Nemesis (Versuch) - Tofana di Mezzo (3244 m) - unterwegs in wilder Dolomitenlandschaft


Publiziert von gero , 1. August 2018 um 08:12. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Italien » Trentino-Südtirol
Tour Datum:28 Juli 2018
Hochtouren Schwierigkeit: WS
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Zeitbedarf: 10:30
Aufstieg: 1985 m
Abstieg: 1985 m
Strecke:Rif. Dibona - Rif Giussani - Forc. Valon - Nemesis (Versuch) - Tofana di Mezzo - Pie Tofana - Rif. Pomedes - Rif. Dibona (13,6 km)
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Vom ostseitigen Teil der Falzarego-Paßstraße beschildert hinauf zum Rif. Dibona; das Sträßchen ist bis auf den letzten Kilometer geteert und extrem stark befahren. Der gebührenfreie Großparkplatz im Bereich des Rif. Dibona ist tagsüber bis auf den letzten Quadratmeter zugeparkt.
Kartennummer:Tabacco - Karte Naturpark Fanes-Sennes-Prags (1:25.000); Freytag & Berndt WKS 5 (Cortina d'Ampezzo); Kompass K55 (Cortina d'Ampezzo)

Heute möchte ich euch erzählen von der ersten Georg-Georg-Tour - eine Auftakt-unternehmung, die es in sich hat. Gemeinsam werden georgb und gero die Nemesis versuchen,  jenen kühnen Wachturm, der auf der Westseite der Tofana das Regiment über das tief eingeschnittene Val Travenanzes führt. Unnahbar aus der Ferne, abweisend aus der Nähe, nur über ausgesetzte Geröllbänder zu erreichen und deshalb sehr selten besucht: so präsentiert sich die Nemesis von allen Seiten.

Dabei sind die Kräfte sehr ungleich verteilt: der georgb ist sowieso mindestens 4x so schnell wie der gero, und nachdem Letzterer gestern die Beine anläßlich einer Eingehtour übermäßig beansprucht hat, verschiebt sich das ungleiche Kräfteverhältnis noch mehr zu geros Ungunsten.

Teil 1: Aufstieg zur Forcella Vallon

Ausgangspunkt ist das Rifugio Dibona (2037 m), am Südfuß der Tofana di Mezzo gelegen und Ausgangspunkt der meisten Tofana-Touren. Ich starte mit einer knappen Stunde Vorsprung vor georgb gegen 6 Uhr. Es geht auf dem Promenadenweg Nr. 403 durch den Valon de Tofana aufwärts, immer der Beschilderung zum Rif. Giussani folgend. Noch vor selbigem holt mich mein Kamerad ein, er kürzt alle Wegkehren ab und saust einfach die steilen Geröllhänge senkrecht hinauf.

Auf dem Rif. Giussani (2580 m) angekommen, gibt es erst einmal einen Morgenkaffee. Dann geht es aber auch schon zügig weiter, vor uns liegt das am meisten anstrengende Stück des Tages, der 400 m hohe, geröllige Steilaufstieg zur Forcella del Vallon. georgb ist eine Stunde eher droben als ich, der ich geschätzte 100 kurze Verschnaufpausen benötige. Vom etwa 30 Grad steilen Geröllhang ist jeglicher Altschnee verschwunden (anders als bei cubemaster hier geschildert), - was meines Erachtens den Aufstieg nicht leichter macht, denn man steigt nach dem Motto "3 Schritte hinauf, 2 Schritte wieder hinunter" stangerlgrad, den Steigspuren folgend, die Geröllreiße hinauf.

Ich erreiche schließlich die Valonscharte: ein Felszahn spaltet sie in zwei Hälften. cubemaster weist in seinem Bericht darauf hin, daß man sich hier linksseitig halten möge, die rechtsseitigen, verlockend deutlichen Spuren führen ins Nirgendwo. Dies ist zwar so nicht richtig, denn georgb ist rechtsseitig angestiegen, aber linksseitig kommt man nach der Scharte auf die "offizielle" Fortführung des Steiges.

Zur Ersteigung der Scharte muß man eine kurze Einserstelle bezwingen: sie stellt die einzige und technisch schwierigste Stelle des gesamten heutigen Rundweges dar. Etwa 3 m überwinde ich in ziemlich kleinsplittrigem Einsergelände, dann habe ich das Hindernis überwunden und stehe in der Forcella del Vallon (2925 m). Hier nun wird man erst einmal tief durchschnaufen: über steilen, trichterförmigen Abbrüchen bauen sich mächtige Wandfluchten auf, die hinaufziehen zur Tofana die Mezzo. Erfreulicherweise ist der Weiterweg absolut klar ersichtlich: eine deutlicher Steig, markiert mit vielen Steinmännern, zieht zunächst leicht abfallend und dann um das gleiche Maß wieder ansteigend, am Fuß der Wandfluchten dahin. Der Steig ist zwar hervorragend zu begehen, er ist weder jetzt noch später irgendwann heikel oder gar schwierig, aber es kostet mich anfangs gehörige Überwindung, auf den Geröllbändern am oberen Rand der trichterförmigen Abbrüche dahin zu wandern.

Teil 2: Querung und Abstieg zur Nemesis

"Ich sehe Dich" - aufmunternd erreicht mich eine Nachricht von georgb, als ich gerade in der Scharte stehe (dabei entsteht auch dieses Foto). Mein Kamerad ist mir weit voraus, und mit etwas flauem Gefühl im Magen hinsichtlich der Ansprüche des Weiterweges, aber auch in höchstem Maße beeindruckt von der unvergleichlichen Szenerie der Natur, wandere ich weiter. Der Steig ist auf unerwartete Weise mühelos zu begehen, etwa knapp 10 Minuten nach der Scharte führt er um eine markante Ecke herum (Steinmann) und danach auf die nächste Rippe zu, die von der Tofana westwärts ins Tal hinunterzieht. Man muß in diesem Gelände natürlich absulot schwindelfrei und trittsicher sein, aber dies ist eine Selbstverständlichkeit. Dann geht es aus dem tiefsten Grund einer Wandeinbuchtung etwa 40 m zu besagter Rippe hinauf, hier steht wieder ein großer, weithin sichtbarer Steinmann, der gleichzeitig das Ende der Querung markiert (knapp 30 Minuten ab Scharte, ca 2900 m).

Man drehe sich an dieser Stelle kurz um und betrachte den soeben begangenen Steig: er schlängelt sich am oberen Rand der besagten trichterförmigen Abbrüche unter den Felswänden dahin - kaum vorstellbar, daß er völlig problemlos zu begehen ist!

Hier, an der Rippe mit dem großen Steinmann, ist ein gemütlicher Rastplatz. Das Gelände lädt zur Pause, man sitzt auf einem Aussichtsbalkon allererster Güte hoch über dem Travenanzestal, der Blick reicht über dieses hinüber zu den Türmen der Fanesgruppe und - weit in der Ferne - zur Marmolata. Die beindruckende Berggestalt schlechthin ist aber die nahe Tofana di Rozes, sie erscheint als perfektes gleichschenkliges Dreieck und dominiert mit ihrem wuchtigen Erscheinungbild die Szenerie.

An dieser Stelle geht es später auf dem Normalweg zur Tofanascharte (zwischen Tofana di Mezzo und Tofana di Dentro) hinauf. Für mich geht es aber erst einmal weiter zur Nemesis. Zu diesem Zweck verläßt man den Tofanasteig leicht absteigend auf Geröll, es sind nun für einige Zeit nur noch gelegentliche Steigspuren und wenige kleine Steinmännlein vorhanden. Ich halte mich auf den Ansatzpunkt der mächtigen Felsbastionen zu, die von der Tofana di Dentro herunterkommen. Das nächste Nahziel ist nun ein auffallender Felskamm, der gegenüber auf etwa gleicher Höhe von den Bastionen hinab Richtung Nemesis zieht. Ziel muß dessen oberer Ansatzpunkt sein: einige Türmchen besetzen den Felskamm, dort wird der Steig auch wieder deutlich ausgeprägt sein. Man halte sich nicht zu tief drunten auf: Bänder laden zu einer Querung unterhalb des Felskammes ein, sie sind aber unschön zu begehen, da sie von losem Geröll bedeckt und abwärts geschichtet sind!

Als ich den Felskamm schließlich erreiche, erwartet mich schon das nächste landschaftliche Highlight: der Kamm ist zwar unschwierig zu begehen, er fällt aber nordwestseitig haltlos ins Travenanzestal ab. Wieder erkennt man dort die gebänderten Trichterstrukturen des Geländes, in beeindruckender Weise ziehen sie auch dort wieder viele hundert Meter tief in den Talgrund hinab.

Nun begeht man diesen Felskamm abwärts, nahezu immer auf seiner schmalen Kammlinie, unschwierig aber ungemein eindrucksvoll. Der breite Turm der Nemesis ist ins unmittelbare Gesichtsfeld gekommen, ich sehe drüben diverse Kriegsrelikte in Form militärischer Kavernen. Was ich ebenfalls bemerke, ist mein bereits wieder auf dem Rückweg befindlicher Kamerad georgb. Er hat dank seines großen Vorsprunges die Nemesis bereits erklommen und kommt gerade zurück. So beschließe ich, auf den restlichen Weg zur Nemesis zu verzichten und auf ihn zu warten. Man muß von meinem Umkehrpunkt (Kotierung in der Lk: 2886 m) etwa 150 m absteigen in den Sattel, der die Nemesis vom Massiv abtrennt, um dann jenseits wieder 60 m zur Nemesis aufzusteigen. Und das alles muß man natürlich auch wieder zurück. Einzelheiten dieses Wegabschnittes enthält der Bericht von georgb hier.

Gemeinsam laufen wir dann wieder zurück zu jenem Punkt, an dem wir den Normalaufstieg zur Tofana di Mezzo verlassen hatten.

Teil 3: Aufstieg zur Tofana di Mezzo

Mein Kamerad möchte gern noch ansteigen bis zur Gletschermulde unterhalb der beiden Tofanen. Das ist nicht weit, nach etwa 15 Minuten haben wir auf schönem Steig die Mulde erreicht. Sie liegt zu Füßen der Tofana di Dentro, an ihrem tiefsten Punkt ist ein kleiner, noch zugefrorener See eingelagert. Ist schon ein erstaunlicher Anblick: an einem derart warmen Tag wie heute (ich schätze, daß es hier momentan etwa 20°C hat) ein vereister See! Der Getscher selbst ist eigentlich mehr ein Schneefeld, typische Eigenschaften eines Gletschers sind nicht zu erkennen (Kotierung gemäß Lk: 2957 m).

georgb und ich trennen uns hier: ich möchte gern noch zur Tofana di Mezzo aufsteigen, ihn zieht es wieder hinunter zum Rif. Dibona. Mit der Absichtserklärung, auch in Zukunft die eine und andere Bergtour gemeinsam zu gehen, sagen wir für heute Adieu.

Ich steige nun unschwierig zur Tofanascharte hinauf; es ist dies der Sattel zwischen Tofana di Mezzo und Tofana di Dentro. Dann ist es nicht mehr weit bis zur Tofana di Mezzo; etwas störend sind nach den vergangenen Stunden absoluter Einsamkeit die Scharen von Klettersteigbegehern, aber an einem derart makellosen Sommertag wie heute ist wegen der Nähe der ostseitigen Seilbahn natürlich mit vielen anderen Bergsteigern zu rechnen.

Schließlich stehe ich droben auf der Tofana di Mezzo (3244 m) - nahezu makellos die Aussicht über das sonnige Südtirol. Im übrigen kenne ich die Gegend ja von meiner früheren Überquerung der Mezzo und der Dentro, die ich hier beschrieben habe.

Teil 4: Rückweg zum Rif. Dibona

Wie geht es für mich weiter? Ich fahre mit der Seilbahn über Ra Valles hinunter nach Col Druscie (1778 m); 20 Euro kostet die einfache Talfahrt - zwar einerseits ein stolzer Preis, aber andererseits das Geld unbedingt wert, denn zu Fuß wäre der Rückweg sehr weit und vor allem zuletzt ziemlich mühsam am unschön zu begehenden, harten Geröllfeld unterhalb der Forcella Ra Valles.

Von Col Druscie laufe ich die 20 Minuten hinunter nach Pie Tofana (1660 m), dann bringen mich 2 Sektionen Sessellift zum Rif. Duca d'Aosta (2098 m) und zum Rif. Pomedes (2303 m). Das letzte Stück meines Rückweges führt noch einmal ziemlich steil 300 m hinunter zum Rif. Dibona (2037 m) - eine lange, großartige Bergtour im Reich der Tofanan findet damit ihren Abschluß.

Anmerkungen:

1) Auf der gesamten Tour gibt es zwischen Rif. Giussani und Tofana di Mezzo kein Wasser - ausreichend Vorrat mitnehmen, trotz der westseitigen Ausrichtung ist man um diese Jahreszeit fast ständig der Sonne ausgesetzt.

2) Die Tour weist keinerlei technische Schwierigkeiten auf, einmal abgesehen von der kurzen Einserstelle an der Forc. Vallon. Insofern müßte ich eigentlich den Schwierigkeitsgrad I angeben. Aber hier sträubt sich das Gewissen: eine Tour als Einser angeben, weil von 1600 Höhenmetern 3 m erklettert werden müssen? Kann man sehen, wie man will....ich bleibe bei "unschwierig, aber höchst alpin". Mit einer "Wanderung" im Sinne der T-Skala hat das aber alles nichts zu tun - ich weigere mich deshalb in eine Einstufung als Berg"wanderung" im Sinne der T-Skala. Der Normalweg auf Tofana di Mezzo und zur Nemesis ist Bergsteigen im Sinne dieses Begriffs, nicht Bergwandern.

3) Mein GPS-Track und die dazugehörigen Daten enthalten auch die Abfahrt mit der Tofana-Seilbahn und die Auffahrt mit dem Pomedes-Sessellift. Zur Relativierung des zu bewältigenden Höhenunterschiedes muß man also etwa 300 Hm des Sesselliftes abziehen, und auch die Marschzeit um die gut eine Stunde in den beiden Bahnen verbrachte Zeit reduzieren.

Tourengänger: gero, georgb


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Geodaten
 41109.gpx Unterwegs im Reich der Tofanen

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Kommentare (2)


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Cubemaster hat gesagt: Super Tour!
Gesendet am 10. August 2018 um 21:49
Hallo Gero,
mal wieder ein toller Bericht mit wunderbaren Bildern, wie von dir nicht anders zu erwarten. (bei meinem Aufstieg hat ja das Wetter nicht so mitgespielt...)
Der Hammer ist, dass meine Freundin und ich nur zwei Tage später die von dir beschriebene Tour über die Tofana die Dentro gemacht haben. Da haben wir uns wirklich knapp verpasst, aber vielleicht passt es ja nochmal mit einer gemeinsamen Tour.
Viele Grüße
Cubemaster

Felix hat gesagt:
Gesendet am 1. März 2019 um 11:10
welch abweisende, doch faszinierende, Gebirgswelt!

Bravo und lieber Gruss


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