Tofana di Mezzo 3244m - Nerven und Drahtseile


Publiziert von georgb , 2. November 2016 um 21:47.

Region: Welt » Italien » Venetien
Tour Datum: 1 November 2016
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: WS
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Klettersteig Schwierigkeit: K4 (S)
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Zeitbedarf: 10:00
Aufstieg: 1450 m
Abstieg: 1450 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Cortina d'Ampezzo-Rifugio Dibona
Kartennummer:tabacco Cortina

Im Sommer ist die höchste der drei Tofane relativ gut erreichbar, entweder über den Normalweg, wie Cubemaster hier oder noch entspannter, wie gero hier. Jetzt im Herbst sind die Bahnen längst geschlossen und der erste Schnee liegt in den Hochlagen, da braucht es schon Drahtseile und Nerven, um zum Gipfel zu gelangen.
Zwei eigenständige Klettersteige durchziehen den Südgrat des Tofanamassivs, kombiniert ergeben sie eine gewaltige Gipfelbesteigung. Gewaltig nicht nur wegen der sensationellen Ausblicke und des atemberaubenden Ambientes der Ampezzaner Dolomiten. Gewaltig vor allem auch wegen der Länge des Anstiegs und der vielen anspruchsvollen Klettereinlagen. Hier braucht es neben der besagten Nerven auch gehörig Kondition und Armkraft.
20 Minuten über dem Rifugio Pomedes beginnt die Ferrata Olivieri. Als selbständiger Klettersteig begehbar mit überschaubarem Aufwand, knackigen Passagen (K5) und mit der Punta Anna als Gipfelerlebnis. Jenseits davon bietet sich auch die erste Ausstiegs- und Abstiegsmöglichkeit nach Westen zum Rifugio Giussani.
Doch wir fühlen uns noch stark genug für die Fortsetzung und das heutige stabile Kaiserwetter lockt uns weiter zur Gipfelferrata. Der Steig quert zunächst harmlos den Pomedesturm und führt in eine breite Schotterscharte unter dem Torre Aglio. Nach einem heftigen, armlastigen Aufschwung folgt die legendäre Querung um den "Knoblauchturm". Walter juchzt vor Begeisterung, die schmale Trittleiste über dem überhängenden Abgrund lässt das Adrenalin schießen. Ich bin weniger euphorisiert, ohne Boden unter den Füßen, und muss meine Nerven zusammennehmen. Am Bus de Tofana atmen wir kurz durch, aber wenige Meter Gehstrecke später zieht schon die nächste Wand empor. Hier nutzen wir jede vorhandene Krampe und Metallverankerung, Tritte suchen wir oft vergeblich. In der Ferne kommen jetzt die ersten Leitern und Lawinenverbauungen in Sicht, gleichzeitig betreten wir den ersten Schnee, was unser Nervenkostüm zusätzlich strapaziert. Nach einer letzten Schlüsselstelle, die auf Reibung begangen wird, erreichen wir endlich "Normalgelände".
In diesem Fall bedeutet das schneebedeckte Leisten und kurze Steilstufen bis II. Nach weit über 5 Stunden stehen wir einigermaßen erschöpft am bescheidenen Kreuz und ahnen Schreckliches: Der Abstieg Richtung Tofana di Dentro ist tief verschneit und ohne jegliche Spur. Was nun?
Beide zögern wir bei dem Gedanken an den Abstieg über die Ferrata, die ein oder andere Stelle hat uns schon beim Aufstieg Überwindung gekostet. Aber es gibt keine Alternative, der ungewisse Abstieg nach Norden in den hartgefrorenen Schnee verbietet sich. Also steigen wir umgehend zurück, mit mulmigen Gefühlen.
Wenigstens kennen wir die Route und in unseren Spuren schleichen wir zu den ersten Versicherungen zurück. Nervenstark steigt Walter in die ersten Abgründe und bald sind wir wieder im Klettersteigmodus. Trotzdem sind wir froh am Bus de Tofana einen machbaren Schneehang zu finden, der uns über die Pisten ostseitig zum Rifugio Ra Valles führt. Auf die folgende extrem ausgesetzte Passage und den langen Abstieg über die Ferrata Olivieri verzichten wir beide gerne ;-)
Wir montieren die Steigeisen und queren vorsichtig abwärts. Für mich ein wahrer Genuss, endlich Boden unter den Füßen, statt Eisen und Drahtseilen. Das Gelände ist gutmütig, der Schnee trittfest und die Nerven beruhigen sich zusehends, der Tag ist gerettet.
Als letztes Hindernis steht uns noch der Sentiero! Olivieri im Weg, einschließlich 100 Höhenmeter Gegenanstieg. Im Vergleich zur gleichnamigen Ferrata ein Kinderspiel, trotzdem ist er ausgesetzt, steil, mit Drahtseilversicherungen und Leiterpassage durchsetzt, mehr als ein Steig!?
Aber unsere Nerven kann dieses Gelände nicht mehr erschüttern und wir erreichen tiefenentspannt im Dämmerlicht das Rifugio Dibona. Einzig die Arme zittern noch ein wenig von dem vielen Zupacken an den endlosen Drahtseilen weiter oben.



Tourengänger: georgb


Minimap
0Km
Klicke um zu zeichnen. Klicke auf den letzten Punkt um das Zeichnen zu beenden

Galerie


In einem neuen Fenster öffnen · Im gleichen Fenster öffnen


Kommentare (5)


Kommentar hinzufügen

Menek hat gesagt:
Gesendet am 3. November 2016 um 21:22
Giro spettacolare!

georgb hat gesagt:
Gesendet am 3. November 2016 um 21:34
Si puo dire così! Indimenticabile!
Ti saluto dal cuore uomo granito(calcolo) ;-)

Menek hat gesagt: RE:
Gesendet am 3. November 2016 um 21:38
:)))))

Cubemaster hat gesagt: Glückwunsch!
Gesendet am 9. November 2016 um 19:34
Super Tour, schöner Bericht und tolle Bilder! Ich bin eigentlich überhaupt kein Fan von Klettersteigen, aber jetzt bin ich doch fasziniert! Vielleicht muss ich den auch mal machen...

georgb hat gesagt: Danke cubemaster
Gesendet am 9. November 2016 um 20:20
Auch ich ziehe eisenfreie Berge vor, aber das hier ist der Hammer! Ich zitter immer noch, wenn ich daran zurückdenke ;-)
Grüße Georg


Kommentar hinzufügen»