anzunehmen. Immerhin bestünde auf dieser Tour ja noch die Möglichkeit, auf halber Strecke, gewissermassen als Notausstieg, auf den Wanderweg auszuweichen, was auch keine Schande wäre. Werde ich davon Gebrauch machen müssen?


Bereits die Wanderung durchs Nideltobel mit seinen beeindruckenden Nagelfluhformationen ist ein Genuss. Im Bärtobel entschliesse ich mich, an Stelle des Bachbettes den ehemaligen Weg (der auf meiner alten Hörnli-Karte von 1978 noch eingezeichnet ist!) zu benützen, steige etwas zu weit hoch, muss wieder hinunter, gehe dann weiter auf dem nun gut erkennbaren Weg und über die vielen Bäume hinweg, die das Weiterkommen erschweren. Auf einem dieser Bäume rutsche ich aus und trage leichte Schürfungen an der Hand und am Bein davon. Ein schlechtes Omen?

Bei der ersten Bachgabelung zögere ich. Der vermeintliche Einstieg auf den Sporn ist nicht hier, denn im Bachbett rechts geht es weiter. Erst bei der nächsten Gabelung ist deutlich die erste Felsstufe im Bachverlauf erkennbar, das untrügerische Merkmal, dass es sich diesmal um den richtigen Sporn zwischen den beiden Bachläufen handelt. Der Boden scheint noch immer gefroren, so dass der Beginn des Aufstiegs kaum rutschig ist. Nach meinem Empfinden halten sich die Schwierigkeiten in diesem Abschnitt bis zum Wanderweg im Bereich von T3, mit einzelnen Stellen und Abschnitten von T4. Gewiss, es geht steil hinauf, doch die entstandene Wegspur ist gut gestuft, manchmal braucht man beide Hände, und auf dem schmalen Grat soll, wer nicht schwindelfrei ist, besser auf die faszinierenden Tiefblicke verzichten.

Derart gut und ohne grössere Schwierigkeiten auf dem Wanderweg angekommen, steht mein Entschluss bereits fest: Kein 'Notausstieg', sondern weiter hinauf in die Welt des T5! Bis zum (in anderen Berichten erwähnten) Nagelfluhwändchen, das umgangen werden muss, ist es nicht mehr weit. Klar, es gibt Schöneres als eine Querung in einer steilen Grashalde. Da die Wegspur nach jeder Begehung ein klein wenig breiter wird, bringt auch diese Stelle noch keine grösseren Schwierigkeiten. Wieder auf dem Grat taucht bereits der Felsen auf, in dessen Spalte sich die 'Büchse der Pandora' befinden müsste. Tatsächlich, ein einziger Schritt auf dem Schnee, der vor der Felsspalte liegt, und bereits funkelt sie mir entgegen. Viele Einträge in diesem Jahr hat es im Wandbuch noch nicht, doch das könnte sich ändern, je beliebter diese geniale Route aufs Hörnli wird.

Hinter dem Felsen gilt es hochzuklettern. Die Wegführung ist mir nicht mehr so klar, ich steige zu weit nach links, finde keine Griffe mehr, muss einen Meter zurück und quere zum nächsten rettenden Baum. Weiter oben, vermutlich bei der Schlüsselstelle, krallen sich meine Finger in die feuchte, schwarze Erde, während ich spüre, wie der linke Fuss langsam abrutscht. Verzweifelt halte ich Ausschau nach einem passenden Griff. Ich erspähe eine kleine Wurzel, strecke mich, soweit ich kann, und bin in der Lage, mich mit den Fingern an ihr festzuklammern. Das scheint jetzt meine T5-Welt zu sein, dieses Gefühl zwischen Zuversicht und Verzweiflung, zwischen Abenteuerlust und gesundem Menschenverstand, das mich stets den Respekt vor der Macht der Natur bewahren lässt. Und diese Wurzeln, ohne sie ginge es wirklich nicht. Auf dem Wanderweg sind sie lästig: Man stolpert darüber oder rutscht auf ihnen aus. Hier sind sie unentbehrlich und wie eine dargebotene Hand. Sobald man sie ergreift, hat man das Gefühl, sie würde einen hochziehen.

Für all die Mühen entschädigt werde ich durch die bezaubernden Blicke in die senkrechte, teilweise vereiste Nagelfluhwand, die nun zum Greifen nah ist. Weit bis zum Gipfel ist es nicht mehr. Über den bekannten Zaun brauche ich nicht zu klettern, ich umgehe ihn rechts und lande so auf dem Wanderweg beim Restaurant. Geschafft! Bei der Mittagsrast überlege ich mir den Abstieg. Der Tag ist noch lang, kaum Mittag. Warum nicht dem angeblich "höchsten Thurgauer" einen Besuch abstatten? Gedacht, getan. Doch vorher will ich nochmals vom Wanderweg aus über den Zaun hinunterschauen, dort wo ich zuvor hergekommen bin. Ein trügerisches Gefühl von Unbesiegbarkeit verbindet sich mit dem Stolz, unter all den Wanderern, die heute auf dem Hörnli sind, ziemlich sicher der einzige zu sein, der die Westwand hochgeklettert ist. Am liebsten würde ich den andern, die neben mir die Hörnliwand bestaunen ("Schau mal, wie steil das ist!"), erzählen... Doch ich beherrsche mich und nehme den Abstieg unter die Füsse.

Am "Dreiländerstein der Kantone Thurgau, St. Gallen und Zürich" auf 992 m Höhe (dem heimlichen 'höchsten Thurgauer'!) angelangt, will ich nicht länger auf dem Wanderweg trotten und ziele direkt auf die Kuppe des Silberbüel, die beim Pt. 1010 LK sehr breit wird und eine prächtige Rundsicht bietet. Von dort geht es mehr oder weniger weglos weiter, hinunter bis zum Fahrsträsschen beim Hof Wald (Pt. 918 LK). Kurz vor der Pferdezucht Holestei (Pt. 890 LK) erreicht man den offiziellen Wanderweg, der auf den Grat/Groot hinauf führt und weiter über Höll/Hell und Ottenegg/Ootenegg nach Fischingen.

Tourengänger: Fico


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Kommentare (1)


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alpstein hat gesagt: Gratulation
Gesendet am 13. März 2011 um 12:36
zu dieser T5-Tour im abenteuerlichen Tösstal.

Eine interessante Schilderung Deines Unternehmens.

Grüße
Hanspeter


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